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Interview mit EINVIGI (27.11.2021)

EINVIGI

Das aus dem finnischen Turku stammende Quartett EINVIGI hat mich mit seinem von mir ziemlich spät entdeckten Langspiel-Einstand "Sielulintu" positiv überrascht und aus den Socken gehauen. Wäre ich vorher gefragt worden, ob finnischer Hinterwäldler-Black-Metal und Blackgaze zusammen passen, dann hätte ich das wohl eher verneint, doch EINVIGI belehren uns eines Besseren und halten sich mit solcherlei Gedankenspielen gar nicht erst auf, sondern rocken munter drauflos - und zwar mit einer erfrischend positiven Ausstrahlung. Bandgründer Petteri Granberg nahm sich während der Aufnahmen zum zweiten Album Zeit, um uns sein Ensemble vorzustellen.

Hallo, schön, mit Dir schwätzen zu dürfen! Bis vor kurzem hatte ich noch nichts von EINVIGI gehört, aber seitdem ich Eurem Debütalbum "Sielulintu" gelauscht habe, bin ich von dessen positiver Kraft begeistert und es hat sich in kürzester Zeit zu einem meiner derzeitigen Lieblingsalben entwickelt. In Anbetracht des Niveaus der Arrangements und der Performance kann es sich dabei nicht um Eure erste Aufnahme als Musiker handeln, also stelle uns bitte Eure Band, ihre Wurzeln und Eure ursprünglichen Ideen vor, welche die Gründung von EINVIGI und die ersten Schritte inspiriert haben!

Petteri: Hallo und danke für die netten Worte zum Album! Mein Name ist Petteri Granberg und ich spiele Gitarre und bin bei EINVIGI für den Klargesang zuständig. Ich bin auch der Gründer der Band und verantwortlich für die Songs und Texte. Und ja, du hast Recht, es ist nicht das erste Mal, dass wir Musik machen. Als Band wurde EINVIGI 2014 gegründet und wir wollten uns langsam vorwärts bewegen und unseren eigenen Sound finden, und zwar ohne Eile.
Wenn ich meine eigenen Wurzeln als Songwriter betrachte, verzweigen sich diese in vier verschiedene Perioden: Die erste Phase war der melodische Death Metal, dann kam die Indierock/Postpunk/Emo-Phase und anschließend die Folk/Country-Phase. Obwohl ich all diese Genres mag, suchte ich immer noch meine eigene Stimme als Komponist. Dann begann ich mit Kapitel Nummer vier, EINVIGI. Ich wollte damit Musik verwirklichen, die meine eigenen künstlerischen Visionen widerspiegelt. Bis dahin hatte ich nur Gitarre gespielt, aber dann wurde mir klar, dass ich, wenn ich mich ausdrücken will, anfangen muss, zu singen, also habe ich damit begonnen. Ich wollte all die mir in der Musik bedeutsamen Dinge miteinander kombinieren. Dann hörte ich von Blackgaze und mir wurde klar, dass ich nicht der Einzige bin, der Riffs im Stil von Dimmu Borgir und Radiohead in denselben Song packen will. Ich schätze, das ist die Kurzversion einer langen Geschichte.
Unser Gitarrist Kride, Bassist und Growl-Sänger Joonas und ich kennen uns seit unseren Teenager-Tagen. Als wir EINVIGI gründeten, stand der handelsübliche Bandkram allerdings nicht an erster Stelle. Wir wollten vor allem unsere Freundschaft wiederbeleben, und eine Band zu gründen, ist immer eine gute Ausrede für eine solche Unternehmung.

Als Fanzine-Redakteur ertappe ich mich manchmal dabei, wie ich quasi automatisch beginne, Musik zu beschreiben, wenn ich sie höre, so dass ich später einfach die Worte abtippe, die sich beim Hören der Stücke, in diesem Fall von "Sielulintu", bereits formuliert haben. Spontan hörte ich mich so etwas sagen wie "das ist so finnisch wie Häive oder Tenhi, gemischt mit Black/Shoegaze, jedoch mit einem wirklich erhebenden Vibe". Lässt Du das als eine erste Beschreibung von EINVIGIs Sound durchgehen?

Ich denke, das ist eine gute Beschreibung dessen, was in unserer Musik passiert. Aber letztendlich steht es jedem frei, seine eigenen Wahrnehmungen zu formulieren. Ob wir es nun wollen oder nicht, die Melancholie liegt uns Finnen im Blut. In Finnland neigen wir dazu, Metal-Musik und wehmütige Folk-Musik zu mögen. Die aufmunternden Anteile stammen meiner Einschätzung nach aus dem britischen Indie-Rock und dem Post-Punk. Wenn wir EINVIGI mit anderen Metal-Bands vergleichen, hebt uns das vielleicht ein bisschen von ihnen ab.

Nun, ich weiß, dass Ihr gerade euer zweites Album aufgenommen habt und natürlich wollt Ihr die frohe Kunde darüber verbreiten, aber in Anbetracht der Tatsache, dass "Sielulintu" außerhalb Finnlands wahrscheinlich ziemlich unbekannt ist, erachte ich es einfach für zu stark und bereichernd und daher für würdig, zuerst darüber zu sprechen - und über Euer kommendes Album etwas später. Der Titel eures Debüts bedeutet übersetzt "Seelenvogel" - gibt es ein Konzept dahinter, das Du uns erklären magst?

