Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Steven Wilson: get all you deserve (Review)

Artist:

Steven Wilson

Steven Wilson: get all you deserve
Album:

get all you deserve

Medium: DVD
Stil:

New Experimental Art Rock

Label: Kscope/Edel
Spieldauer: 142:59
Erschienen: 28.09.2012
Website: [Link]

STEVEN WILSON ist ein Phänomen. Er spielt in diversen Bands und Projekten (PORCUPINE TREE, BLACKFIELD, STORM CORROSION etc.), tritt als Produzent auf, bearbeitet vergangene Großtaten von KING CRIMSON über JETHRO TULL bis zuletzt EMERSON, LAKE & PALMER, spielt Solo-Alben ein und schafft es auch noch in der Folge dieser Veröffentlichungen Live aufzutreten.

Es mag Menschen geben, die diese Hyperaktivität enervierend finden, aber bereits die ersten Klänge und klar konturierten, blaustichigen Aufnahmen von „get all you deserve“ machen deutlich, dass hier jemand auftritt, der seine Kunst lebt, der für die Kunst lebt (sagt nicht nur das T-Shirt). Schlichte Gemüter mögen in STEVEN WILSON einen selbstverliebten Klangmagier sehen, dessen perfektionistische Sound-Produktion rein zufällig und gelegentlich, faszinierende Melodien und Effekte hervorzaubert. Viel weiter kann man kaum daneben liegen.

Was „get all you deserve“ äußerst eindrucksvoll belegt. Wahr ist wohl, dass WILSON einen ganz eigenen Sound und Sog erzeugt. Dabei Neuem gegenüber immer aufgeschlossen bleibt.
Die Aufarbeitung der Frühwerke KING CRIMSONs ist, auch nach eigenem Bekunden, nicht spurlos an STEVEN WILSON vorübergegangen. Doch ist er natürlich weit mehr als ein bloßer Kopist oder Nostalgiker. WILSON dient der Klangkosmos des karmesinroten Königs als Inspirationsquelle, nicht als Spielfeld, auf dem er sich austoben kann.

Das im April 2012 in Mexico City aufgezeichnete Konzert (tatsächlich, Mexiko, nicht Holland, nicht Polen…) besteht aus zehn Stücken von “Grace For Drowning“, fünf von „Insurgents“, einem Ausblick auf kommende Taten („Luminol“) und bietet als „Intro“ und „Outro“ einen kurzen Schnupperkurs in Ambience á la BASS COMMUNION.

Der Band und ihrem Kopf gelingt es die komplexen Songs der Studioalben auf faszinierende Weise live zu reproduzieren, nein, um weitere Facetten bereichert, neu zu gestalten. Es ist alles da, der Geist KING CRIMSONs, die Experimentierlust, die somnambulen (Alp)traumlandschaften STORM CORROSIONs, das Lustwandeln zwischen dem präzisen Schönklang des New-Art-Rock und freieren Jazz-Exkursionen. Selbst für brachiale PORCUPINE-Tree-Momente ist Platz („no twilight within the courts of the sun”), ohne den musikalischen Fluss zu zerstören. Der seine perfekte Ausformung im herzergreifend elegischen „veneno para las hadas“ findet.

Das zu Beginn verspielte „Luminol“ türmt sich im Mittelteil zu einem imposanten, mellotrongeschwängerten wahren Erbfolger im „Court Of The Crimson King“ auf und lässt für die Zukunft einiges erwarten.

