Partner
Services
Statistiken
Wir
Interview mit Michael Kiske (28.05.2008)
Michael Kiske hat so eben ein neues Soloalbum veröffentlicht, und auch weitere Projekte mit der Stimme des Ausnahmesängers sind dieses Jahr bereits erschienen oder stehen noch an. Für uns ergab sich die Gelegenheit, Michael per Email zu all diesen Themen zu befragen.
Hallo Michael, erstmal herzlichen Glückwunsch zum neuen Album! Du legst mit "Past In Different Ways" eine gelungene Zusammenstellung Deiner HELLOWEEN-Kompositionen in akustischen Neufassungen vor. Was war das für ein Gefühl, sich wieder intensiv mit diesen Tracks auseinander zu setzen? Ich gehe nicht davon aus, dass Du normalerweise jeden Tag zu Hause alte HELLOWEEN-Platten auflegst, oder?
Ne, gar nicht. Ich höre kaum noch mal abgeschlossene CDs. Ganz besonders natürlich die ganz alten Sachen nicht. War diesmal auch nicht einfach für mich, weil ich mit den letzten Jahren Helloween große Enttäuschungen verbinde. Ich musste mich immer wieder neu überwinden; aber mittlerweile bin ich sehr froh, dass ich es trotzdem gemacht habe.
Wie bist Du bei der Neubearbeitung vorgegangen? Hast Du die Stücke noch einmal richtig "seziert" und jeden Part gelernt, oder hast Du eher mit den Basiselementen (Strophen, Refrains, Melodien) gearbeitet und neu angefangen?
Erstmal mit Akustikgitarre die Akkorde wieder herausgefunden und dann gleich ausgelotet, wie es gut funktioniert. Und ich war sehr schnell der glücklichen Ansicht, DASS es akustisch tatsächlich sehr gut funktioniert.
Insgesamt kann man feststellen, dass viele der Texte, bzw. bestimmte Kernaussagen auch heute noch gut auf einem Michael-Kiske-Album stehen könnten. Allerdings habe ich den Eindruck, dass Du früher deutlicher und direkter in Deinen Songs formuliert hast. So ein bisschen schwingt (gerade bei den frühen Tracks) immer dieses "Wir können die Welt verändern"-Gefühl mit. Dagegen scheinst Du heute, obwohl Du Dich noch deutlicher und stärker abseits Deiner Musik äußerst, in den Texten persönlicher und auch subtiler vorzugehen.
Das ist gut beobachtet von Dir. Das Wertvollste für mich bei der Arbeit an diesem Album war tatsächlich, festzustellen, dass eigentlich alles immer noch passt; ich also schon immer irgendwie mein Ding gemacht habe und heute noch 100% dazu stehen kann. Wenn man jung ist, textet man eher schlicht und idealistisch schwarz/weiß. Das ist auch gut und schön. Mittlerweile mag ich Texte aber eher etwas indirekter, mehr den inneren Kampf MIT den Idealen beschreibend, anstatt nur die Ideale direkt zu formulieren. Es ist heute persönlicher, mehr ins Innere blickend und ich lasse auch gerne mehr Spielraum zur Interpretation offen.
Einige kleinere Änderungen hast Du an den Texten vorgenommen. Waren das eher Korrekturen sprachlicher oder grammatikalischer Art, oder wolltest Du auch inhaltlich etwas ändern? Und warum musste Mickey Mouse durch Han Solo ersetzt werden? ;-)
Ich fand, dass Star Wars heute eine größere Rolle bei jungen Menschen spielt, als Mickey Mouse. Allgemein denke ich über so etwas aber nie viel nach; ich ändere einfach dahin, wie es mir richtiger erscheint. Meistens waren es in der Tat Korrekturen des oft noch arg simplen Englisch von mir damals. Hätte gerne vieles ganz neu getextet, habe es aber dann doch fast alles gelassen.
Mich hat erstaunt, dass Du Dich bei den meisten Songs gar nicht so weit von den Originalaufnahmen entfernt hast, besonders was Gesang und Melodien angeht. Ich hätte eher erwartet (und mir auch erhofft), dass Du noch mehr im Stile von "Your Turn" oder dem neuen Track "Different Ways" singen würdest. Es ist zwar beeindruckend zu hören, dass Du auch die ganz hohen Sachen noch mindestens so kraftvoll wie damals singen kannst, aber zu den Akustikversionen hätte vielleicht hier und da manchmal ein etwas entspannterer und tieferer Gesang auch gepasst. Zumal Du gerade auch in diesen Bereichen unheimlich gut klingst.
