Er war ein großer, scheinbar unaufhaltsam aufstrebender Popstar des Jazz: Der Schwede Esbjörn Svensson füllte mit seiner so ambitionierten wie zugänglichen Mixtur aus Kompositionskunst und Improvisation, aus feiner Melodie und treibender Rhythmik weltweit große Hallen statt der für das Genre eigentlich üblichen kleinen Clubs, er verkaufte seine grandiosen Alben mit e.s.t. (also dem Esbjörn Svensson Trio) wie geschnitten Brot. Ein tragischer tödlicher Tauchunfall beendete 2008 eine rasante, auch in kreativer Hinsicht stetig Fahrt aufnehmende Karriere - der Pianist war da gerade mal 44 Jahre alt. Die Welt des Modern-Jazz versank in Tränen.

Warum die lange Vorrede? Weil vom Trio um Svensson ja noch zwei Musiker übrig blieben: Dan Berglund (Bass) und Magnus Öström (Schlagzeug) haben sich, auch nach den Band-Lorbeeren zwischen 1993 und 2008, als Solisten und Mitspieler eine Menge Verdienste um den Jazz erworben. Dass es aber jemals wieder ein kongeniales Dreier-Ensemble wie e.s.t. geben würde, in dem die beiden Rhythmus-Virtuosen ihr ganzes Können einbringen konnten, war lange undenkbar.

Und hier kommen nun RYMDEN ins Spiel. Und deren drittes Studioalbum "Valleys & Mountains".

Berglund (inzwischen 60) und Öström (58) hatten aus nachvollziehbaren Gründen zunächst gezögert, ein Nachfolgeprojekt zu gründen, das dem ikonischen Esbjörn Svensson Trio mit seinem hoch intelligenten Crossover-Sound zwischen Jazz, Rock-Avantgarde, Neoklassik und Elektronik stilistisch allzu sehr ähnelte. Im Verbund mit dem renommierten norwegischen Keyboarder Bugge Wesseltoft (59) wurde dann vor sieben Jahren aber doch noch der Traum viele Piano-Jazz-Fans wahr, die ihrem toten Idol hinterhertrauerten.

Denn RYMDEN erfüllte mit seinen bisherigen Alben ("Reflections & Odysseys" von 2019, "Space Sailors" von 2020, die Live-Platte "Rymden & KORK" aus diesem Jahr) sowie brillanten Live-Auftritten die allermeisten Erwartungen. Auch "Valleys & Mountains" hat das Potenzial, e.s.t.-Verehrer glücklich zu machen, ohne dass hier jemals ein Gefühl von billigem Abklatsch aufkommt. 

Die sieben Kompositionen bieten ausreichend eigenes RYMDEN-Profil und viel Abwechslung zwischen vertrackt-sperrigen Blues-Motiven ("The Hike"), groovendem, fast poppigem Klavier-Jazz ("A Walk In The Woods"),  Ambient-Soundscapes ("Song From The Valley"), hibbelig-bassigen Electro-Prog-Experimenten ("The Mountain") und minimalistischer Ballade ("Milam Bardo", "Ro"). Für den Opener ihres dritten Studioalbums lassen Wesseltoft/Berglund/Öström gar erstmals einen prominenten Gast in die RYMDEN-Welt hinein - mit John Scofield an der elektrischen Gitarren ist es gleich ein Jazz-Hochkaräter. 

Mit dem deutsch betitelten "Himmel" (ihrem wohl bisher besten, schönsten Track überhaupt) beschließen RYMDEN ein erneut starkes Werk in melancholischer Grundstimmung, wie es zu einem Projekt "nach Esbjörn Svensson" passt. Ja, so kann man das machen.

FAZIT: Der Schatten des legendären Vorgänger-Projekts e.s.t. (1993-2008) war lang - es gehörte schon Mut dazu, sich dem Vergleich zu stellen. Die beiden verbliebenen Esbjörn-Svensson-Mitstreiter Dan Berglund und Magnus Öström tun dies seit einigen Jahren im Trio RYMDEN - mit viel Respekt vor der Vergangenheit und Bereitschaft zum Neuanfang. Der Erfolg gibt ihnen und ihrem Pianisten/Keyboarder Bugge Wesseltoft Recht. Auch das dritte RYMDEN-Studioalbum ist erstklassig - es leugnet die e.s.t.-Errungenschaften nicht, ahmt diesen Sound aber auch nicht sklavisch nach.  "Valleys & Mountains" setzt den Weg eines typisch skandinavischen Modern-Piano-Jazz (dazu gehören unter anderem auch noch Per Henrik Wallin, Bobo Stenson, Jan Lundgren und Martin Tingvall) würdig fort.