Partner
Services
Statistiken
Wir
Interview mit Shawn James (10.08.2017)
"Hab keine Angst!"
Diesen Herren sollte man kennen(lernen). Shawn James, ob solo oder mit seiner Band THE SHAPESHIFTERS, macht starke, eindringliche und eigenwillige Musik, die verschiedenste Stile von Blues und Folk bis Metal miteinander zu einem sinnvollen Ganzen verbindet. Dass sich der Typ hinter der Musik mit denselben Attributen beschreiben lässt, liegt nahe.
Hi Shawn, ich hoffe, es geht Dir gut!
Könntest Du Dich bitte zunächst einmal vorstellen? Ich hoffe, Du findest das nicht respektlos, aber bei jemandem, dessen Band THE SHAPESHIFTERS (Formwandler) heißt und der so viel Individualität ausstrahlt, drängt sich die Frage förmlich auf.
Ich bin ein Liedermacher und Autor aus Chicago, Illinois.
Ich bin ziemlich besessen von Mythologie, Sagen und Legenden.
Ich liebe es, zu reisen und ich bin froh, dass meine Musik mir und meinen Freunden die Gelegenheit gibt, auf der ganzen Welt herumzukommen, neue Leute kennenzulernen und tolle Sachen zu erleben.
Dein letztes Solo-Album heißt „On The Shoulders Of Giants“. Welche Giganten sind das denn?
Ich beziehe mich da auf solche Giganten wie Son House, Robert Johnson, Blind Willie McTell, Howlin‘ Wolf und Muddy Waters.
Lass uns das nochmal machen: Das letzte Album, das Du mit den SHAPESHIFTERS aufgenommen hast, heißt „The Gospel According To Shawn James And The Shapeshifters“. Wie hast Du‘s mit der Religion, mit Spiritualität? Führt Madonnas „We are living in a material world and I‘m a material girl“ in eine Sackgasse?
Ich denke, dass Religion aus der Angst vor dem Unbekannten entsteht. Ihre Anhänger suchen Komfort und Stabilität, indem sie irgendwie definieren, wer wir sind und warum wir existieren. Sie brauchen das Gefühl, sie wüssten es.
Ich glaube, dass wir Menschen das niemals wirklich wissen oder verstehen können, aber ich denke schon, dass es möglich ist, dass es da noch etwas Größeres als uns gibt und möglicherweise irgendeine Form von Leben nach dem Tod. Ich versuche nur nicht, zu definieren, worum genau es sich dabei handelt. Ich akzeptiere das Unbekannte und mache das beste aus dem Leben, das ich habe.
Hast du eine besondere Beziehung zur Band EARTH? Ich habe nämlich in deinem Song „Delilah“ die Zeile „the bees made honey in the lions skull [...]“ gehört und gesehen, dass deine Bassdrum ein Motiv vom Cover dieses Albums ziert.
Absolut. Das ist mein Lieblingsalbum von EARTH und es hat mir geholfen, einen Haufen ähnlicher Musik zu entdecken. Man könnte wohl sagen, ich hatte eines Nachts ein „spirituelles Erlebnis“ mit diesem Album, in Kombination mit einer bestimmten Droge.
Während ich mich durch Deine zahlreichen YouTube-Videos geklickt habe, bin ich u.a. auf ein IRON MAIDEN-Cover gestoßen. Und wenn ich Dich aus vollem Halse singen/schreien höre, besonders mit den SHAPESHIFTERS, habe ich mir mehr als einmal gedacht, „der Typ würde in einer Metal-Band ordentlich Eindruck machen!“
Wo liegen also Deine musikalischen Wurzeln bzw. Visionen?
Ich bin im Süden Chicagos aufgewachsen und habe schon früh in Gospel-Kirchen gesungen. Meine Eltern haben mein Talent und meine Leidenschaft für das Singen entdeckt und mich auch im Chor und in der Oper untergebracht.
Aber nachdem ich in die High School gekommen bin, ist mir das immer mehr zuwider geworden und ich habe mich eher dem Hardcore und Punk zugewandt. In solchen Bands habe ich eine neue Art zu singen bzw. schreien kennengelernt.
In den folgenden Jahren habe ich mich in verschiedenen Metal-Bands herumgetrieben, bis ich mich dann entschlossen habe, mir eine Akustik-Gitarre zu kaufen und mich mehr mit Songwriting und Blues-/Folkmusik zu beschäftigen.