So waren die Songs halt; und ich wollte nicht alles neu schreiben jetzt oder restlos verändern. Das hätte ich zeitlich auch gar nicht geschafft. Einfach akustisch und zu mir heute passender interpretiert sollte es sein. Ich selber mag es heute auch VIEL lieber etwas ausgewogener. Viele (besonders Metaller) lieben vor allem Extreme, auch beim Gesang. Da ist hoch dann besser als tief, und hart besser als soft usw. Ich selber empfinde das heute ganz anders. Wenn das hohe Singen gezielt und reduzierter eingesetzt wird, hat es viel mehr Spannung. Viele Interviewer sagen mir jetzt immer wieder, dass ich mit diesem Album ("Past In Different Ways") bewiesen habe, dass ich noch immer singen kann wie früher. Sie gehen unterschwellig offensichtlich davon aus, dass man immer hoch singen will, und tut man das weniger, dann ''kann'' man es eben nicht mehr. Lustige Sache das! Hoch zu singen macht aber sicher nicht guten Gesang aus, sondern die Glaubwürdigkeit der Darbietung; egal in welcher Stimmlage.
Stand jemals zur Diskussion (vielleicht von Seiten der Plattenfirma) auch HELLOWEEN-Songs zu verwenden, die nicht von Dir komponiert wurden, etwa Klassiker wie "Eagle Fly Free" oder "Future World"?
Ich selber hatte nie so einen Gedanken; die Plattenfirma natürlich. Auf deren Bitte hin hatte ich Kay Hansen auch gefragt, ob er Lust hat, einen seiner Songs bei zu steuern und vielleicht auch ein bisschen Gitarre zu spielen. Er hat aber keinerlei Interesse gezeigt. Er stellt sich dann neuerdings wohl doch lieber mit Weikath & Co wieder auf die Bühne ... Ganz wie er meint.
Auf "Pink Bubbles Go Ape" gab es ausnahmsweise einige Kooperationen, z.B. hast Du zu einigen Songs der anderen die Texte beigesteuert (wie etwa "Mankind" von Roland Grapow). Hast Du überlegt, solche Kompositionen zu verwenden, eventuell sogar mit Rolands Beteiligung?
Nö; ich wollte von Anfang an nur meine eigenen Songs dazu verwenden. Kay hätte ich lustig gefunden, aber da kam halt gar nichts zurück von ihm. Ich sehe die CD teilweise auch so: Die Band hat mich scheiße behandelt und in der Öffentlichkeit zum Clown versucht zu machen, und ich nehme jetzt sozusagen meine Songs wieder an mich. Ich finde das macht viel Sinn.
Wie Du selbst schon angemerkt hast, hat die Neubearbeitung einigen Tracks besonders gut getan. "In The Night" oder "When The Sinner" etwa scheinen jetzt erst richtig zu funktionieren.
Es passt die lockere interpretation zu diesen beiden Songs einfach besser, als die leichte Überproduktion auf "Chameleon". Die Bandstimmung war ebenfalls am Boden zu dieser Zeit. Außerdem musste Helloween ja eine Metal-Band sein. Und solche Zwänge helfen auch nicht gerade. Ich kann jetzt einfach frei machen, wie ich es richtig finde. Habe ich ja eigentlich immer schon, aber wie man gesehen hat, wird nur eine gewisse Schablone von einer Band wie Helloween von Kritikern akzeptiert. Auch mir versucht man diese immer wieder auf zu zwingen; aber ich mache da natürlich nicht mit.
Du hast auch bei HELLOWEEN bei Deinen Kompositionen Akustikgitarren verwendet, auf "Chameleon" sogar deutlich verstärkt. Wurden die damaligen Songs teilweise auch schon auf Akustikgitarren geschrieben und sind somit auf "Past In Different Ways" eventuell sogar näher an Deiner ursprünglichen Vision?
Ich schreibe eigentlich meine Songs immer auf Akustikgitarre, weil nur, wenn ein Song auf Akustikgitarre funktioniert, ist es auch ein Song mit Substanz. Aufgeblasen kann man natürlich fast jeden Song überzeugend machen. Ich habe damals schon mit E-Gitarren gedacht und geplant, also sollte das schon rocken am Ende. Aber geschrieben wurde fast alles mit Akustikgitarre.
"Past In Different Ways" ist ja noch akustischer gehalten als Deine bisherigen Veröffentlichungen. War das eine spezielle Herangehensweise für dieses Album, oder ist das eine Entwicklung, die Du fortsetzen wirst?
