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Klaus Schulze: La Vie Elecrtronique 16 (Review)

Artist:

Klaus Schulze

Klaus Schulze: La Vie Elecrtronique 16
Album:

La Vie Elecrtronique 16

Medium: CD
Stil:

Rare Electronics und ein Schlagzeug-Solo

Label: MIG Music
Spieldauer: 385:00
Erschienen: 29.05.2015
Website: [Link]

Das war‘s also!
Der letzte, nunmehr 16. Teil von KLAUS SCHULZEs „La Vie Electronique“-Reihe ist vollendet und schließt dieses elektronisch Mammut-Musik-Spektakel ab, indem er mit alle bisherigen Gesetzmäßigkeiten der vorangegangenen Teile bricht. Nicht nur die gewohnten 3 CDs, sondern gleich 5, erwarten uns auf „La Vie Electronique 16“ und die bisherige chronologische Abfolge der Aufnahmen wird durch ein wirres Durcheinander zeitlich „ungeordneter“ Studio- und Live-Aufnahmen, die manchmal in nicht sonderlich beeindruckender Qualität vorliegen, durchbrochen und umfasst Mitschnitte aus den Jahren 1970 bis 2002, die alle im Jahr 2015 vollendet wurden. So ziehen über 45 Jahre KLAUS SCHULZE-Musikgeschichte mit diesem Sampler an uns vorüber.

Warum dieses 5er-Digistack nunmehr in dieser Art veröffentlicht wurde, erklärt das Label MIG-Music gleich selbst: „Auf diesen fünf abschließenden CDs konnte wir all das unterbringen, was auf den 45 vorher erschienenen CDs (LVE 1 bis 15) aus technischen Gründen keinen Platz gefunden hat, oder was dem chronologischen Aspekt der Serie widersprach.“ Damit ist also klar, dass LVE 16 die musikalische Reste-Rampe der Serie ist, die jeden Schulze-Fan beglücken, einen auf Schulzes Musik einfach Neugierigen aber eher verstören werden.

„Chinese Eyes“ - der das Fünfer-CD-Paket eröffnende und sogar als Bonus deklarierte Titel (So ‘ne Idee muss man erst einmal haben!) erinnerte anfangs an JEAN MICHEL JARRES „China“-Abenteuer bis es dann im typischen Schulze-Stil eine ziemlich rasante Fahrt aufnimmt, um diese nach 6 Minuten von sakralen „Sadness“-Gesängen zu unterbrechen und ihn daraufhin wieder in Schulzes „Dune“-Manier, allerdings ohne ARTHUR BROWN, zu Ende zu bringen. Selten hört man einen so abwechslungsreichen KLAUS SCHULZE in dermaßen komprimierter Form! Ein nicht nur tempogeladener, sondern auch sehr gelungener 13-Minuten-Start für die insgesamt 385 „La Vie Electronique 16“-Minuten. Auf der folgenden „Landpartie“ dürfen wir dann den ebenfalls wieder sehr typischen Schulze-Synthie-Flächen, die sich langsam und etwas behäbig im eintönigen Klang immer mehr steigern, lauschen. Ja, das ist wirklich der frühe Schulze, der sich im „Irrlicht“ tummelt, das er nun mit dieser Landpartie aus dem Jahr 1972 wieder in uns entflammt.
Nach diesen zwei Studio-Aufnahmen, zwischen denen bereits 30 Jahre lagen, gibt‘s dann den ersten Live-Mitschnitt „Berlin Zehlendorf“ - ziemlich verrauscht zwar, dafür aber von historischem Wert - vom 15. Dezember 1976, aufgenommen in Berlin. Auch hier wieder dieser flächige Synthie-Sound mit sehr finsterer Attitüde, bedrohlich und psychedelisch zugleich, ein 21minutiger Space-Trip, der so einiges auch von TANGERINE DREAMs „Alpha Centauri“ in sich trägt.
Mit der 1978er Studioaufnahme von „Get The Car, Harry“ ist dann auch der erste Gast auf diesem Raritäten-Sampler zu hören: HARALD GROSSKOPF am Schlagzeug. Wen wundert‘s da noch, dass sofort Erinnerungen an Schulzes Porno-Film-Soundtrack „Body Love“ aufkommen, bei dem der Schlagzeuger, der einst bei den SCORPIONS begann und dann auf „Stardancer“ sein „pornografisches Drumming“ zelebrierte, knapp 20 Minuten lang sehr ausgiebig die Felle bearbeiten darf.
Wenn die erste CD mit einem Bonus beginnt, dann muss sie in der Schulze-Denke wohl auch mit einem Bonus enden, dem knapp zehnminutigen „Acta Non Verba“, bei dem mit RAINER BLOSS, der besonders durch die gemeinsamen Polen-Live-Aufnahmen mit Schulze bekannt wurde, ein weiterer Gast aktiv ist. Diesmal aber nicht live in Polen, sondern 1985 in Aachen und das auch in einer ziemlich miesen Aufnahmequalität, dafür aber um so dynamischer. Irgendwie wäre es eben schade gewesen, wenn dieser sehr rhythmische, fast poppige Titel, der eher an TANGERINE DREAM als an KLAUS SCHULZE erinnert, nicht dauerhaft auf einem Tonträger gebannt worden wäre.

