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Rubber Tea: Infusion (Review)

Artist:

Rubber Tea

Rubber Tea: Infusion
Album:

Infusion

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Progressive- und Art-Rock

Label: Sireena Records/Broken Silence
Spieldauer: 37:39
Erschienen: 12.06.2020
Website: [Link]

Es ist ein überraschend gutes Debüt, das die Freunde progressiver Rockmusik mit Hang zu den ruhigeren floydianischen Klangwelten der Ära zwischen „Obscured By Clouds“ und „Meddle“ erwartet, wenn sie ihrem Player eine „Infusion“ von RUBBER TEA verpassen. Eine feine Kräutermischung aus Bremen, die sich da mit retro-affinen Geschmacksverstärkern zu einem wahren Genuss entfaltet, der allerdings in erster Linie auf altbekannte Zutaten setzt, welche fast allen Prog-Freunden schmecken sollten, besonders wenn sie die harmonische und weniger kratzige Note mögen.

Und spätestens wenn man RUBBER TEAs Cover-Version aus dem Corona-Exil von einem der frühsten und zugleich ruhigsten KING CRIMSON-Songs „Moonchild“ hört, dann erahnt man, wohin auch die Reise auf „Infusion“ geht.
Doch nicht nur das – auch ihre poetische Ader spielt eine bedeutende Rolle auf „Infusion“. Diese Infusion wird nicht nur von crimsonesken Floydianern musikalisch angelegt, sondern textlich zugleich von den wahrhaften Klassikern der Grusel-Literatur bereichert, EADGAR ALLEN POE und E.T.A. HOFFMANN sowie einem der größten, am Ende in seiner „Matratzengruft“ dahinsiechenden Dichter: HEINRICH HEINE. Das Bremer Prog-Quintett adaptiert auf „On Misty Mountains“, „In Weeping Waters“ und „Storm Glass“ deren Texte songtauglich und webt ihre musikalische Interpretation darum, wobei sie akribisch auf den Einsatz eines Vintage-Instrumentariums achten. Vintage-Poesie trifft auf Vintage-Musik. Geile Idee, besonders für diejenigen, die ihren IQ noch über die Gürtellinie erheben und ihre Ohren gerne auch mit Klängen aus dem Nicht-Radio-Orbit verwöhnen!

Unter ihrer Homepage melden sich die fünf jungen RUBBER TEA-Musiker*innen aus Bremen zu „Infusion“, die sie sich über zwei Jahre anlegten, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden waren, selber zu Wort und sprechen von „komplexen Klangwelten, raffinierten Rhythmen, orgiastischen Orgelsoli, filigranen Flötenmelodien und verzaubernden Vocals“. Damit tragen sie jedoch ein wenig zu dick auf und vergessen noch dazu einen ganz wichtigen, ihre Musik so interessant machenden Aspekt – nämlich die Rolle des Saxofons und der Bläser auf dem insgesamt stärksten Song des Albums: „The Traitor“. Der (größtenteils weibliche) Gesang dagegen ist zwar gut, aber einen echten Wiedererkennungswert oder gar tiefgründiges Charisma besitzt er (noch) nicht. Auch dass wir auf „Infusion“ keinen Longtrack finden, eigentlich der typische Qualitäts-Gradmesser im Progressive Rock, ist schade. Denn wenn man in (s)einer verträumt-psychedelischen Welt wandelt, die gar so einige „Meddle“-Affinitäten oder ALAN PARSONS- + AYREON-Vocoderstimmen sowie verspielte Jazz-Einsprengesel samt Moonchild-Flötenträumereien überzeugend nachklingen lässt, dann gilt im musikalischen Falle manchmal gar der Grundsatz: Länger ist besser!
NOVALIS jedenfalls besaßen bei ihrem Debüt „Banished Bridge“ diesen Mut – und da so einiges, besonders „The Drought“, gerade an dieses komplett unterbewertete 1973er-Debüt-Meisterwerk der Hamburger Krautis, die englisch begannen und dann auf die Sprache ihres Namensgebers wechselte, erinnert, werden sicher viele, denen die frühen NOVALIS als Gradmesser für guten Psyche-Prog gelten, garantiert auch dieses junge Bremer Prog-Quintett mit offenen Armen und Ohren empfangen.

Vielleicht bringt RUBBER TEA auf ihrem nächsten Album auch den Mut für einen überzeugenden, komplexen Longtrack auf – das (progressive) Zeug dazu haben sie allemal. Hinzu kommen die anspruchsvollen Texte, in denen kleine Geschichten erzählt werden, von denen man locker fast jeden einzelnen zu einem umfangreichen Konzept ausbauen könnte. Und selbst wenn RUBBER TEA uns den letzten Titel „American Dream“ als Instrumental mit deutlichen KING CRIMSON- und PINK FLOYD- sowie ELP-Anspielungen verkaufen, der sich durch klug zusammengesetzte Sprechcollagen zu einer harschen Kritik am Trump-Amerika entpuppt, zeigen sie zugleich, dass ihnen das Einmischen in aktuelle politische Themen in Verbindung mit progressiver Rockmusik überzeugend gelingt.

Also – mutig voran, den Samowar angeworfen und ein noch fetteres RUBBER TEAchen gebraut.
RUBBER TEA sind jedenfalls ein weiterer Lichtstreif am Prog-Horizont aus Deutschland, dem man trotz aller Mainstream-Oberflächlichkeit der meisten Radio-Konsumierer, schon nach „Infusion“ ein ewiges Leben wünschen möchte. Und darauf ein berauschendes Teechen mit feinen rockkräuterigen Beigaben.

FAZIT: Ein überraschend überzeugendes Prog-Rock-Album-Debüt einer jungen Teeliebhaber-Band aus Bremen, die speziell auf Vintage-Instrumentarium und eine Mischung aus akustischen und elektronischen Klängen setzt, welche sich atmosphärisch zwischen den frühen, ruhigeren Stücken von PINK FLOYD und KING CRIMSON bewegt. RUBBER TEA beweisen auf ihre jugendliche Art, wie lebendig noch immer der Prog Rock mit deutlichem Bezug zu den alten Hasen, die in den 60ern und 70ern noch echte Helden waren, klingen kann.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3908x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 11 von 15 Punkten [?]
11 Punkte
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Tracklist:
  • On Misty Mountains
  • Downstream
  • In Weeping Waters
  • The Traitor
  • Plastic Scream
  • Storm Glass
  • The Drought
  • American Dream

Besetzung:

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Interviews:
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