Hört man heutzutage nur den Bandnamen ARCHIVE, dann weiß man, dass einen eine musikalische Wundertüte erwartet, die in eine garantiert hochinteressante musikalische Richtung geht, nur das einem dabei im Vorfeld nicht klar ist, in welche.

ARCHIVE, die sich 1994 im Süden Londons unter Federführung von Darius Keeler und Danny Griffiths gründeten, wildern durch die Pop-, Space- und Rockmusik ganz ähnlich wie es die BEATLES taten, aber die Londoner Archivaren setzen zudem noch auf jede Menge Electronics, Trip Hop, Post Rock, Alternatives und was ihnen gerade sonst noch so in den Sinn kommt, drauf. Wer sich hierbei an MUSE erinnert fühlt, liegt keinesfalls falsch.

Vor gut 23 Jahren sah das allerdings noch etwas anders aus, wie uns „Take My Head“ aus dem Jahr 1999 beweist. Ein Album, ihr zweites nach „Londinium“, das es nunmehr endlich als Neuauflage auf LP zu erstehen gibt – in höchster Klangqualität auf 180g-Vinyl gepresst.
Damals setzten ARCHIVE noch deutlich auf den Post Rock, angereichert mit so einigen Dream-Pop-Elementen – und die Besonderheit, dass dies das erste Album mit Suzanne Wooder als Sängerin war. Es sollte mit ihr auch das letzte sein. Durchaus gut verständlich, denn oftmals hat man beim Hören den Eindruck, die Musik dreht sich mehr um Wooders Stimme als um die sonst bei ARCHIVE so gewohnte ungebremste Experimentierfreudigkeit.

Beispielsweise geht daher ein Song wie „Cloud In The Sky“ oder „The Way You Love Me“ deutlich in Richtung MASSIVE ATTACK.

Auch fallen viele der Songs durch die ausschließlich auf eine Sängerin konzentrierte Musik recht eintönig aus. Das wird aber die Freunde von ARCHIVE sicher nicht weiter stören, da sie endlich nach so vielen Jahren von „Take My Head“ die 180g-Vinyl-Pressung in den Händen halten dürfen, die wirklich auch vom Klang her alle Grenzen zwischen Laut und Leise auslotet.

Außerdem beginnt das Album mit dem großartigen „You Make Me Feel“ und setzt sich mit einem der auch heute noch spannendsten ARCHIVE-Songs: „Take My Head“ fort. Der Titelsong, welcher als Kanon beginnend und sich dann in wilden Post-Rock-Eruptionen ergießend schon absolute Maßstäbe setzt.

Dann aber gibt es solche Schmachtfetzen wie „The Pain Gets Worse“ oder „Rest My Head On You“, die nicht nur extrem schmalzig ausfallen, sondern auch stark an die Schlager-Pforte klopfen, was ARCHIVE überhaupt nicht gut tut. Vielleicht waren es gerade diese banalen und mitunter zusätzlich mit übertriebenem Streicher-Bombast aufgeblasenen Ausrutscher, die dann zur Trennung von Suzanne Wooder führten.

Und dass diese Entscheidung sehr, sehr klug war, beweist der drei Jahre später erscheinende Nachfolger „You All Look The Same To Me“ vollends. Jetzt waren ARCHIVE auf dem genau richtigen Weg – auf „Take My Head“ waren sie noch auf der Suche.

FAZIT: Nach 23 Jahren dürfen wir mit „Take My Head“, das nach „Londinium“ (1996) zweite Album von ARCHIVE, endlich auch auf Vinyl erstehen – und sogar der auf der CD versteckte Hiddentrack wurde (allerdings ohne längere Pause davor) mit auf's Vinyl übernommen. „Take My Head“ war zugleich das einzige Album mit der Sängerin Suzanne Wooder und fällt hinter den zehn darauf folgenden Alben aus heutiger Sicht ein wenig ab – obwohl es bereits hier geschickt mit den Elementen aus Post Rock, Shoegaze, Dream Pop, Trip Hop und sogar etwas Progressive Rock spielt. Allerdings orientierte es zu stark auf die Sängerin, statt wie später auf den unstillbaren musikalischen Einfallsreichtum sowie den Mut zu musikalischen Experimenten und ungeahnten Grenzüberschreitungen.