Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Polis: Unterwegs I (Review)

Artist:

Polis

Polis: Unterwegs I
Album:

Unterwegs I

Medium: CD/Download
Stil:

Progressive- und Psychedelic-Rock

Label: Progressive Promotion Records
Spieldauer: 66:28
Erschienen: 30.12.2023
Website: [Link]

POLIS sind eine der angenehmsten progressiven Rock-Überraschungen aus dem Osten Deutschlands, denen es tatsächlich gelingt, auf 100% überzeugende Art sowie komplett analogem Equipment das Prog-Lebensgefühl der Spät60er/Früh70er wiederzuerwecken, ohne dabei in irgendeine Klon-Falle zu treten. Nein, die fünf Jungs aus dem sächsischen Plauen klingen wie ihre ureigene aus der Zeit gefallene Prog-Kreation, die noch dazu den faszinierenden Mut besitzen, ihre größtenteils lang ausufernden, epischen Songs mit deutschen, poetischen Texten zu versehen, die selbst in den deutschsprachigen Lehrbüchern guter Lyrik neben einer Vielzahl altbekannter Romantiker von Rilke bis Novalis ihre Berechtigung finden dürften. Wenn es den Begriff 'Authentisch' nicht schon geben würde, dann müsste man ihn für POLIS erfinden. Noch dazu sind die Retro-Jungs sich niemals zu schade, auf ihrem ersten Live-Album „Unterwegs I“, das bei diesem Titel selbstverständlich auf eine Fortsetzung hoffen lässt, „Danke“ zu sagen.

Hammondorgel, Mellotron und Minimoog, Röhrenverstärker für die Gitarren geben den Ton auf der Bühne an, der sich live über ausgiebige Jam-Ideen zu eruptiven Prog-Psyche-Erlebnissen entfaltet, sodass auch POLIS' Konzerte zu kleinen Zeitreisen tief hinein in die 60er/70er-Jahre voller drogengeschwängerter Nebelschwaden und flirrenden Sounds werden, die jeden Trip unvergesslich werden lassen. Musik, die der digitalen Oberflächlichkeit und dem Optimierungswahn einen dermaßen gehörigen Arschtritt verleiht, dass man selbst beim Hören von „Unterwegs I“ eher die Räucherstäbchen zu erschnuppern vermeint, anstatt sich irgendwelche flackernden Stroboskop-Lichter vorzustellen.

Hinzu kommt als vokales Sahnehäubchen noch die charismatische Stimme von Christian Roscher, der in besonders schönen Momenten wie der SIMON SAYS-Sänger Daniel Fäldt klingt und dabei die lyrischen Texte vorträgt die ein NOVALIS (Dichter) sowie die gleichnamige Band der 70er-Jahre auch nicht besser hinbekommen hätte. Und um sich noch weiteren (westlichen) Hörgefühlen hinzugeben (zu den östlichen kommen wir noch), so müssten alle, denen einstmals ANYONES DAUGHTER wichtig waren, unbedingt auf POLIS zurückgreifen, die deren Musikgefühl sogar noch deutlich zu intensiveren verstehen, da sie ihre Musik dermaßen leben, dass man selbst vor seiner heimischen Anlage tief in deren atmosphärischen Musik-Bahnen gezogen wird.

Mit „Die Einsamkeit“ erwartet einen auf dieser Live-CD sogar ein völlig neuer, auf noch keinem POLIS-Album enthaltener Song, der mit ein paar gefühlten orgeligen DOORS-Momenten seine Kreise zieht, um dann gleich mit „Das erste Leuchtfeuer“ ein zweites völlig neues Stück hinterherzuschieben. Beide Titel verbreiten sofort Vorfreude auf das hoffentlich bald erscheinende nächste POLIS-Studio-Album.
Zudem beweisen beide Stücke, dass der sächsische Fünfer nicht von seiner vorgegebenen musikalischen Linie abweicht, aber trotzdem variabel mit dem Prog-Gefühl der 70er zu spielen versteht und dabei zwischen Improvisation und kompositorischer Perfektion seine Bahnen immer weiter ausbreitet. Neben breit ausladenden Hammond- und flirrenden Gitarren-Klängen kommt zudem auch noch gelungener Satzgesang dazu. Wortwörtlich berauschend!