Der Abwechslungsreichtum bereits dieser ersten CD zeigt, wie vielfältig der letzte Teil der LVE-Reihe gestaltet ist. Diese Vielfalt, ausschließlich aus Raritäten bestehend, setzt sich über alle fünf CDs fort, die in erster Linie als ein Geschenk an die Schulze-Fans zu betrachten sind, aber nicht als eine logisch-chronologische Fortschreibung der musikalischen Schulze-Geschichte.

Bereits die zweite CD ist dann wirklich ein echtes Fan-Geschenk, welches sich durch mittelmäßige bis schlechte Sound-Qualität auszeichnet, die allerdings der Tatsache geschuldet ist, dass diese raren Live-Aufnahmen alle aus dem Jahr 1977 stammen und bei einem Konzert in London mitgeschnitten wurden. Natürlich gibt es auch hier wieder jede Menge Parallelen zu „Body Love“, Schulzes Soundtrack zum gleichnamigen Porno-Film. Überhaupt ist KLAUS SCHULZE der Mann für alle Extreme in der Filmkunst, egal ob Porno (Body Love) oder Horror (Angst). Mit der Wahl, sein erstes Stück des Konzerts „Ursprung der Welt“ zu nennen, beweist er diese Leidenschaft auch für die Malerei, denn das gleichnamige Bild von GUSTAVE COURBET, das mit seinen weit geöffneten nackten Frauenschenkeln, genau das offenlegt, was für Courbet der Ursprung der Welt und für uns Männer, positiv betrachtet, eine leidenschaftlich genossener feuchter Traum und, negativ betrachtet, eine billige Wichsvorlage ist, gilt als eins der skandalträchtigsten Bilder der Malerei. Hier gibt‘s nun die musikalische Bildbesprechung KLAUS SCHULZEs zu hören. Damit man auch weiß, wovon hier die Rede ist, sollte man vielleicht zuvor noch einen kurzen Blick auf diesen bildhaften Artikel werfen!

Auch die dritte CD beginnt mit insgesamt 60 Konzertminuten aus dem Jahr 1981, wobei ein ganz besonderer Gast Schulze an der Gitarre begleitet: MANUEL GÖTTSCHING, der geistig-kreative Musik-Vater von ASHRA (TEMPEL), wo auch KLAUS SCHULZE bereits festes, Schlagzeug spielendes Bandmitglied war. Leider sind auch diese Aufnahmen wieder nur in mittelmäßiger Sound-Qualität, aber gerade diese historischen Aufnahmen, denen sehr deutlich Göttschings ASHRA-Einflüsse anzuhören sind, machen natürlich den ganz besonderen Reiz dieses Mitschnitts aus und zugleich auch für alle Fans von ASHRA unverzichtbar sowie besonders wertvoll. Eine zweiundvierzigminutige Konzert-Fortsetzung mit MANUEL GÖTTSCHING folgt dann mit „Der Welt Lauf“ auf CD 4 des endgültig letzten „La Vie Electronique“-Packs.

Die Studio-Aufnahme „Face Of Mae West“ wirkt wie eine elektronischer Beischlaf-Symphonie, auf der eine Dame stöhnen und ein Herr opernhaft „Hohhh“ von sich geben darf - seltsam untermalt von Synthie- und Spinett-Klängen sowie akustischen Gitarren-Harmonien, die wohl vom Keyboard erzeugt werden oder Herr Schulze greift selbst zur Gitarre, was ebenfalls der Fall sein könnte. Genaueres jedenfalls erfährt man auch in dem wieder sehr umfangreich gestalteten und mit jeder Menge Informationen versehenen Booklet nicht. Dafür aber erfahren wir zum Bonus der CD 3 „Trakl Sans Vox“, dass dieses Stück aus der 94er Oper „Totentag“, die viele Schulze-Fans wegen des massenhaften Gesangs doch sehr irritierte, ein „kleines Teil ohne Stimmen auf den Originalaufnahmen“ ist, welches aber immerhin achteinhalb Minuten umfasst.

Die einzige Studio-Aufnahme der vierten CD, ein 32minutiger „Ruhiger Nachmittag“ aus dem Jahr 1984/85 ist dann in etwa genauso aufregend wie BRIAN ENOs „Thursday Afternoon“. Musik zum gelassenen Wegschlummern bis uns dann das „Totemfeuer“ - eine der frühsten Live-Aufnahmen von Schulze vom 15. Februar 1973 in Paris - in schwer psychedelische Traumzustände entführt, die sogar noch in guter Tonqualität daherkommen, was angesichts dieser über 40 Jahre alten Live-Aufnahme sehr beachtenswert ist.

