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ROCKHARZ 2023 | Samstag - Ballenstedt, Harz - 08.07.2023
ROCKHARZ 2023 | Samstag - Ballenstedt, Harz - 08.07.2023
Tag 4, Samstag, 08.07.2023
VOODOO KISS und SOULBOUND starten die Hitzeschlacht
Dass der Finaltag der heißeste Tag des Festivals werden würde, stand bereits seit Mitte der Woche fest und schon beim Einlass, der auf 11:00 Uhr terminiert ist, suchen die Fans den nicht gerade üppig vorhandenen Schatten. Die hochsommerlichen Temperaturen halten indessen die Opener des Tages VOODOO KISS nicht davon ab, auf der ROCK-Stage bereits ordentlich Alarm zu machen, der Hard Rock der Truppe findet bei den bereits zahlreich versammelten Rockharzern allerseits Anerkennung.
SOULBOUND, die ich bereits wenige Tage zuvor auf dem CASTLE ROCK FESTIVAL erleben konnte, sind dann die nächsten im Bunde. Auffällig ist, dass die Jungs dieselben Klamotten anhaben wie beim Gig in Mülheim - hier sollte eventuell für die Zukunft die Garderobe aufgestockt werden. Am Sound und der Mucke gibt es allerdings wenig zu kritisieren, wohl auch ein Grund dafür, dass LORD OF THE LOST Frontmann Chris Harms die zweite Platte der Combo produzieren wird.
A LIFE DIVIDED mit neuer Platte am Start
A LIFE DIVIDED haben die durch C19 erzwungene Pause dazu genutzt, neues Material aufzunehmen, die aktuelle Platte, die Tags zuvor erschienen ist, liefert folgerichtig auch das Korsett des Konzerts. Die Resonanz ist prächtig, zumal auch einige Hits der Band eingestreut werden, die die Sache perfekt abrunden. Ein starker Gig und ein kleiner Vorgeschmack ihrer für den Herbst geplanten Tour. Danach geht es mit OHRENFEINDT weiter, deren St. Pauli Party Rock von CD nicht unbedingt jedermanns Sache ist – live allerdings funktioniert das Konzept prächtig und versöhnt mich mit der Truppe, deren Studio-Aufnahmen mich seinerzeit nicht wirklich vom Hocker hauen konnten. Das Plädoyer der Band, das mehr Empathie für Mitmenschen mit Depressionen einfordert, findet allgemeine Zustimmung und liefert den perfekten Abschluss eines starken Konzerts.
Wasser marsch oder: Ein Hoch auf die Grabenschlampen
EINHERJER im Anschluss reiten auf der aktuell sehr gefragten Vikin-Metal-Welle und liefern ihre Interpretation eines Genres, das hier im Harz viele Freunde hat. Die Band drischt jedes nur erdenkliche Klischee, was nicht immer innovativ daherkommt, dennoch aber sympathisch verkauft wird und dafür sorgt, dass der Reigen der Wikinger-Hymnen nach vierzig Minuten mit anhaltendem Applaus quittiert wird. WOLFHART präsentieren sich hier schon wesentlich härter und tendieren mit ihrem Sound deutlich in Richtung Melodic Death Metal.
Die ausladenden Geweihe mit Wolfsschädel, die die Mikrofonständer zieren, sorgen für die Hingucker auf der Bühne, hinter denen sich die Spielleute prächtig verstecken können. Weiter geht es mit den Power-Metallern von WIND ROSE, die es sich nicht nehmen lassen, ihr Bühnenoutfit trotz stetig steigender Temperaturen stolz in Form von Panzern mit Fellbesatz dem schwitzenden Publikum zu präsentieren. Die Songs der Jungs aus der Toskana werden vom Publikum kräftigst abgefeiert, was Frontmann Francesco Cavalieri ein ums andere Mal ein Lächeln abringt. Während die Band auf der Bühne ihrerseits zur Hochform aufläuft, verrichten die Grabenschlampen wiederum Höchstleistungen. Neben den Crowd-Surfern, die in Empfang genommen werden, gibt es immer wieder auch Wasser für die Fans vor der Bühne, die sich für die Erfrischung herzlich bedanken. Selten habe ich eine sympathischere Graben-Crew gesehen. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die ehrenamtlich tätigen Helfer! Chapeau!