Ich werde schon auch wieder E-Gitarren verwenden, aber nicht Metal-mäßig. Das nächste Album wird wahrscheinlich etwas epischer, größer, stimmungsvoller werden. Stellenweise auch etwas rockiger; mal sehen, was da so kommen will. Ich dachte erst, ich muss ein neues Label finden, weil Serafino doch tatsächlich wieder einmal versucht hatte, mir eine 'Hardrock-Schablone' auf zu zwingen. (Obwohl er mich langsam kennen sollte). Da mache ich natürlich nicht mit. Ich kann keine Alben designen nach den Markt-Überzeugungen von Labels! Aber während ich dieses Interview hier beantworte, kam eine Mail, wo er sagte, dass er mich weiterhin unterstützen will mit meiner Musik so, wie ich sie ganz frei machen will. Also bin ich doch weiterhin bei Frontiers.
Schon bei HELLOWEEN hast Du damals begonnen, "genre-fremde" Instrumente, wie Streicher oder Bläser einzusetzen, auch auf Deinen Soloalben sind solche Arrangements immer wieder zu hören. Und doch bleiben Deine Songs (abgesehen von Ausnahmen wie den Klassik-Tracks Deines zweiten Soloalbums) meist im Rock verwurzelt. Könntest Du Dir vorstellen, auch einmal etwas völlig anderes abseits der Rockmusik zu machen, z.B. wie Robbie Williams ein Swing-Album mit Big-Band?
Ganz sicher sogar; nur fehlen mir dazu nach wie vor oft noch die finanziellen Möglichkeiten. Ich würde gerne etwas mit einem Orchestra machen auf meine eigene Art. Mit "Longing" ging es da schon in die richtige Richtung. Aber das Geld wird durch die noch immer zu geringen Verkaufszahlen - selbst manche ''Fans'' von mir kopieren sich lieber meine CDs, anstatt sie zu kaufen - ständig weniger. Das macht vieles leider unmöglich. Aber wenn es sein soll, wird es kommen, das weiß ich.
Ich weiß nicht, ob Du daran überhaupt gedacht hast, aber ich finde gerade im Zusammenhang mit eventuellen zukünftigen Live-Auftritten ist die Veröffentlichung von "Past In Different Ways" eine gute Sache. Spätestens nach Deinen letzten beiden Soloalben wird wohl niemand mehr eine Metal-Show von Dir erwarten, sondern eher etwas in Richtung einer "Unplugged"-Tour. Ich glaube, viele Fans warten nur darauf, Dich endlich wieder live sehen zu können.
Ja; ein Angebot für eine Akustik-Tour durch Europa kam sogar schon rein. Aber wenn ich nach 16 Jahren wieder auf die Bühne gehe, dann sollte schon ein Album mit ganz NEUEN Songs in den Läden stehen. Also wenn das nächste Album fertig ist, dann werde ich Live wieder anpeilen.
In diesem Zusammenhang muss ich Dich auch nach AVANTASIA fragen: Es halten sich ja hartnäckig die Gerüchte, trotz Dementierungen von Tobias Sammet, dass Du doch noch auf irgendeiner Bühne mit diesem Projekt auftauchen könntest. Kannst Du etwas dazu sagen?
Tobias hat mir sehr viel Geld dafür geboten, welches ich auch gut brauchen könnte; aber es ist dasselbe Problem: Ich will mich nach 16 Jahren nicht als Erstes auf Metal-Bühnen stellen. Wenn ich in der Zwischenzeit ''normale'' Konzerte gehabt hätte, wäre das sicher nicht so eine große Sache jetzt, aber als Erstes nach so langer Zeit fühlt sich das für mich einfach falsch an. Ich bin für reine Metal-Bühnen auch nicht mehr der Richtige, FREIE Rock-Bühnen passen da viel besser.
Das laufende Jahr bietet bisher ungewohnt viele Veröffentlichungen für Michael-Kiske-Fans, deshalb würde ich im folgenden gerne über einige Deiner anderen Arbeiten sprechen: Anfang des Jahres erschien das neue AVANTASIA-Album, jetzt Dein Solo-Album und im Juni bereits REVOLUTION RENAISSANCE, Timo Tolkkis neues Projekt. Wie kam es zur erneuten Zusammenarbeit mit Timo?
Die neuen Sachen von Timo gefielen mir erstaunlich gut; klar habe ich überwiegend die softeren Songs gesungen, aber selbst der Titelsong gefällt mir; vor allem auch textlich passt der gut zu mir. Auch wenn ich selber nicht mehr so etwas schreibe: rockigere Sachen einzusingen macht mir immer noch Spaß, solange es nicht zu hart ist und nervt.