Und damit sind wir auch schon bei der letzten CD.
Allesamt Studio-Aufnahmen, von denen die älteste „Just Skins“ aus dem Jahr 1970 und die neuste „Das lyrische Ich“ (Au weia, so ein blöder literaturtheoretischer Begriff, der in einem die schrecklichen Gedichtinterpretationszwänge seiner Schulzeit weckt!) aus dem Jahr 2002 stammt. Mit „Melange“ gibt‘s außerdem den 2000er Remix eines erstmals 1978 veröffentlichten Stücks, der bisher ausschließlich auf dem Ami-Sampler „Ohm - The Early Gurus Of Electronic Music“ erschien. Hierbei benutzte Schulze zwei Teile einer älteren Aufnahmen aus dem Jahr 1978 - „My Virtual Principles“, die in ihrer Gesamtheit auf „La Vie Electronique 7“ zu finden ist. Doch zuvor eröffnet das zwanzigminutige „Whales“ aus den frühen 90ern den Silberling und ist so eine Art musikalischer „Schützt die Wale“-Beitrag von Schulze, auf dem der Hörer durchgängig den Eindruck hat, dass Wale leidvoll weinen würden, während dunkle Keyboardflächen diese bedrohlich-traurige Stimmung untermalen.
Die wohl beste Idee auf diesem Raritäten-Sampler ist dann das Ende, denn es weist in kurioser Umkehrung auf den Beginn von Schulzes Musiker-Karriere hin. Mit „Just Skins“ gibt es ein 25 Minuten langes Schlagzeug-Solo aus dem Jahr 1970 von ihm zu hören, womit sich endgültig der Kreis seiner musikalischen Ära schließt, die als Schlagzeuger bei PSY FREE, dann TANGERINE DREAM und ASH RA TEMPEL begann. Sein elektronisches La Vie endet also mit einem Anfang, nämlich recht entspannten, fast gemächlich getragenen Drum-Eskapaden, welche eine ähnliche Atmosphäre verbreiten wie all die typischen, manchmal mit einem Schuss Langeweile versetzten Schulze-Electronics.

FAZIT: Das war‘s! Mit diesem fünfseitigen Digistack, das wie ein Buch geblättert wird, in dem jede Seite eine schwarze „Vinyl“-CD freigibt, schließt sich endgültig der „La Vie Electronique“-Kreis. Alles Rare, was auf den vorangegangenen 15 chronologisch geordneten Teilen nicht untergebracht werden konnte, weil die Aufnahmen entweder zu lang oder qualitativ nicht gut genug waren, findet sich hier in loser Ordnung wieder. Insgesamt hinterlässt und KLAUS SCHULZE auf nunmehr 50 CDs sein elektronisches Musiker-Leben und jeder von uns darf ein Teil davon sein. Für ihn, genauso wie beispielsweise für den kürzlich verstorbenen Elektronik-Pionier EDGAR FROESE, gilt in diesem Sinne: Solch ein Musiker kann oder wird sterben, seine Musik aber ewig leben - La Vie Electronique!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 6658x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • CD 1 (75 Minuten):
  • Chinese Eyes (Bonus) (2001)
  • Landpartie (1972)
  • Berlin Zehlendorf (1976)
  • Get The Car, Harry (1978)
  • Acta Non Verba (Bonus) (1985)
  • CD 2 (77 Minuten):
  • Der Ursprung der Welt (1977)
  • I: Bonjour, Monsieur Courbet
  • II: Der Ursprung der Welt
  • III: Die Moderne Kunst
  • Midnight At Madame Tussaud‘s (1977)
  • Totally Wired (1977)
  • I: Mind And Mchines
  • II: Starkness
  • III: L‘orgue De Barbarie
  • IV: A Rose Is A Rose Is A Rose ...
  • CD 3 (77 Minuten):
  • And Now For Something Completely Different (1981)
  • From And To (1981)
  • I: Fears And Phobias
  • II: From And To
  • Leiden mit Manu (1981)
  • Face Of Mae West (1990)
  • Trakl Sans Vox (Bonus) (1993)
  • CD 4 (77 Minuten):
  • Der Welt Lauf (1981)
  • I: The Last Puritan
  • II: Brücken in den Nebel
  • III: Sehr seltsam
  • IV: Alkibiades, mein Spießgeselle
  • Ein ruhiger Nachmittag (1984/85)
  • I: Analyse der Schönheit
  • II: Das Schweigen der Druiden
  • III: Dante erblickt Beatrice
  • IV: Die richtige Pforte
  • V: Et In Arcadia Ego
  • VI: Man muss seinen Garten bestellen
  • Totemfeuer Live (Bonus) (1973)
  • CD 5 (79 Minuten):
  • Whales (1991/92)
  • I: Pas De Deux
  • II: Whale Hunting
  • Unikat (1989)
  • Das lyrische Ich (Bonus) (2002)
  • I: Hymne an die Dämmerung
  • II: Hymne an die Nacht
  • Melange (Bonus) (2002 - Remix einer Aufnahme aus dem Jahr 1978)
  • Just Skins (1970)

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