"I" (2000) ist seinem Titel entsprechend eigentlich der erste Teil der "The Breathing Shadow"-Trilogie - "The Closing Chronicles" von 1996 bildet Teil 2, und einige der Songs auf dem 1995er NIGHTINGALE Debüt "The Breathing Shadow" markieren den Abschluss. Das muss man nicht verstehen, doch es spiegelt die Wirrnisse um die Entstehung der wohl wichtigsten anderen Band von Edge-of-Sanity-Kopf Dan Swanö wider. Die ersten beiden erschienenen Alben waren jeweils ein verkapptes Gothic-Soloprojekt des Schweden und ein noch unausgegorener Melodic-Rock-Verschnitt, den er mit seinem Bruder Dag Swanö (Pseudonym Tom Nouga) ausgeheckt hatte.

Auf "I" fährt das Duo hingegen erstmals den leicht melancholischen AOR/Neo-Prog-Stil, den man bis zuletzt mit dem Bandnamen verbunden hat - und es zeigt sich auch in der Form, die NIGHTINGALE bis zuletzt als Quartett an den Tag legten. Im Grunde enthält die Platte fast nur Ohrwürmer, was Kenner der Band auch daran sehen, dass der Schwerpunkt der späteren Neuaufnahmen-Compilation (quasi eine Best-of) "Nightfall Overture" auf diesem Werk lag. Der lebhafte Opener 'Scarred For Life' dürfte genauso wie das fette ´Game Over´ mit seinem singbaren Hauptriff zu den fünf Schlüsselsongs der Gruppe gehören, 'The Game', die Ballade ´Alonely und 'Remorse and Regret' decken ihre ruhig atmosphärische Seite ab, ud das zwischen Hart und Zart pendelnde 'Dead or Alive' vereint ihre wesentlichen Vorzüge in sich.

'Drowning in Sadness' setzt mit Orgel Akzente, und das flotte ´Still In The Dark´ ist ein Pop-Metal-Glanzlicht, wie es nur Ausnahmekomponisten wie die Swanös hinbekommen. Unterm Strich hätten NIGHTINGALEs spätestens mit dieser Platte ein großes Publikum verdient, das ihnen aber leider nie vergönnt war. Diese remasterten Neuauflage enthält im Bonusteil etliche Perlen, darunter Coverversionen von Uriah Heep ('Stealin'') und den frühen US-Underground-Hardrockern Dust ('From a Dry Camel') und teils auf Schwedisch gesungene Outtakes, in denen man später für Album-Tracks verwendete Ideen wiedererkennt. Rough Mixes der "I"-Stücke aus der Produktion von 1999 geben interessante Einblicke in den Schaffensprozess, Live-Songs von 2002 bis 2012 aus verschiedenen Städten sowie zwei 2001er Remixe runden das Mega-Paket ab.

FAZIT: NIGHTINGALEs "I" ist ein Light-Prog/Hardrock-Klassiker mit emotionalem Tiefgang und großen Melodien, den noch zu wenige potenzielle Fans kennen. Wer die Band bisher nicht auf dem Schirm hatte, sollte mit diesem Album beginnen und sich diesen ultimativ umfangreichen Re-Release als Rundum-glücklich-Set zulegen.