Noch dazu fühlt sich der olle Ossi bei so wunderbarer Musik nur zu gerne an die längst vergangenen Musik-Zeiten einer STERN-COMBO MEISSEN oder LIFT erinnert, womit die schönsten Erinnerungen an einen musikalischen Weltenwandel geweckt werden, der leider nach dem eliminierenden (und auf gewisse Art frustrierenden) DDR-Ende, ein böses Erwachen zur Folge hatte. Dieses leider auch kulturelle Ende hatte jedenfalls eine völlig ungerechtfertigte Vergessenheit der großartigen Musiker aus dieser Zeit und diesem Land zur Folge, in deren elterlichen Platten sicher auch die fünf Jungs aus Plauen gewühlt haben werden und dabei wohl häufig auch die „Reise zum Mittelpunkt des Menschen“ antraten.

Welche Band bekommt denn heutzutage noch den Charme des Ost-Progs in seiner eigenen Musik hin?
Na klar: POLIS!
Man höre einfach „Sag mir“ und schon ist man wieder mitten drin in einer Zeit, in der die Musik mehr als Klang, sondern das pure Lebensgefühl und 'König der Welt' war: „Ich bin nur am Suchen / Und nie am Finden...“
Genauso ging's doch auch uns, als plötzlich unser Land und mit ihm bei vielen auch ihre Vergangenheit verschwunden zu sein schien. Genau das bringen heutzutage ein paar junge Musiker an Lebensgefühl auf den Punkt, welche dieses nunmehr 35 Jahre zurückliegende Ereignis gar nicht bewusst wahrgenommen haben können – da sagt dann auch der alte Kritiker, der diese Zeilen niederschreibt, einfach mal: Danke!
Denn immerhin erweckt auch dieser Song, der so episch und orchestral wie hymnisch und explosiv wie der „Albatros“ von KARAT aufgebaut ist, ein wunderschönes nostalgisches Schwelgen, an genau die Zeit, die nie in Vergessenheit geraten darf, da wir sonst auch in unserem Land ein gehöriges Stück ärmer wären.

Die zwei Konzerte, das eine vom Woodstock Forever Festival bei Waffenrod vom 20. August 2022, das andere vom 30. Dezember 2022 in der Alten Kaffeerösterei, welche dem „Unterwegs I“-Album zugrunde liegen, lassen uns jedenfalls die Atmosphäre spüren, die den Unterschied zwischen guter analoger und digital verfremdeter Musik ausmacht.
Und da wir längst wissen, dass bei richtig guter progressiv-psychedelischer Musik, ob im Studio oder live aufgeführt, 'steter Tropfen den Stein höhlt', wird nicht nur das großartige Studio-Album „Weltklang“, sondern auch das erste POLIS-Live-Album mit dem Longtrack „Tropfen“ eröffnet. Eine Reise durch die Tropfsteinhöhle der Prog-Psyche-Rock-Vergangenheit, bei der zu hoffen bleibt, dass es nicht tausende von Jahren dauert, bis man endlich diese unglaublich stalagmitische Dimension hinter der Musik von POLIS erkennt.

FAZIT: Eigentlich müsste diese sächsische Prog-Psyche-Wunderband POLIS bei jedem Prog-Festival auf der Teilnehmerliste ganz weit oben stehen, denn was die fünf Jungs live an ihrem umfangreichen analogen Equipment sowie mit ihrem schwer beeindruckendem Sänger und deutschen romantischen Texten allererster Güteklasse zu bieten haben, ist umwerfend. Und spätestens seit „Unterwegs I“ darf man nach nunmehr drei Studio-Alben auch ihre faszinierenden Live-Qualitäten in Augen- (schönes achtseitiges Foto-Booklet) und Ohrenschein nehmen, die sich völlig ungezwungen im Prog-Universum der 60er- und 70er-Jahre austoben und dabei die Kunst vollbringen, absolut POLIS-authentisch zu bleiben.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 1013x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Tropfen
  • Gedanken
  • Die Einsamkeit
  • Das erste Leuchtfeuer
  • Eine Liebe, Tausend Leben
  • Danke
  • Sag Mir
  • Blumenkraft

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
Thomas
gepostet am: 04.02.2024

User-Wertung:
13 Punkte

Eine ganz feine Scheibe
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Was kommt aus dem Wasserhahn?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!