MOONSPELL und LACUNA COIL: Gothic trifft Alternative
LEGION OF THE DAMNED betreten etwa zwanzig Minuten später als geplant die Bühne, da man Probleme mit dem Bandbus hatte, der kurz vor dem Flugplatz Ballenstedt die Flügel strecken musste. Die Band zeigt sich von den Vorkommnissen völlig unbeeindruckt und legt sehr zur Freude aller Anwesenden knallhart los. Nach knackig-kurzen 30 Minuten haben die Niederländer dann fertig und geben den Staffelstab unter anhaltendem Getöse aus dem Infield an MOONSPELL weiter, die es glücklicherweise rechtzeitig aus Portugal in den Harz geschafft haben. Shouter Fernando Ribeiro scheint seine gesundheitlichen Probleme überwunden zu haben und schwingt gut gelaunt den Mikrofonständer, seine Bandkollegen liefern ebenso ab und der Gothic Metal der Marke MOONSPELL kommt ausgesprochen gut an.
Danach aber ist es Zeit, Christina Scabbia und LACUNA COIL auf die Bühne zu bitten. Dass die Frontlady später am Abend nochmals mit Alea von SALTATIO MORTIS zu sehen sein wird, ist zu diesem Zeitpunkt den Fans noch nicht klar, doch dazu später mehr. Während Christina für die sanfteren Töne verantwortlich zeichnet, liefert Gesangspartner Andrea Ferro die gutturalen Passagen und ergänzt sich mit der Diva bestens. Die Band um Bassmann Marco Coti Zelati, Gitarrero Diego Cavallotti und Drummer Richard Meiz liefert tadellos und ohne Mätzchen den Sound, den Ferro und Scabbia für ihre Stimmen brauchen. Das passt perfekt in den Harz, was das Publikum mit Beifallsstürmen zum Ausdruck bringt und Christina Scabbia immer wieder selig strahlen lässt. Ein ganz starker Gig!
Weiter machen nebenan danach die Liverpooler CARCASS, die ihren Melodic Death Metal ins Publikum hämmern. Die Band ist eigentlich für schummrig ausgeleuchtete und eingenebelte Bühnen bekannt, muss heute aber im hellen Sonnenlicht Farbe bekennen und Gesicht zeigen, was den Mannen um Shouter Jeff Walker sichtlich Freude bereitet.
Schrecksekunde bei LIFE OF AGONY
Ein stimmiger Gig, der im Anschluss von LIFE OF AGONY nochmals getoppt wird. Während des ersten Songs bleibt den Fans fast das Herz stehen: Frontfrau Mina Caputo stürzt während einer Tanzeinlage im mittleren Teil der Bühne der Länge nach zu Boden, rappelt sich aber sofort wieder hoch und winkt zu Beruhigung aller Anwesenden locker in die Menge – puh, das hätte auch anders ausgehen können. Im weiteren Verlauf liefern die Amerikaner ihr Monumentalwerk „River Runs Dry“ in voller Länge und Schönheit ab, ein Konzeptalbum, das bis heute ein Meilenstein harter Rockmusik ist. Bleibt noch zu erwähnen, dass Caputo sich bei den zahlenden Fans, den Organisatoren, der Crew und den Fotografen für deren Einsatz bedankt. Habe ich in dieser Form auch noch nicht gehört.
Von „normalen Bürgern“ und „pinken Herren“
Als vor ein paar Monaten die Nachricht kam, dass LORD OF THE LOST Deutschland beim EUROVISION SONG CONTEST vertreten würden, ging ein Riss durch die Metalheads der Republik. Die einen feierten das Vorhaben, die anderen warfen der Band Verrat der metallischen Werte vor. Dass sich gewisse Randgruppen des rechten, politischen Spektrums bei dieser Veranstaltung nicht von LORD OF THE LOST vertreten lassen wollten, ging damals durch die Presse, der wohl gesetzte Konter des Frontmann Chris Harms auch:
An diesem Abend sind die „pinken Herren“ zurückgekehrt zu den Wurzeln ihres Schaffens. Der Ausflug in den Mainstream ist Geschichte, was LORD OF THE LOST eindeutig gut zu Gesicht steht. Harms und Co. werden ab der ersten Sekunde gefeiert, das Set gleicht einem Triumphzug durch die Hits der Bandgeschichte. Vor der Bühne gibt es kein Halten mehr, als die Band den ESC-Titel „Blood And Glitter“ zum Besten gibt. Ein tolles Konzert, das gerne länger hätte dauern dürfen.
