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Replikas: Biz Burada Yok İken (Review)
Artist: | Replikas |
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Album: | Biz Burada Yok İken |
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Medium: | CD | |
Stil: | Progressive Rock |
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Label: | Ada Muzik | |
Spieldauer: | 42:48 | |
Erschienen: | 23.03.2012 | |
Website: | [Link] |
Wer als Musikfan etwas aufmerksamer durchs Leben geht, kennt REPLİKAS vielleicht aus „Crossing The Bridge – The Sound Of Istanbul“, einem gepriesenen Dokumentarfilm von Fatih Akın und Alexander Hacke, dem Bassisten von EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN. Dieses Album, die sechste Veröffentlichung der Band, widmet sich ausschließlich ihren Einflussgebern, den Urvätern des Anadolu Pop oder Rock.
Diese Bezeichnung steht für die während der Sechziger aufgekommene Welle in der Türkei, die das Erbe landestypischer Volksmusik in westliche Formate bettete. REPLİKAS zehren mit ihrem progressiv angehauchtem Alternative Rock selbst davon und ehren die tonangebenden Künstler mit, wie sie sagen, wenig offensichtlich ausgewählten Stücken. „Aya Bak Yıldıza Bak“ („Sieh den Mond, sieh den Stern“) stammt von der Psych-Band HARAMILER aus dem Jahr 1968. Der prägende Basslauf bleibt erhalten, das Rhythmuskorsett wurde ruppig modern inszeniert und wäre auch gut bei Josh Homme aufgehoben, derweil die Band das Orgelsolo auf Gitarre adaptiert. Akçelik wirde dem spacigen Feeling auch gesanglich gerecht.
Von den sehr populären MOĞOLLAR stammt „Kaleden Kaleye Şahin Uçurdum“ („Ich flog einen Habicht von Schloss zu Schloss“), das im selben Jahr wie der Opener den dritten Platz beim nationalen Wettbewerb Altın (Goldenes) Mikrofon einheimste. Diese Veranstaltung diente damals nicht wenigen der Protagonisten als Karrieresprungbrett. Die hier vertretene Version klingt weniger verspielt, wenngleich Gastmusiker Tunçay Korkmaz virtuos Mundharmonika bläst und das Stück gemeinsam mit der Rhythmusgruppe zu einem treibenden Ohrwurm macht. „Köprüden Geçti Gelin“ („Die Braut ging über die Brücke“) rührt aus der Feder von Neşet Ertaş und fußt auf der Interpretation durch Erkin Koray, die Schlüsselfigur des türkischen Rock, im Verbund mit dem YERALTI DÖRTLÜSÜ (U-Bahn-Quartett). Klatschen und Fuzz-Bass prägen dieses Stück, das 1970 einen Tick langsamer und poppiger war. Das traditionelle Instrumental „Çiçek Dağı“ („Blumenberg“) beruht ebenfalls auf einer 1968 eingereichten Fassung dieser Formation.
„Hudey Hudey“ gehört zum klassischen Liedgut des Landes und ist die zweite Einspielung des Superstars Cem Karaca mit der Band APAŞLAR. Die jungen Eiferer machen einen Indie-Leichtfüßler daraus und lassen sich von Sängerin Ece Özey unterstützen, bevor mit dem Instrumental „Kaşık Havası“ (Löffeltanz) von den für ihre Auftritte berüchtigten SİLUETLER ein Stimmungswechsel zu verzeichnen ist: Die Tonfolgen klingen ein wenig nach Surf-Musik und repräsentieren das, was man weithin lapidar als „irgendwie orientalisch“ abstempeln würde. Dass THE SHADOWS, deren „Apache“ die Übersetzung von APAŞLAR darstellt, in der Türkei sehr populär waren, verwundert somit nicht. Die ausgefallene, düstere Komposition „Suya Giden Allı Gelin“ (Braut in Rot, die Wasser holt“), wiederum mit Frauengesang, geht ebenfalls auf Karacas Konto und erinnert tatsächlich, wie im Beiheft der CD steht, an langsamere DEAD KENNEDYS.
Auch „Bir Ayrılık Bir Yoksulluk Bir Ölüm“(„Trennung, Armut und Tod“) kommt von einem Einzelkämpfer mit Hintermannschaft, dem Sänger Ersen beziehungsweise DADAŞLAR. REPLİKAS haben das Stück indes speziell rhythmisch vereinfacht, wodurch es etwas von seinem schlängelnden Charme einbüßt. Barış Manço ist eine weitere Lichtgestalt der türkischen Musik und teilweise auch in Deutschland bekannt. „Ölüm Allahın Emri“ („Der Tod liegt in Gottes Hand“) war 1971 die erste Visitenkarte seiner Band KURTALAN EKSPRES und klang bereits im Original fast wie eine zarte Stoner-Nummer, zumal mit einem mörderischen Hook. Das Update besticht einerseits durch einen Zuwachs an Heaviness, andererseits durch die von Cahit Berkay gespielte Langhalslaute. Mit „Panayır Günü“ („Jahrmarktstag“), eigentlich von Melih Kibar, huldigt man dem ORKESTRASI von Timur Selçuk. So wird das Instrumental zu einem cineastischen Trip durch Anatolien, da weit ausschweift wie kein Song auf dieser Scheibe.
Mit dem letzten Lied möchten REPLİKAS auf ihren eigenen Stil hinweisen. „Sür Efem Atını“ von Mazhar Alanson mit FUAT, das wiederum ohne Vocals auskommt, steht diesem nämlich von allen gebotenen Tracks am nächsten, wie Chronist Murat Meriç in den Liner Notes des stilvollen Digipacks (alle Texte, Infos auf Türkisch und Englisch) zu Recht behauptet. Allerdings eint die Stücke ein übergreifendes Feeling: Sie können hörbar aus keinem anderen Land stammen und tönen dennoch zu keiner Sekunde unvertraut exotisch, entwickeln dafür aber eine Sogwirkung und wecken den Drang, sich mit der Rockgeschichte der Türkei zu befassen.
FAZIT: REPLİKAS ist mit dieser Cover-Scheibe ein ganzheitliches Werk gelungen, das genauso gut ihrem eigenen Fundus entsprungen sein könnte und zugleich von großer Leidenschaft für die Musik ihrer Heimat zeugt. In der Türkei wartet eine Menge unerhörter Bands darauf, entdeckt zu werden. Loslegen kann man hier – und dabei bitte gleich die anderen Alben dieser Gruppe verhaften.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Aya Bak Yıldıza Bak
- Kaleden Kaleye Şahin Uçurdum
- Köprüden Geçti Gelin
- Hudey Hudey
- Kaşık Havası
- Bir Ayrılık Bir Yoksulluk Bir Ölüm
- Ölüm Allahın Emri
- Çiçek Dağı
- Suya Giden Allı Gelin
- Panayır Günü
- Sür Efem Atını
- Bass - Selçuk Artut
- Gesang - Gökçe Akçelik
- Gitarre - Barkın Engin,
- Keys - Burak Tamer
- Schlagzeug - Orçun Baştürk
- Biz Burada Yok İken (2012)