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Samhita: Unexpected Encounters (Review)

Artist:

Samhita

Samhita: Unexpected Encounters
Album:

Unexpected Encounters

Medium: CD
Stil:

Jazz, Weltmusik, Klassik

Label: cto music/Eigenvertrieb
Spieldauer: 61:28
Erschienen: 28.02.2025
Website: [Link]

Es ist ein weiter Weg vom Kaffeetrinken mit Lydia bis hin zur hamletschen Schlüsselfrage: „Sein oder nicht sein?“
Musikalisch sieht das im Falle von SAMHITA auf „Unexpected Encounters“ allerdings völlig anders aus – denn diese lebendige Jazz-Klassik-Weltmusik-Fusion beginnt mit „Coffee With Lydia“ und endet nach gut einer Stunde mit „To Be Or Not To Be“.


Bemerkenswert hinter SAMHITA ist schon die Tatsache, dass ein für unsere Breiten ungewohnt wie ungewöhnliches Instrument im Mittelpunkt von „Unexpected Encounters“ steht: die von Hindol Deb gespielte Sitar, das in der klassischen nordindischen Musik am weitesten verbreitete Melodie-Instrument, welches durch den Vater von NORAH JONES, den Inder RAVI SHANKAR, einer der weltbesten, vor 13 Jahren verstorbenen Sitar-Spieler, der diese für ihren obertonreichen Klang berühmte Langhalslaute auch in unseren Regionen bekannter machte und selbst einen GEORGE HARRISON von den BEATLES (Man höre nur „Norwegian Wood“) dafür begeisterte, der Shankar dann wortwörtlich als „den Gottvater der Weltmusik“ bezeichnete.

So weit hat es ein Hindol Deb natürlich noch nicht gebracht, doch was er hier auf „Unexpected Encounters“ leistet, ist schwer beeindruckend und sollte jeden, der einen Shankar bewundert, ganz ähnlich begeistern. Noch dazu, weil die breit angelegten Aufnahmen mit Streichern und Bläsern sowie Piano, Schlagzeug und Kontrabass das Instrument auf eine ganz besondere Weise erstrahlen lassen.


Flott startet das Album mit „Coffee With Lydia“, so als wären wir in einem exotischen Kaffeehaus, in welchem sich die unterschiedlichsten Nationen zu einem vereinenden, lebhaften Kaffeetrinken treffen, um dann im ruhigen „Lonesome Walk“ auseinanderzugehen. Noch immer bewegt von den anregenden Gesprächen, aber gleichermaßen auch nach Ruhe suchend.
Denn diese Ruhe ist notwendig, wenn man sich bei „Samsara“ dem hinduistischen Konzept von der Wiedergeburt hingibt, das sehr harmonisch auf die Schönheit der Unendlichkeit verweist und dabei mit regelrecht eingängigen Melodien spielt.

Völlig anders dagegen erscheint „Hiding From Jekyll“, eine Anspielung auf R.L. Stevensons „Dr. Jekyll & Mr. Hyde“ und dessen literarisches Meisterwerk des Jahres 1931 rund um die Bipolarität. Natürlich ist auch dieses Stück 'bipolar' und lebt von gegensätzlichen Klängen, die gegeneinander anzutreten und jeweils die Vorderhand zu gewinnen versuchen, wobei sich die indischen und westeuropäischen Musikkulturen kontrastieren.


Demgegenüber setzt „Curiosity“ auf die Vereinigung dieser Kulturen, auf ihren Einklang – also ganz im Sinne des Bandnamens, wobei besonders die (fast klassische) Verschmelzung der Streicher mit der Sitar eine prägende Rolle spielt, bis dann Sitar und Schlagzeug ihren improvisatorischen Freiraum erobern.

Danach dürfen wir uns dem todtraurigen 'Bambi'-Thema in „Beraved Of Light“ hingeben, in dem es um ein Rehkitz geht, das sich nach dem Verlust seiner Mutter den Herausforderungen der Welt stellt und mit fragilen, zärtlichen und traurigen Klängen umgarnt wird. Hierzu erfahren wir von SAMHITA selber: „Das Thema basiert auf dem besonderen Raga Miyan ki Todi und wird zunächst von Holzbläsern – sanft schwebend über Streicher-Pizzicati – vorgestellt.“
Also nichts mit Walt Disney und einem der erfolgreichsten Zeichentrickfilme aus dem Jahr 1942, dessen Grundlage das 1933 erschienene Buch „Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde“ war, sondern anscheinend der indische Ableger davon.


In „etc.“ schlägt dann noch kurz vor Album-Ende die Stunde von Piano und Oboe, die sich deutlich mehr Raum erobern, auch wenn die Sitar zum Abschluss die Führung mit einem verträum-sphärischen Solo übernimmt, womit auch schon der finale Hamlet-Moment von „Unexpected Encounters“ erreicht wäre. Es geht vom Sound und Thema her um innere Zerrissenheit und große Traurigkeit, dargestellt anhand eines Raga Parmeshwari (ein Stück von RAVI SHANKAR), in dem sich erneut die Gegensätze widerspiegeln und so mit dem großen SHAKESPEAREschen Hamlet-Daseinsspruch „Sein oder nicht sein“ das Album lebensphilosophisch zu Ende bringen. Ein mehr als gelungenes Finale, das sofort zu einem erneuten Hördurchgang einlädt.


FAZIT: Eine deutsches Jazz-Kollektiv gibt sich einen Namen auf Sanskrit, der 'Vereinigung' bedeutet. Genau das gilt aus Musiker- und musikalischer Sicht für dieses außergewöhnliche Album, das Jazz, Klassik, Weltmusik und viel Harmonie unter Federführung eines indischen Instruments, der Sitar, in sich vereint und innerhalb von nur drei Tagen im Oktober 2024 im Kölner Topaz Studio aufgenommen wurde. Auf „Unexpected Encounters“ von SAMHITA lassen uns insgesamt 15 Musiker eine extrem spannende Klangreise mit indischem Ausgang unternehmen, bei der Streicher und Holz- wie Blech-Bläser sowie Piano, Schlagzeug und Kontrabass neben der Sitar den Ton angeben. Das hat fast etwas Hypnotisches und wird alle Musikliebhaber von RAVI SHANKAR bis hin zu GEORGE HARRISON und BRÖSELMASCHINE, die gerne auch mal zu einer aufregenden oder harmonischen Jazz-Platte greifen, begeistern.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 116x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
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Tracklist:
  • Coffee With Lydia
  • Lonesome Walk
  • Samsara
  • Hiding From Jekyll
  • Curiosity
  • Bereaved Of Light
  • etc.
  • To Be Or Not To Be

Besetzung:

  • Bass - Christian Ramond
  • Keys - Clemens Orth
  • Schlagzeug - Jens Düppe
  • Sonstige - Pascal Hahn (Musikalischer Leiter), Hindol Deb (Sitar), Amelie Schoo (Flöte), Anja Schmiel (Oboe, English Horn), Laura Austermann (Klarinette), Katharina Stritzker (Fagott), Alex Stahl (Trompete, Flügelhorn), Philipp Hayduk (Posaune), Katharina Koch, Elena Rang (Geigen), Pauline Buss (Bratsche), Tabea Hörsch, Gunther Tiedemann (Cello)

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