Partner
Services
Statistiken
Wir
Roland Van Campenhout: Segovia At The Wheel (Review)
Artist: | Roland Van Campenhout |
![]() |
Album: | Segovia At The Wheel |
|
Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Blues, Rock, Americana, Psyche, Singer/Songwriter, Folk |
|
Label: | Meyer Records | |
Spieldauer: | 49:35 | |
Erschienen: | 08.08.2025 | |
Website: | [Link] |
„Das Album beschreibt auch meine musikalische Entwicklungsgeschichte. Denn ursprünglich komme ich vom Jazz. Und natürlich von Folk-Klängen á la Bob Dylan, Woody Guthrie oder Joni Mitchell. Andererseits reise ich seit Jahrzehnten quer durch diesen Planeten. Lerne Unmengen von Menschen kennen, schließe Freundschaften, mache mit dieser oder jener Person gemeinsam Musik. Da bleibt es nicht aus, dass sich mein Klangbild immer wieder verändert. Es wäre ja eine furchtbar langweilige Angelegenheit, wenn ich irgendeinem Sound verhaftet geblieben wäre. So ein kreativer Stillstand interessiert mich nicht.“ (Roland van Campenhout)
Ein erster Blick auf das schwarz-weiße LP-Cover (Bitte unbedingt genau hinschauen!) zeigt uns, dass sich ROLAND VAN CAMPENHOUT erneut den Außenseitern, den Verstoßenen, den Verlierern zuwendet, die beispielsweise wie der Obdachlose auf dem Cover-Motiv ihr ganzes Hab und Gut in einem Einkaufswagen mit sich führen. Und mit dabei der einzige und zugleich größte Freund, der nicht nach Äußerlichkeiten wertet: ein Hund.
ROLAND VAN CAMPENHOUT, der 81-Jährige, ist einer von ihnen – oder fühlt sich ihnen zugehörig. Er ist der Straßenmusikant, der vielleicht mit dem geöffneten Gitarrenkoffer genau auf der Einkaufsstraße des Plattencovers sitzt und seine todtraurigen, aber trotzdem manchmal hintergründig humorvollen, Lieder spielt und dazu mit seiner charismatischen Stimme singt und spricht. Er ist auf die Münzen und wenigen Scheine angewiesen, die man ihm in Anerkennung seiner außergewöhnlichen Musik in den Gitarrenkoffer wirft, während er den Spendern kurz dankbar zunickt, ohne dabei seinen traurigen Blick zu verbergen. Als dann der Mann mit dem Einkaufswagen und seinem Hund vorbeikommt, hört van Campenhout auf zu singen, nimmt seinen Koffer und schüttet dessen Inhalt in den Wagen des Mannes: „Für deinen Hund und dich!“, sagt er, setzt sich dann wieder auf die Straße und beginnt weiterzuspielen. Er ist dankbar. Dankbar dafür, dass er einen Mann und seinen Hund unterstützen konnte. Mit seiner Musik, von der man zwar nicht nur leben, aber anderen helfen kann. Und selbst wenn das eine Anekdote ist, so bringt sie die Musik des belgischen Musik-Globetrotters wohl bestens auf den Punkt.
So beschreibt sich der belgische Künstler, der einzigartige Texte und Kompositionen verfasst und sich dazu singend an der Gitarre begleitet, aber auch viele andere stilistische Einflüsse zulässt, gleich im ersten Song des Albums selber am besten, wenn er auf „Seldom Seen Slim (Only A Hobo)“ unmittelbar darauf verweist, als was er sich sieht – nämlich so wie Charles Seldom Seen Slim Ferge (1889-1968) als Hobo, einen wandernden Arbeiter, der ohne festen Wohnsitz auf Güterzügen durch die Weltgeschichte reiste. Van Campenhout ist der wandernde Musiker, den viel zu wenige wahrnehmen – und der trotzdem besser ist als die meisten seiner Mainstream-Kollegen.
Oh ja! Die Musik von ROLAND VAN CAMPENHOUT beschreiben zu wollen, ist ein sinnloses Unterfangen. Und die auf seinem aktuellen Album „Segovia At The Wheel“ erst recht. Denn neben dem Blues und Folk sind hier auch Psychedelic, Jazz, fernöstlicher Musik sowie nordafrikanischen Klangeinflüsse zu vernehmen, die allerdings in dem Klanggebilde dieser LP ein sehr trauriges, tief bewegendes Eigenleben entwickeln. Ein Leben auf der Straße, das für die Straße gedacht ist. Die Wohlstandsidioten sollen sich doch beim Schampussaufen einen vor Glück abwichsen und dabei ihren künstlichen Genüssen hingeben. Auch wenn sie nie das wahre Leben erfahren haben, weil sie noch immer glauben, die Straßen wären nur für ihre Autos gebaut worden. Oh nein, sie sind auch Heimat der Verstoßenen. Und ja, das hat schon ein CHARLES BUKOWSKI auf kongeniale, direkt-provozierende Weise erkannt und literarisch in seiner Prosa und seinen Gedichten für all Ewigkeit hinterlassen – so wie es van Campenhout musikalisch verewigt als der Bukowski der Musik. Beide sind durch ihre 'Kunst von der Straße' auf jeden Fall unsterblich!