STEVEN WILSON spielt Gitarre, singt und ruht sich gelegentlich an den Keyboards aus. Doch er derwischt auch ohne Instrument und Gesang über die Bühne, betätigt sich als Dirigent und gönnt seinen ausgezeichneten Mitspielern genügend Raum zur Entfaltung.
Es beginnt mit einem einsamen Marco Minnemann an den Drums, den man fast dazu beglückwünschen kann, nicht bei DREAM THEATER gelandet zu sein; der verlässliche Theo Travis spielt furios und präsent auf wie selten, Goldlöckchen Nick Beggs bildet mit Minnemann das starke rhythmische Rückgrat und sorgt für mehr als passablen Harmoniegesang. Adam Holzman – wen wundert’s - verbindet an sämtlichen Tasteninstrumenten Jazz und Rock zu einer passenden Einheit, samt Soli mit wehmütigem Ausrufezeichen (Überhaupt: KAJAGOOGOO und MILES DAVIS derart unter einen homogenen, musikalischen Hut zu bringen verdient Respekt. Ich schwör‘!)
Niko Tsonev schließlich ergänzt WILSON an der Gitarre kongenial, der ihm das ein oder andere Mal auch alleine und zu Recht, die Bühne überlässt.

Laszive Melancholie, beseeltes Zusammenspiel, gezielte Explosionen, traumwandlerische Sicherheit beim Gang über eine schwankende Brücke. Klanglich berauschend, bereits im DTS-Sound der DVD, aber auch im Stereo-Mix, mit einem visuellen Konzept, das auf Konzentration auf’s Wesentliche beruht und nicht auf Überreizung, eine sparsame Farbgebung in dominierendem Blau, kaum hektische Schnitte und ein wenig cinematographische Bewegung auf der Leinwand im Hintergrund, ab und an Schnitte auf’s beeindruckte Publikum; und fertig ist einer der beeindruckendsten Konzertfilme der letzten Jahre.

Ergänzt durch das knapp zwölfminütige Roadmovie von Keyboarder Adam Holzman „On The Road 2012“, der dem Terminus „Bewegung“ eine ganz neue Bedeutung gibt. Unterlegt mit eigenem Soundtrack, zwischen fließendem Magma und Schwebezustand, beschreibt Holzmans Kamerablick aus dem Seitenfenster eines fahrenden Wagens, eine Reise fast um die ganze Welt. Von Mexico City über diverse Zwischenstationen u.a. nach Malmö, Mannheim, Paris, Pratteln, Mailand, Rom, Dortmund, Brüssel bis nach London. Phileas Fogg wäre grün vor Neid.

FAZIT: SO sollten, können Konzertaufnahmen aussehen. Man mag die Augen verdrehen über die scheinbare Allgegenwärtigkeit STEVEN WILSONs; sich fragen wie er das ganze Arbeitspensum bewältigt, wie er die ganzen Projekte, Bands und sonstigen Tätigkeiten unter einen Hut bringt. Wenn aber so etwas wie „get all you deserve“ dabei herauskommt, kann man eigentlich nur konstatieren: Mehr davon!

Grundlage der Besprechung war die bereits exzellent klingende und aussehende DVD. Das Konzert ist aber auch auf BluRay und in der Special Edition mit BluRay, DVD und zwei Audio-CDs erhältlich. Schaut in euer Portemonaie und entscheidet selbst: Jede Version ist ihr Geld wert!

Jochen König (Info) (Review 6046x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • intro ('citadel')
  • no twilight within the courts of the sun
  • index
  • deform to form a star
  • sectarian
  • postcard
  • remainder the black dog
  • harmony korine
  • abandoner
  • like dust I have cleared from my eye
  • luminol
  • veneno para las hadas
  • no part of me
  • raider II
  • get all you deserve
  • outro ('litany')
  • EXTRAS:
  • photo gallery
  • road movie (by Adam Holzman)

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
Proggus
gepostet am: 05.11.2012

User-Wertung:
15 Punkte

Jo! Meisterwerk! Genug gesagt ;-) Der Fan greift natürlich zur Komplett-Ausgabe... Ich bin ja so auf das neue Soloalbum gespannt, "Luminol" lässt ja wieder auf Großes hoffen. Schade, dass Tsonev wohl nicht dabei ist, aber Guthrie Govan ist ja auch kein schlechter...
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Welches Tier gibt Milch?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!