Die Arbeiten am zweiten Album von PLACE VENDOME laufen auch bereits. Kannst Du schon etwas zur stilistischen Ausrichtung sagen?
Was ich bisher kenne, ist 100% AOR. Aber wie ich letztes Mal mitbekommen habe, wird es sicher wieder recht rockig produziert werden. Ich mag es ja lieber, wenn die Gitarren nicht so nerven. Aber das empfinden manche auch wieder ganz anders. An Dennis Qualitäten als Songschreiber und Produzent habe ich keine Zweifel; es wird sicher ein sehr cooles Album werden.
Wie weit bist Du in PLACE VENDOME eingebunden, suchst Du mit Songs aus? Kannst Du Dir für die Zukunft des Projekts vorstellen, auch etwas kompositorisch beizusteuern?
Die Songs bekomme ich natürlich vorher zu hören. Denken kann ich mir alles; direkt schreiben für ein Konzept fällt mir schwer. Musik kommt mir, wie sie will. Meine eigene freie Musik wird auch immer die Hauptsache bei mir sein und bleiben; ist auch immer das Authentischste.
Ein weiteres Projekt, das bereits seit einiger Zeit im Raum steht, ist eine Zusammenarbeit zwischen Roland Grapow, Kai Hansen und Dir. Gibt es da etwas Neues zu vermelden?
Da glaube ich nicht mehr so recht dran, wenn ich ehrlich bin. Es passiert ja nichts, außer, dass wir uns schon dreimal zusammengesetzt und geredet haben. Und die Tatsache, dass er jetzt scheinbar wieder so gut mit Weikath & Co kann, fühlt sich auch seltsam an. Mich interessiert jedenfalls nicht, irgendein "Keeper part 240" Album zusammen zu lügen. Es muss ein künstlerisch/moralischer Sieg sein; so was ist interessant. Ich weiß aber gar nicht, ob Hansen sowas wirklich tiefer interessiert. Ich weiß nicht, ob er mich hier wirklich so recht nachvollziehen kann. Schauen wir mal.
Einer der für mich großartigsten Songs mit Deinem Gesang (und überhaupt) ist "Silver Maiden" aus dem AINA-Projekt. Der rein orchestrale Track irgendwo zwischen Klassik, Filmsoundtrack und Musical wurde von Michael "Miro" Rodenberg geschrieben und von Sascha Paeth produziert, ein eingespieltes Team, das solche Arbeiten auch für andere Bands arrangiert. Könntest Du Dir vorstellen, einmal ein komplettes Album in einem ähnlichen Stil zu produzieren, vielleicht mit Miro und Sascha Paeth? Deine Stimme passt meiner Meinung nach wunderbar zu diesem orchestralen Sound!
Auf jeden Fall; das war auch für mich eine der schönsten Projekte. Und es geht sogar in die Richtung, wo ich eigentlich geistig-seelisch zuhause bin. Ich muss auch zugeben, dass mir Sascha schon immer fast schon ekelhaft sympatisch war. Er scheint mir ein durch und durch ehrliches Herz zu sein mit viel Talent.
In diesem Zusammenhang eine weitere Frage: Du hast ja immer wieder einigen Künstlern, zu deren Projekten Du Gesang beigesteuert hast, Deine Anerkennung ausgesprochen. Und doch scheint es immer so zu sein, dass andere Dich um einen Beitrag bitten, oder die Plattenfirma etwas arrangiert, und nicht Du die Zusammenarbeit suchst. Erledigst Du Deine eigenen Produktionen lieber im Alleingang?
Ich mache das gerne im Alleingang mit meinen Mitmusikern. Aber auch hier - solange ich das Gefühl haben würde, es bringt mich mit der Musik künstlerisch weiter, als ich es alleine kann - bin ich immer für alles offen.
Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Was können wir in nächster Zeit von Dir erwarten?
Geplant ist, dass ich jetzt durch den Sommer ein neues Album schreibe und produziere um dann nächstes Jahr auch mal wieder Live zu spielen. Und obwohl ich es eigentlich nicht mehr erwartet hatte, hat Serafino eben doch noch eingelenkt, was meine freie Musik betrifft. Er lässt mich nach wie vor ganz frei machen; nur so geht es. Also steht ein schönes neues Kiske-Album an!
Vielen Dank für dieses Interview!
Sehr gerne! Alles Gute!