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Antimatter: The Judas Table (Review)

Artist:

Antimatter

Antimatter: The Judas Table
Album:

The Judas Table

Medium: CD/LP
Stil:

Alternative Rock / Melancholic Art Rock

Label: Prophecy Productions
Spieldauer: 56:51
Erschienen: 09.10.2015
Website: [Link]

Oft hat man die Meinung damals in Rezensionen nicht gelesen. Man hätte sie aber durchaus vertreten können: Ein wenig zu weit haben ANTIMATTER ihre Arme auf dem letzten Album ausgebreitet, etwas zu impulsiv den Stacheldraht gesprengt, der sie umschlang. Mit dem gewählten Konzept ging jedenfalls Intimitätsverlust einher. „Fear Of A Unique Identity“, nicht nur syntaktisch ein Artverwandter von PORCUPINE TREEs „Fear Of A Blank Planet“, beschrieb die Angst davor, in der Masse einen individuellen Standpunkt zu vertreten, weil man von ihr ausgeschlossen werden könnte. Mike Moss bezog damit Stellung zu einem aktuellen und relevanten Thema, zumal die Neuen Medien die gefühlte Präsenz der bestimmenden Masse praktisch durch einen Verstärker jagen. Und dabei trotzdem sublim vorgehen - man könnte immerhin glatt zu dem Trugschluss gelangen, soziale Netzwerke schalteten Meinungen nicht etwa gleich, sondern böten die Möglichkeit, ja, definierten sich geradezu über Individualisierung.

Spannend, das alles. Folglich ein von Spannungen geprägtes Album. Nun ist man von Mick Moss aber irgendwie persönlichere, auf das Individuum zugeschnittene Themen gewohnt, Kammerspiele und intime Erzählungen im Schatten, düstere gotische Geschichten und Balladen über das Leben als solches. Stattdessen marschierende Soldaten im Gleichschritt mit kräftiger Symbolwirkung. Überhaupt zeugte die ganze epische, auf eruptive Klimaxe und metallische Auswüchse ausgerichtete Instrumentierung von einem völlig anderen Level als das Reduzierte und Zaghafte der ersten drei (mit Abstrichen vier) Alben.

Rückblickend ließ sich dieses fünfte, in seiner Machart sicherlich vollkommenste Werk immerhin als Weiterentwicklung akzeptieren.Und doch ist es eine Erleichterung, zu hören, dass „The Judas Table“ zumindest teilweise zur Reduziertheit zurückkehrt.

Ein Konzeptalbum ist es zwar wieder, jedoch eines, das zu den Einzelschicksalen zurückfindet. Verrat, Missgunst, Niedertracht, Neid, jedwede Motivation spielt sich face-to-face ab, unbeeindruckt von einem gesellschaftlichen oder anderweitig übergeordneten Rahmen. Über reines Kammerwerk geht es zwar immer mal wieder hinaus, doch seine Seele bleibt diesmal wieder spürbar im hölzernen Verschlag zurück.

Das Musterbeispiel dafür bildet sicherlich das herausragende „Comrades“. Beginnt im guten alten Stil mit sanfter Akustikgitarre und Moss’ brüchigem Gesang, fusioniert dann aber auf überwältigende Weise mit Streicherdramatik und verhilft den bebenden Texten somit zu nachhaltigem Eindruck. Und dann plötzlich – eine trockene letzte Zeile, Stille. Makellos, dieser Aufbau, womöglich eine Idealumsetzung dieses Projektes, das in so eng gestecktem Rahmen mit emotionalen Maßeinheiten operiert, die einerseits von Schlichtheit zeugen, andererseits als immergrün gelten müssen und seit Jahrhunderten besungen werden, obwohl sie sich im Kern nie verändert haben.

Selbstverständlich verweilt nicht jeder Song auf diesem hohen Niveau. Beispiel „Stillborn Empires“, immerhin das längste Stück: Die Symphonik und Gitarren ähnlich jener der „In Requiem“-Phase PARADISE LOSTs kicken nicht richtig, vielleicht weil sie sich zu weit vom so wichtigen Kern entfernen. Ein ähnliches Problem hat „Can Of Worms“, das aber wenigstens in den zurückhaltenden Passagen gefällt und ein energetisches Solo aufweisen kann. „Black Eyed Man“ ist ein obligatorischer Opener mit feierlicher „Whooo“-Zeile und dezentem Fadeout. „Hole“ gehört derweil zu den wenigen unauffälligen Beiträgen aus der reduzierteren Ecke, erinnert wegen der Handtrommeln und anderweitig organischen Instrumentierung vielleicht ein wenig an die experimentell-fahrigen zweiten und dritten LUNATIC SOUL-Platten.

Doch selbst diese schwächeren (wohlgemerkt nicht schlechten) Beiträge verströmen jenen verlockenden Frieden, oder möchte man von Schicksalsfügung sprechen, wie die ersten ANTIMATTER-Erzeugnisse. Dazu gesellen sich noch die besseren Songs: „Killer“ überzeugt mit herrlich melancholischen 80er-Synthies, im narrativ-beschwörenden „Little Piggy“ erhöht sich die Intensität schlagartig. „Integrity“ braucht lange, wird dann aber richtig stark, der Titelsong ist ähnlich wie der Opener in seiner gesamten Anlage sehr repräsentativ für ANTIMATTER und dabei auf einem hohen Niveau. „Goodbye“ serviert das eigene Herz mit vorgelebtem Minimalismus auf dem Silbertablett.

FAZIT: Für manche Ohren macht Mick Moss dasselbe wie immer, für andere verschiebt er Welten. Aus der Distanz betrachtet bleibt es beim gewohnten melancholischen Düsterrock mit Abschiedsgeste. Trauer, Düsternis, Verbitterung oder Negativität – egal, die Attribute bleiben gleich. Im Detail bildet „The Judas Table“ aber die Rückkehr ins Persönliche, auch wenn die Arrangements ihr Breitwandlayout zum Teil behalten.

Sascha Ganser (Info) (Review 9480x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 11 von 15 Punkten [?]
11 Punkte
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Tracklist:
  • Black Eyed Man
  • Killer
  • Comrades
  • Stillborn Empires
  • Little Piggy
  • Hole
  • Can Of Worms
  • Integrity
  • The Judas Table
  • Goodbye

Besetzung:

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