Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Clairo: Charm (Review)

Artist:

Clairo

Clairo: Charm
Album:

Charm

Medium: CD/LP/MC/Download
Stil:

Singer/Songwriter, Chamber-Pop, Soul

Label: Virgin Records
Spieldauer: 34:42
Erschienen: 12.07.2024
Website: [Link]

Vielleicht auch gerade deswegen, weil die New Yorker Songwriterin CLAIRE 'CLAIRO' COTTRILL sich inzwischen zu den etablierten Acts ihres Genres zählen darf - und es sich demzufolge leisten kann - verweigert sie sich bis heute teilweise den Mechanismen des Musik-Biz. So zeigt sie sich auch mit ihrem dritten Album „Charm“ als integre Künstlerin, die nach eigenen Wegen sucht, um sich ihren Fans zu präsentieren. Es gibt beispielsweise bis heute keine Promo-Videos zu den beiden vorab als Singles veröffentlichten Tracks „Nomad“ und „Sexy To Someone“ und obwohl das Album zunächst auf Instagram angekündigt wurde, erscheint es dann - entgegen des Trends - nicht nur digital, sondern in allen zur Zeit verfügbaren physischen Formaten; also auf CD, verschiedenen Vinyl-Editions und sogar auf Kassette. Anstatt das Album dann etwa mit einer landesweiten Clubtour zu promoten, entschloss sich CLAIRO dazu, sich im September mit zwei Residenzen in Los Angeles und New York mit je 5 (inzwischen ausverkauften) Terminen in mittelgroßen Spielstätten an die Fans zu wenden.


In Zeiten, in denen die Musik dank des Streaming-Dogmas langsam zu einer Art flüchtigem Wegwerf-Produkt zu verkommen scheint, präsentiert sich CLAIRO also als Künstlerin, die auf die traditionellen Werte des Musikhandwerkes und auf Konsistenz setzt. Dazu gehört auch, dass sie die neuen Songs zusammen mit den Musikern ihrer Band schrieb und ausarbeitete und das Album gemeinsam mit dem Multiinstrumentalisten LEON MICHELS selber produzierte. Alles in einem vollkommen organischen Umfeld, in dem weder die elektronischen Elemente von ihrem Debüt-Album „Immunity“ noch die schwelgerische Opulenz ihres zweiten, damals von Jack Antonoff produzierten Werkes „Sling“ zum Tragen kommen. Stattdessen entwickelten sie und Michels für „Charm“ ein zwar oft psychedelisch aufgebohrtes, aber songorientiertes Soul- und Chamber-Pop-Setting. Laurel-Canyon-Vibes, eine jazzige Sensibilität und eine gewisse Folk-Sensibilität, wie sie CLAIRO schon früher demonstrierte, wurden dabei sorgsam ins Klangbild eingewoben.

LEON MICHELS – der wie auch die anderen Musiker als Co-Songwriter aufgeführt wird und die Aufnahmen als Multi-Instrumentalist begleitete - griff bei der Produktion auf seine Erfahrungen mit jenem Soul-Revival zurück, das er mit seinen Arbeiten für die von ihm mitgegründeten Projekte SHARON JONES & THE DAP KINGS oder LEE FIELDS & THE EXPRESSIONS maßgeblich prägte. Dabei ging es offensichtlich nicht um ein puristisches Retro-Setting - wie bei den hier genannten Projekten – sondern um eine kreative Auslegung des Genres mit deutlichen Psychedelia-Referenzen.

Bestes Beispiel diesbezüglich ist gleich der Opener „Nomad“, eine sanft groovende Empowerment-Ballade, mit der die Musikerin ihre Faszination für die selbstbestimmte Einsamkeit des Nomaden-Daseins zum Ausdruck bringt. Auch wenn dieser Track als zeitgemäßer Pop-Song durchgeht, wurde das ganze Szenario, ohne Zugriff auf die heute üblichen elektronischen Trickkisten, klassisch mit organischen, analogen Mitteln umgesetzt. Seien es nun CLAIROs Wurlitzer-Einlagen oder NICK MOVSHONs raumgreifendes akustisches Bass-Spiel oder die verhallten Slide-Gitarren-Effekte und verfremdeten Flötensounds von LEON MICHELS. Sogar für verdrehte Cello-Sounds in der Bridge blieb zusätzlicher Raum.