Wie Bukowski (oder Bob Dylan und Townes Van Zandt) erzählt auch van Campenhout Geschichten, die man eigentlich nicht hören will, weil sie einen oft so betroffen machen in unserer Spaßgesellschaft. Weil sie unsere Gute-Laune-Selbstoptimierung so extrem aus dem Gleichgewicht bringen und dabei auch noch fremdes Leid um die Ohren hauen, das gerade in einem Einkaufswagen mit Hund an einem vorbeifährt. Oder wie bei „My Fear“ über (Todes-)Ängste sprechen, die doch auch wir irgendwie kennen, aber einfach nicht wahrhaben wollen.
Im besten erzählerisch-musikalischem Sinne begibt sich der belgische Musik-Poet damit auf eine Stufe mit TOM WAITS oder CAPTAIN BEEFHEART und stellenweise RANDY NEWMAN. Hier also kehrt ROLAND VAN CAMPENHOUT auf „Segovia At The Wheel“ zu seinen Wurzeln zurück, wobei aber an den seltsamsten Stellen dann doch immer wieder neue und unerwartete Blüten sprießen, die gerade denjenigen gewidmet sind, die im Einkaufswagen ihren Hund und ihr Hab und Gut Tag für Tag auf der Suche nach einem neuen Obdach durch die Straßen schieben. Van Campenhout singt auch als 81-Jähriger selbstvergessen dazu ihr und sein Lied. Wenn's sonst schon keiner tut...
FAZIT: Mit „Segovia At The Wheel“ begibt sich ROLAND VAN CAMPENHOUT erneut auf eine Reise durch die Abgründe des menschlichen Leides, das sich in erster Linie auf der Straße offenbart, wo man die Ausgestoßenen, die Obdachlosen, die Außenseiter und die Benachteiligten (oder gar Opfer) der Wohlstandsgesellschaft noch wahrnimmt. Für und über sie macht das belgische Musiker-Urgestein seine Lieder, die einen berühren, aber auch verstören. Der 81-Jährige bemerkt selber dazu: „Ich reise seit Jahrzehnten quer durch diesen Planeten. Da bleibt es nicht aus, dass sich mein Klangbild immer wieder verändert.“ So fließen neben dem Folk und Blues in seinen bewegenden Liedermachertexten, die er mit charismatischer, tiefer Stimme singend und sprechend vorträgt, auch jazzige, psychedelische und weltmusikalische Elemente mit ein. Und dann sagt er auf Deutsch auch noch „Entschuldigung“. Das hat er nach solch bewegender Musik und dieser LP im Gatefoldcover samt mit allen Texten bedruckter LP-Innenhülle nun wirklich nicht nötig. Van Campenhout kann keiner was vormachen – und er selber hat sowas von vornherein nicht nötig. Der Mann ist längst eine Legende, selbst wenn das einige noch immer nicht zu wissen scheinen.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Seite A (24:06):
- Seldom Seen Slim (Only A Hobo) (4:11)
- My Fear (4:51)
- Back Home To You (3:53)
- I'm Just A Lucky So And So (4:20)
- Camel Funk (3:03)
- Seven String Banjo (3:58)
- Seite B (25:29):
- The Book Of Changes (5:49)
- Raga In Rage (6:17)
- Entschuldigung (0:46)
- Buddha Box On Parade (5:19)
- Segovia At The Wheel (5:53)
- Interlude (1:25)
- Bass - Mirko Banovic
- Gesang - Roland Van Campenhout
- Gitarre - Roland Van Campenhout, Pieter-Jan De Smet, Frederik Segers
- Keys - Frederik Segers
- Schlagzeug - Teun Verbruggen
- Sonstige - Pieter-Jan De Smet, Frederik Segers (Harmoniegesang)
- Folksongs From A Non-Existing Land (2018) - 12/15 Punkten
- Somewhere In The Mountains (2019) - 14/15 Punkten
- Wonderful Human Beings (2022)
- Roland & The Deep Blue Sea (2024) - 14/15 Punkten
- Segovia At The Wheel (2025)
-
keine Interviews