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Kiev Stingl: Teuflisch (1975) - Remastered Edition (Review)

Artist:

Kiev Stingl

Kiev Stingl: Teuflisch (1975) - Remastered Edition
Album:

Teuflisch (1975) - Remastered Edition

Medium: CD
Stil:

Deutscher Beat-Poeten-Rock

Label: Sireena Records / Broken Silence
Spieldauer: 36:21
Erschienen: 28.07.2017
Website: [Link]

„Endlich auf CD erhältlich! DER deutsche Rock-Underground-Poet in seiner Blütezeit – zwischen Genie und Wahnsinn!“
So werden die (vorgesehenen) Neuveröffentlichungen der ersten drei Alben von KIEV STINGL auf einer Postkarte angekündigt. Und nicht ein Wort davon ist unwahr oder übertrieben!
Übrigens steht auf der Postkarte Stingl nackt da, mit weit geöffnetem Mantel, wie ein Exhibitionist samt nachträglich gemaltem Ahornblatt über dem Gemächt, der seine ersten drei Platten, einem diebischen Uhrenverkäufer gleich, unterm Mantel versteckt. Er macht sich eben nackt auf jeder seiner Platten!
Passender kann die „teuflisch(e)“ Musik, die uns nun erwartet, einfach nicht angekündigt werden.
KIEV STINGL war, ist und wird absoluter Kult der westdeutschen Underground-Szene als deutschsprachiger Beat-Poet bleiben. Was ein Beuys für die Aktionskunst war, war zugleich ein Stingl für die beatige Musik-Poesie! Und es ist ein Riesenglück, dass dieses Kleinode außergewöhnlicher, schwer provokativer deutscher Musik-Unterhaltungskunst endlich digital gemastert wieder auf CD erscheinen.

Die erste Neuveröffentlichung ist das zugleich erste offizielle Studio-Album „Teuflisch“ aus dem Jahr 1975, auf dem KIEV STINGL von solchen Musikgrößen wie Gitarrist ACHIM REICHEL und Keyboarder JEAN-JAQUES KRAVETZ sowie Schlagzeuger DICKY TARRACH begleitet wird, die sich bereits bei UDO LINDENBERG, FRUMPY, RATTLES, RANDY PIE, ATLANTIS und WONDERLAND einen Namen gemacht haben. Außerdem sind auch noch der RANDY PIE-Bassist TISSY THIERS und an der Harmonika STEFAN WULFF von OUGENWEIDE mit im teuflischen Musik-Gefüge involviert.

Trotz all dieser musikalischen Hochkaräter stand „Teuflisch“ unter keinem guten Stern. Wie auch, wenn man sich schon von Titel her mit der Hölle statt dem Himmel verbündet?

Dabei hätte doch auch im Deutschland der Trantuten die Zeit für „Teuflisch“ reif sein müssen. Schließlich schwappte gerade die amerikanische Untergrund-Poesie direkt aus Amerika mit solch namhaften Größen wie CHARLES BUKOWSKI, DOUGLAS BLAZEK und TOM CLARK direkt nach Good Old Germany über und gebar literarische Provokateure wie JÖRG FAUSER, WOLF WONDRATSCHECK und eben KIEV STINGL, der sich aber nicht nur auf seine Texte beschränken, sondern ihnen auch einen ganz speziellen Klang verleihen wollte. Zu Noten gewordene Worte – oder doch zu Worte gewordene Noten. Damit hatte er mit ACHIM REICHEL einen idealen Unterstützer seiner Idee gefunden, die letzten Endes ihrer urtümelnd deutschen Zeit (leider) um Längen voraus war. Bleischwer blieb „Teuflisch“ in den Plattenläden liegen und sang dort im Verborgenen sein Lied vom traurigen Flop.
Warum nur entdeckten so wenige solch fantastische Zeilen, die Stingl zugleich sehr ansprechend singend vorträgt, wie: „Der Krieg / Tomahawk / den du führst / ist eine Blume im Winter / die du erfrierst“, oder: „Musik / ist dein und mein Gefühl / vom Traurigsein / wer wüßte mehr / was Liebe ist / als du / mein Kind / das verloren ist“?
So kam Stingl im Grund der Neuen Deutschen Welle zuvor und dem Punk, durch den „Teuflisch“ dann tatsächlich doch noch einen zweiten Musik-Atem und mehr Aufmerksamkeit erhielt.

Manchmal lassen auf dem Album DANZER und HIRSCH grüßen, dann wiederum krautrockt Psychedelisches in unser Ohr, während Stingl im VELVET UNDERGROUND seinen Text intoniert, der uns zugleich aus diesem grandios-kultigen Album entlässt: „Ich raube Augen / und mach den Himmel blind / o Mutter / küß dein Irrsinnskind / seltsam / dich hier zu sehn / zwei Huren / träumen von Sonnenschein / und Kinder ohne Stimmen / schrein / nach ihren roten Dornenkronen / und opfern sich / den Pharaonen / seltsam / dich hier zu sehn / komm / laß uns gehn“
Wie bitte kann man solche Textzeilen noch toppen?!?!
Oder ist das alles ein Fall für das Sofa einen fettgefressenen Psychoanalytikers, der zwar nichts versteht, aber sofort die Neurosen entdeckt, an denen er verdient, um einem Anderen zu erklären, dass er nicht normal wäre, in einer Welt und einem Land, das von bibeltreuen Zeitgenossen regiert wird und im Grunde die Erde ja eigentlich noch eine Scheibe ist. Oder wer hat da die Scheibe?
KIEV STINGL ist zurück aus der Vergangenheit und lässt sie wieder leben, seine poetischen Huren mit Monroes Slip, die teuflischen Engel, höllisch kalte oder gar mordlustige Mädchen, kiffende 18jährige, unzählige Sex-Gespielinnen samt Queen Elizabeth, verlorene Kinder, Schmetterlinge, die der Wind verweht, kniende Brüder vorm Altar, träumend-traurige Söhne, Karawanen der Trostlosigkeit und nackte Mädchen an Marterpfählen.
Ein singender Poet.
Ein poetischer Beatnik.
KIEV STINGL ist zurück – aber, war er eigentlich jemals fort?

FAZIT: „2017 wird das Stingl-Jahr!“, schreibt uns Sireena Records auf die Musik-Fahnen und bereichert damit natürlich mal wieder die Musik-Kultur der Gegenwart mit einem gelungenen Rückblick auf die Vergangenheit. „Teuflisch“ (1975) war das erste Album von KIEV STINGL, dem musikalischen Beat-Poeten, mit Unterstützung von Achim Reichel, Jean-Jacques Kravetz und weiteren deutschen Kraut-Rockern. „Hart wie Mozart“ und „Ich wünsche den Deutschen alles Gute“ werden folgen. 2017 wird wirklich ein gutes Musik-Jahr und nach diesen Veröffentlichungen auch ein verdammt kultiges!

PS: Und wo das Album von Freunden guten Kultrocks gekauft wird, ist ja eigentlich klar, genau hier mit einem Klick und nicht bei...

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3417x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • Ihr Blick ist höllisch kalt
  • Tierisch, in die Bars zu gehen
  • Rocker
  • Teuflisch
  • Häng rum
  • Morgen komm ich
  • Der Sommer ist längst vorbei
  • Seltsam, dich hier zu sehn

Besetzung:

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