Demzufolge erscheint es dann auch nur folgerichtig, dass Tracks wie „Sexy To Someone“ (eine Charmante Reflexion zum Thema 'Flirten') und später auch „Slow Dance“ oder „Glory Of The Snow“ mit leichtfüßigen Soul-Grooves unterlegt sind, welche dann zuweilen in einem interessanten Kontrast zu den eher psychedelisch angelegten Arrangements stehen, die ebenfalls organisch erzeugt wurden, wie etwa dem spacigen Fade Out von „Sexy To Someone“, den atypischen Bläsersätzen am Ende des Tracks „Juno“, dem jazzig anmutenden Piano-Solo des Songs „Terrapin“, der Billig-Orgel, die dem Song „Echo“ eine unwirkliche Atmosphäre verleiht, sowie den Flöten-Sounds von „Thank You“ und „Glory Of The Snow“.

Demzufolge kann „Charm“ nicht als puristische Soul-Scheibe verstanden werden, denn CLAIRO bleibt insofern ihren Roots treu, als dass sie etwa „Terrapin“ in eine jazzige Richtung leitet, für „Thank You“ mit Brill-Building-Flair flirtet, „Echo“ mit Westcoast-Psychedelia anreichert oder den letzten Track „Pier 4“ - eine Art Zirkelschluss auf den Opener „Nomad“ - gar zunächst als akustischer Folk-Song anlegt, der erst gegen Ende zur psychedelischen Dreampop-Nummer umgedeutet wird. Der kollaborative Ansatz bei der Produktion des Albums und die Tatsache, dass alle Tracks live in dem Diamond Mine Recording Studio in Queens und dem Allaire Studio in der Nähe von Woodstock eingespielt wurden, sorgten des Weiteren für einen kohärenten Band-Sound, wodurch das gesamte Album eine eigene Identität erhält, greifbar dem klassischen Old-School-Ansatz zugewandt: „Die Menschen sehnen sich zutiefst nach etwas Greifbarem“, stellt sie fest – und spielt mit dieser Art von 'Handmade-Ansatz' auf einen hoffentlich tatsächlich existierenden Trend zur physischen Auseinandersetzung mit der Musik an, der sich zur Zeit wohl vor allem durch den anhaltenden Vinyl-Hype am deutlichsten äußert. In dieser Hinsicht sieht sich CLAIRO dann wohl (auch musikalisch) in der Tradition klassischer Vorreiterinnen wie etwa CAROLE KING, HELEN REDDY oder KAREN CARPENTER.


FAZIT: Mit ihrem dritten Album „Charm“ stellt sich CLAIRO bereits zum dritten Mal neu auf. Nach der verspielten Elektronika des „Immunity“-Albums und der Folk-Opulenz des Nachfolgers „Sling“ gibt es nun eine gelungene, psychedelisch angereicherte, organische Soul-Pop-Emulation zu bestaunen. Wer befürchtet, dass das irgendwann alles in der Richtungslosigkeit enden könnte, dem sei gesagt, dass alle drei Projekte letztlich durch CLAIROs charakteristischen, einschmeichelnd-warmherzigen Flüster-Gesang zusammengehalten werden, den sie auf ihrem aktuellen Album mit neuem performerischen Selbstbewusstsein auf eine neue Ebene hievt.

Ullrich Maurer (Info) (Review 1497x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Nomad
  • Sexy To Someone
  • Second Nature
  • Slow Dance
  • Thank You
  • Terrapin
  • Juno
  • Echo
  • Glory Of The Snow
  • Pier 4

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

  • Charm (2024) - 13/15 Punkten
Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Wieviele Monate hat das Jahr?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!