SALTATIO MORTIS und Christina Scabbia: Gedenken an Dirk Lehberger
Bereits am frühen Nachmittag konnte man die Vorbereitungen des SALTATIO MORTIS-Spektakels beobachten. Ausfahrbare Flammenwerfer, dazu mächtig Vorrat an Gaskartuschen wurden von fleißigen Helfern in Stellung gebracht, um den Abend entsprechend auszuleuchten, sprich abzufackeln. Als Alea und sein Gefolge dann die Bühne betreten, ist es Anfangs zwar noch etwas hell, nach den ersten drei Songs gibt die Band aber sprichwörtlich Gas und die Feuertürme verrichten ihre Arbeit, das Crowd-Surfen ist zu diesem Zeitpunkt auf Bitte Aleas eingestellt, da zu gefährlich. Zu „Loki“ und „Heimdall“ wird ein Flammenmeer entfacht, das man in dieser Form wohl nur bei einer aktuell in Verruf geratenen Band besichtigen kann.
Großes Kino! Zudem erfüllen sich Alea und Christina Scabbia den lang gehegten Wunsch, ein Duett miteinander zu singen. „Dragonborn“ wird dem kürzlich verstorbenen Dirk Lehberger gewidmet, der seit mehr als zwanzig Jahren für das Booking des ROCKHARZ-Festivals verantwortlich war. Ein emotionaler Moment, der an die eigene Vergänglichkeit erinnert. Zum Finale gibt es den „Spielmannsschwur“ mit prächtigem Infield-Chor, den Abschluss gestalten Deichkind mit ihrem „Remmidemmi“ vom Band. Ein herausragendes Konzert.
Im Anschluss folgt der Dank der Veranstalter an die Fans und Mitwirkende des Jubiläumsfestivals. Neben dem Tod Dirk Lehbergers verstarb in der vergangenen Nacht zudem die Chefin des Catering-Unternehmens, die für das leibliche Wohl der Bands und Crewmitglieder verantwortlich war, bei einem Autounfall. Das nach dieser Bekanntmachung entfachte Lichtermeer verwandelt das Infield für mehrere Minuten in eine riesige Trauergemeinde, die geeint ist durch Musik.
AMON AMARTH als würdiger Headliner
Gegen diese Wand der Emotionen treten in der Folge AMON AMARTH an. Man merkt den Wikingern an, dass auch sie noch gezeichnet sind von den eindrucksvollen Minuten zuvor. Doch die Schweden geben nicht nur musikalisch, sondern auch in Sachen Pyro-Technik mächtig Gas und kokeln fast die Mützen der Grabenschlampen ab, die wieder in der ersten Reihe stehend die Crowd-Surfer empfangen. Das Best-Of Set der Band bietet einen Querschnitt durch die bisherigen Outputs der Melodic Death Metaller, der kaum Wünsche offenlässt. „Guardians Of Asgaard“ oder „Death In Fire“ beweisen die derzeitige Ausnahmestellung der Band in ihrem Segment, dazu gibt es Schwertkämpfe und eindrucksvoll inszenierte Einlagen diverser Schauspieler. Nach „Twilight Of The Thunder God“ ist Schluss, wobei der Titel noch minutenlang weiter gefeiert wird, als die Crew bereits die Instrumente weggepackt hat.
Zum Abschluss des Festivals gibt es ein Wiedersehen mit PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS, die die etwas undankbare Aufgabe, nach dem Headliner nochmals für Stimmung sorgen zu müssen, mit Bravour meistern. MOTÖRHEAD geht halt immer, zumal die Band an diesem Abend bestens aufgelegt agiert und das Infield nochmals zu Höchstleistungen motivieren kann. „Ace Of Spades“ und der krönende Abschluss mit „Overkill“ lassen keinen Zweifel daran aufkommen, wer der rechtmäßige Erbe des Lemmy Nachlasses ist.
FAZIT: Die Jubiläumsausgabe des ROCKHARZ ist Geschichte. 59 Bands auf zwei gleichwertigen Bühnen und der Chance für die Fans, alle Acts live zu erleben zeichnen ein Festival aus, das sich seit den Anfängen ständig wachsender Beliebtheit erfreut. Der familiäre Charakter ist auch mit steigenden Besucherzahlen nicht vor die Hunde gegangen und neben der tollen Location zu Füßen der Teufelsmauer besticht insbesondere auch die perfekte Organisation, an der es nichts zu kritisieren gibt. Für das kommende Jahr sind mit AMORPHIS, KREATOR, HAMMERFALL und THE HALO EFFECT bereits illustre Namen des Billings bekannt, weitere Headliner werden in den nächsten Wochen und Monaten verkündet.