Meine Vision für die Zukunft mit den SHAPESHIFTERS ist, viel von der harten Musik, die ich so schätze, zu kombinieren und verschiedene Stile zusammenzubringen, um etwas Neues, Einzigartiges und Kraftvolles zu schaffen. Viele Bands bleiben an ihrem Genre hängen, sei es Doom, Stoner, Psychedelic, Metal, Hardcore, oder die verschiedenen Abstufungen. Ich will mir lieber von allem etwas nehmen.
Was mein Solo-Projekt anbelangt, so will ich auch in Zukunft emotionale, Geschichten-erzählende Musik machen und die Darbietungen, die dabei herauskommen, auf Alben einfangen.
Mir kommt es bisweilen so vor, als besännen sich Musiker heute mehr auf ihre musikalischen Vorfahren, als das noch vor 20 Jahren der Fall gewesen sein mag. Glaubst Du als jemand, der anscheinend tief in der amerikanischen Musiktradition verwurzelt ist, an Fortschritt in der Musik?
Ja. Ich denke, dass Musiker heutzutage mehr denn je genug haben, von der banalen, leblosen Popmusik, die schon so lang unters Volk geworfen wird. Sie wird natürlich nicht verschwinden, aber ich glaube wirklich, dass immer mehr Leute einen veränderten Blick auf Popmusik entwickeln und jetzt mehr denn je nach „realness and rawness“ in der Musik suchen.
Ich muss gestehen, richtig fasziniert hat mich Deine Musik zunächst weniger im Albumformat, sondern vielmehr, sie (aufgezeichneterweise) live zu sehen. Was ist für Dich die beste Art, Musik zu erleben bzw. zu spielen? Sind Alben für Dich nur eine Art „Appetithappen“ für das Live-Erlebnis oder eine ganz eigene Kunst- und Ausdrucksform?
Ich denke, dass ehrliche Live-Auftritte der beste Weg sind, um Musik zu erleben. An einem Album kann man bis zur Perfektion schrauben, aber dabei droht die Authentizität der Live-Performance auf der Strecke zu bleiben. Für mich sind Alben einfach eine komplett andere Ausdrucksform: Der kreative Prozess läuft ja auch ganz anders ab – außer es ist ein Live-Album.
Noch ein paar Fragen zu dem Thema: Es gibt ein paar tolle Videos, in denen Du Songs live im Freien spielst, am hervorstechendsten wohl: Im Schnee mit heulenden Wölfen im Hintergrund. Fühlst Du Dich eingeschränkt dadurch, wie Konzerte normalerweise sehr standardisiert bzw. ritualisiert ablaufen? Sollte es mehr Gigs im Wald oder in Zügen oder wo auch immer geben?
Das ist eine interessante Sichtweise – ja, ich finde, es sollte mehr einzigartige Möglichkeiten geben, Live-Musik zu erleben. Das ewig gleiche alte Konzert-Ritual fühlt sich manchmal schon etwas schal an.
Im Promotext wird ziemlich breitgetreten, wie viele Hörer/Zuschauer Du auf Spotify/YouTube/etc. hast. Ist das wichtig für Dich? Ziehst Du aus diesem Zahlen eine gewisse Befriedigung oder Bestätigung, dass Du das Richtige tust?
Nein, das ist mir wirklich nicht wichtig. Ich sehe darin nur einen Weg, mehr Leute zu erreichen und zu sehen, welche Songs die Leute am liebsten hören.
Und einige meiner persönlichen Lieblingssongs sind gerade die unbeliebtesten. Ich habe sie geschrieben, weil ich sie einfach schreiben musste und nicht, um Bestätigung von außen zu bekommen.
Eher profan: Werden Deine Alben in nächster Zeit in Deutschland bzw. Europa „physisch erhältlich“ sein?
In der Tat, sie werden noch diesen Herbst veröffentlicht werden!
Was war das letzte Buch und/oder Album, das Dich richtig umgehauen hat?
Das Buch wäre „The Discoverers: A History of Man‘s Search to Know His World and Himself“ von Daniel J. Boorstin.
Das Album wäre „Live at the Austin Outhouse“ von Blaze Foley.
Willst Du noch irgendetwas loswerden (ich kann immer einen guten Rat gebrauchen)?
Hab keine Angst, Deine Lebensziele zu verfolgen. Entwickle Dich in verschiedene Richtungen. Verbinde Elemente aus allen Dingen, die Dir wichtig sind, um etwas Neues zu schaffen und Du wirst viele Menschen damit inspirieren.
Danke für Deine Zeit und Deine Musik!