Sielulintu (Seelenvogel) ist im alten finnischen Glauben der Lebensbringer bei der Geburt. Es ist bekannt, dass die Menschen neben aus Holz gebauten Seelenvögeln schliefen, damit ihre Seelen während des Schlafs geschützt waren. Das Konzept des Albums ist den Kämpfen gewidmet, die wir führen, und den unbekannten Kräften, die uns beschützen. Vielleicht versuchen wir, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob es ein Krafttier bzw. eine Kreatur gibt, das/die unseren Weg von der Geburt bis zum Tod begleitet.
Das erste Album ist eine Art Wanderung in der Natur und in alten Glaubensvorstellungen. Und wie du schon sagtest, haben wir gerade unser zweites Album aufgenommen und es wird uns von der Natur in die moderne Welt und zu den gegenwärtigen Problemen führen... Und das dritte Album... Okay, lassen wir das, aber ich kann sagen, dass sich eine Art Trilogie anbahnt, haha.

Es ist ein gängiger Ansatz im Metal, Elemente aus Mythen, dem Volksglauben und so weiter aufzugreifen und neu zu interpretieren. Manchmal geschieht das ohne tiefere Gedanken, aber ich vermute, dass es in Eurem Fall anders ist und dass Du in den alten Geschichten etwas Hilfreiches für die heutige Zeit finden kannst...?

Was mich persönlich betrifft, so habe ich mich schon immer für Folk interessiert. Ich glaube, das begann, als ich vor zwanzig Jahren die ersten Alben von Finntroll und Moonsorrow hörte. Wie ich bereits erwähnte, habe ich früher in einer Band akustische Folk-Musik gespielt, und es war eine wirklich schöne Zeit. Wir hatten einmal einen Auftritt auf dem estnischen Folkfestival Viru Folk. Wir hatten die Chance, neben legendären finnischen Bands wie Finntroll und Värttinä zu spielen. Ich erinnere mich noch, wie ein riesiger Sturm von Helsinki nach Käsmu zog, der kleinen Stadt, in der das Festival stattfand. Zur gleichen Zeit fand in Helsinki eine große Veranstaltung namens Flow Festival statt. Obwohl der Sturm das Flow Festival verwüstetete, löste er beim Viru Folk keine Panik aus. Ich erinnere mich daran, wie Värttinä auf der Bühne standen und zur gleichen Zeit Donner erschall und Regen auf das gesamte Festival-Publikum herabpeitschte. Das war pure Magie, wie die Pyrotechnik der Natur. Solche Erlebnisse erinnern uns daran, dass es die Natur und den alten Glauben noch gibt. Es liegt an einem selbst, ob man das wahrnehmen möchte oder nicht.

Wenn Du die Möglichkeit hättest, die Hörer an einen Ort Deiner Wahl einzuladen, um ihnen das beste Hörerlebnis von "Sielulintu" zu bieten, wohin würdest Du sie mitnehmen und aus welchem Grund?

Eigentlich sollte die "Sielulintu" Release Party in einem kleinen Theater hier in Turku stattfinden, doch sie ist ausgefallen, weil Covid alles vermasselt hat. Aber ich denke, ein kleines böhmisches Theater wäre der richtige Ort für diese Art von Hörerlebnis, wenn wir es so nennen wollen.

Einerseits klingt EINVIGI durch die Texte und den Klang der Sprache durch und durch finnisch, doch andererseits erfüllt Ihr nicht die Klischees von finnischen Metalheads, die in Melancholie oder Depression baden gehen, sondern es gibt, wie eingangs erwähnt, bemerkenswert positive Vibes in Eurer Musik, zumindest bis dato. Ist das eine bewusste Entscheidung, um sich von der Mehrheit der Metal-Bands aus eurem Land zu unterscheiden?

Grundsätzlich mag ich finnischen Metal, allerdings langweilt es mich auch ein wenig, dass es mehr oder weniger immer um diese endlose Dunkelheit und Traurigkeit geht. Ich möchte einfach nicht die Dunkelheit oder das Leid verherrlichen. Und ich denke, es sollte ein Gleichgewicht zwischen Dunkelheit und Licht geben. Beides ist also auf unserem Album vorhanden. Und das wird auch in Zukunft so sein.

Welche Lektion habt Ihr beim Komponieren und Aufnehmen von "Sielulintu" gelernt? Seid Ihr immer noch zufrieden mit dem Ergebnis?

Ja, wir sind absolut zufrieden! Unser Hauptziel war es, wie eine echte Band zu klingen, die sich aus echten Musikern mit ihren jeweiligen Fähigkeiten und Schwächen zusammensetzt. Wir wollten keine Fehler ausmerzen, nur um eine "perfekt" klingende Platte vorzuweisen, auf die niemand einen Scheiß geben würde. Wir haben nun unsere Lehren aus dem ersten Album gezogen, den Schlagzeuger gewechselt und ein Jahr lang geprobt, um eine bessere Band zu werden. Ich denke, EINVIGI ist jetzt bereit für 2022.

Wenn jemand, der Eure Musik noch nicht kennt, Dich bitten würde, EINVIGIs "Sielulintu" zu beschreiben, indem Du es zwischen zwei andere Alben stellst, welche würdest Du wählen?

Das ist eine wirklich schwierige Frage. Ich glaube, ich habe keine Antwort darauf. Aber wenn ich etwas auswählen müsste, würde ich sagen, es liegt zwischen Children of Bodoms "Hatebreeder" und Radioheads "Ok Computer", haha!

Gibt es sonst noch etwas, was Du für Musikliebhaber in Bezug auf Euer Debüt für erwähnenswert hältst?

Hört euch unser Album an und denkt daran, verschiedene Musikstile zu hören! Und unterstützt Eure Bands vor Ort!

Danke, dass Dur Dir die Zeit genommen hast - wir sprechen uns bald wieder!

Vielen Dank, es war mir ein Vergnügen.

Thor Joakimsson (Info)
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