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Madeline Kenney: Kiss From The Balcony (Review)

Artist:

Madeline Kenney

Madeline Kenney: Kiss From The Balcony
Album:

Kiss From The Balcony

Medium: LP/Download
Stil:

Post-, Math-, Indie- & Art-Pop

Label: Carpark Records
Spieldauer: 35:52
Erschienen: 18.07.2025
Website: [Link]

Die amerikanische Musikerin MADELINE KENNEY stammt zwar ursprünglich aus Seattle und lebt heute im kalifornischen Oakland – hat aber mit den jeweiligen lokalen Musikszenen wenig am Hut. Schon seit sie 2017 ihr Debüt-Album „Night Night At The First Landing“ veröffentlichte, erwies sie sich als abenteuerlustige Klang-Forscherin auf der Suche nach ungewöhnlichen Ansätzen in Sachen Songwriting, Produktion, Arrangement und Performance – und setzte dabei zugleich auf ihre Interessen an so verschiedenen kreativen Disziplinen wie der bildenden Kunst, Tanz, Neurowissenschaften oder Backen – vor allen Dingen aber auf Kollaborationen mit gleichgesinnten Künstlern.

So arbeitete Kenney in der Vergangenheit bereits in verschiedenen Kapazitäten mit avantgardistischen Künstlern wie CHAZ BEAR (TORO Y MOI), KURT WAGNER (LAMBCHOP), MEG DUFFY (HAND HABITS), TAYLOR VICK (BOY SCOUTS) oder JENN WASNER (WYE OAK). Für ihr nun vorliegendes fünftes Album „Kiss From The Balcony“ tat sie sich mit dem Perkussionisten/Produzenten BEN SLOAN (THE NATIONAL, BETH ORTON, MOUSE ON MARS) und dem Gitarristen STEPHEN PATOTA (FLOCKS) zusammen.


Das vorgenannte Namedropping ist weniger notwendig, um musikalische Referenzen aufzulisten, sondern eher, um den Produktionsprozess des Albums zu verstehen. Denn dieses entstand in kollaborativer Kleinarbeit während einer einwöchigen Studio-Session in Oakland, als das Trio aus gemeinsamen Sketchen, Fragmenten und Sound-Ideen jene Songs entwickelte, die nun das Rückgrat für das Album „Kiss From The Balcony“ bilden. Eigentlich sollte dabei nur eine EP entstehen – die Zusammenarbeit der drei Musiker erwies sich aber als so fruchtbar, dass sich daraus ein ganzes Album entwickelte, bei dem die Musiker ihre individuellen Fähigkeiten einbrachten, um die Songs mit einer sehr spezifischen Sound-Ästhetik anzureichern.

Während Kenney für den Gesang (und logischerweise die Texte) sowie Piano-Klänge zuständig war, legte Sloan mit seiner eher experimentell implementierten Perkussion-Technik, Bass und diversen elektronischen Elementen das Fundament für den Sound, während Patota mit seinen vielschichtigen, teils psychedelisch-akustischen und -elektrischen Gitarrensounds sozusagen für die musikalische Raumgestaltung sorgte. Das alles wurde mit impressionistischer Sound-Tupferei klanglich verdichtet – wobei streng darauf geachtet wurde, keine konventionellen Song-Strukturen zu verwenden – wohl um den assoziativen Stream-Of-Consciousness-Lyrics nicht im Wege zu stehen.

Diese Arbeitsweise war für MADELINE KENNEY neu, denn bislang hatte sie noch nie mit einer Band im Studio zusammengearbeitet, sondern ihr Material im Patchwork-Verfahren im heimischen Keller aufbereitet. Erstaunlicherweise klingt das Ergebnis trotzdem nicht nach einem Band-Album, sondern eher wie eine spontane Jam-Session mit hohem improvisatorischen Ansatz. Stücke wie „Breakdown“, „Cue“, „Slap“ oder „They Go Wide“ etwa kommen in einem transzendenten, jazzigen Freistil daher, der lediglich durch unzählige, durchdachte klangliche Details, ausgefeilte Gesangs-Arrangements und subtile Overdubs verrät, dass hier letztlich ein kompositorischer Plan zugrunde lag.


Andere Songs, wie der fast schon poppige „Scoop“, die avantgardistische „Power-Ballade“ „Semitones“ oder das abschließende „All I Need“ warten hingegen mit erkennbaren Bemühungen in Sachen Melodie, Dynamik und Refrain-Charakter auf. Dass diese Tracks dann als Singles ausgekoppelt wurden, ist natürlich erklärlich – aber auch ein wenig irritierend, denn alle anderen Tracks des Albums stellen aufgrund ihrer Komplexität und stilistischen Anarchie größere Herausforderungen an den Hörer dar, als eben diese Stücke.

Es ist fast schon erstaunlich, aber tatsächlich legt Kenney einen gesteigerten Wert auf die lyrischen Themen des Albums, als da wären: Liebe, Empowerment, Resilienz, Selbstfindung – und die auch bei anderen Musikern ihrer Generation zu beobachtenden Tendenz, in der Akzeptanz des Gegebenen Heilung und Selbstbestätigung zu finden.


Dabei arbeitet sie als gewiefte Texterin mit Fragen an sich selbst, Metaphern und freien gedanklichen Radikalen, die – ohne Dinge konkret auszubuchstabieren – ihr Anliegen verdeutlichen und dabei eine zugleich kämpferische wie hoffnungsvolle Note ins Spiel bringen. So etwa in der Empowerment-Kontemplation „Breakdown“, in der sie sich gegen die patriarchalische Gesellschaftsordnung richtet, die Resignation zumindest andenkt, dann aber mit einem von Patota inszenierten, abrasiven Sound-Orkan unterlegten, selbstbewussten „I'm Back“ abschließt.

MADELINE KENNEY'S fünftes Album „Kiss From The Balcony“ wartet nicht nur mit einer Referenz auf Shakespeares 'Romeo & Julia' im Titel auf, sondern auch mit einem ganzen Universum musikalischer Ideen und Referenzen, die von den drei beteiligten Musikern gemeinsam erarbeitet wurden. Dabei brachte jeder seine spezifischen Fähigkeiten gleichberechtigt ein. Aus diesem Grund ist eine stilistische Einordnung kaum möglich, macht das Album aber auch auf lange Sicht interessant, da es immer wieder neue Details zu entdecken gibt.


FAZIT: Nachdem MAEDELINE KENNEY auf ihrem letzten Album durch die Hinzunahme von elektronischen Elementen bereits musikalisches Neuland betrat, reiht sie sich mit „Kiss From The Balcony“ nun in die Riege ähnlich arbeitender Kolleginnen, wie JOAN AS POLICE WOMAN, LAURA GIBSON oder TAMARA LINDEMAN (THE WEATHER STATION) ein, die durch das kollaborative Zusammenwirken mit befreundeten Musikern das Material bereits im Entstehungsprozess ihr eigenes musikalisches Weltbild in immer neue Dimensionen auszuweiten verstehen.

Ullrich Maurer (Info) (Review 100x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
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Tracklist:
  • Scoop
  • I Never
  • Breakdown
  • Slap
  • Cue
  • Semitones
  • Paycheck
  • They Go Wide
  • All I Need

Besetzung:

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