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John J. Presley: Chaos & Calypso (Review)

Artist:

John J. Presley

John J. Presley: Chaos & Calypso
Album:

Chaos & Calypso

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Singer/Songwriter, Americana, Folk, Dark Wave

Label: God Unknown Records
Spieldauer: 31:12
Erschienen: 08.03.2024
Website: [Link]

Auf dem Papier geht JOHN J. PRESLEY noch als „Britischer Blueser“ durch. Das aber eigentlich nur, weil er gewiss den Blues kennt und hat – und nicht, weil er sich musikalisch alleine an den Vorgaben und Formalismen des Genres orientiert. Während PRESLEY sich zwar in seinen Lyrics an den biblisch überfrachteten Symbolen der düsteren Blues-Aspekte mit Songtiteln wie „Silhouettes“, „Sinnerman“ oder „Into The Fire“ als Prediger des Gospels according to JOHN J. delektiert, orientiert sich sein musikalisches Seelenheil an ganz anderen Aspekten als der sprichwörtlichen Blue Note, die etwa in den 60ern zu einer europäischen Variation der klassischen, elektrischen Blues-Musik führte.

Das hat mit PRESLEYs wechselvoller Geschichte als Musiker zu tun, die ihn schon ab Mitte des letzten Jahrzehnts mit Musikern wie DUKE GARWOOD, ED HARCOURT, THE SMOKE FAIRIES, JIM SCLAVUNOUS, MARK LANEGAN, NADINE SHAH, PHIL SELWAY oder den BLOOD RED SHOES zusammenführte, mit denen bzw. für die er dann auch immer wieder arbeitete. JOHN J. PRESLEY hat seine Basis zudem in Brighton und ist dortselbst einer der zahlreichen Nachbarn von LAURA-MARY CARTER von den BLOOD RED SHOES – die dann auch auf seinem nunmehr zweiten Album (etwa bei dem Song „Sinnerman“) als Gast-Sängerin dabei ist.

Will meinen: All das wirkt sich dann auch auf JOHN J. PRESLEYs eigene Musik aus. Schon der Guardian merkte bezüglich seines Debüts „As The Night Draws In“ an, dass die Musik eigentlich zwischen Mississippi Blues und Postrock angesiedelt sei. Auf dem zweiten Album kommt nun noch eine Menge mehr hinzu. So spielte er dieses Mal nicht nur Gitarre, Bass und (psychedelisch verdrehte) Pedal Steel Gitarre, sondern experimentierte mit Drumcomputern, Electronics und Synthies; vor allen Dingen aber einem brachialen, übermächtigen, boxen-sprengenden produktionstechnischen Overdrive-Effekt auf Gitarre und Bass, mittels dessen er Tracks wie „Delicate Thread“ oder „The Sequel“ zu regelrecht apokalyptisch anmutenden Kakophonien verdichtet.

Andere Tracks, wie „Gold“, „Those Three Words“ oder „Into The Fire“, köcheln hingegen eher unterschwellig, aber durchaus bedrohlich, hypnotisch und konsequent vor sich hin. Für jede Menge gutturaler Intensität und eine solide Prise Dystopie ist aber immer Platz. Das wird besonders deutlich bei Songs wie „Silhouettes“ oder „Sea Of Deserters“, die der Saxophonist TERRY EDWARDS (den man von seinen Arbeiten für PJ HARVEY kennt) mit seinen dezidiert ekstatisch angelegten Beiträgen in Richtung des Abgrundes lenkt.

Inhaltlich wird das Ganze dadurch unterlegt, dass Presley das Album „Chaos & Calypso“ als musikalisches Tagebuch konzipierte, „das eine Zeit der Krankheit, der Schwindelanfälle und Fehldiagnosen widerspiegelt“. Diese Krankheit erklärt dann auch die vergleichsweise lange Pause seit der Veröffentlichung seines Debüt-Albums im Jahre 2019 – und wohl auch den abrasiven Sound des ganzen Projektes, denn alleine der Blues reichte JOHN J. PRESLEY offensichtlich nicht mehr, um seine Dämonen im Zaum zu halten. Der Schaden des Zuhörers sollte das nicht sein, denn „Chaos & Calypso“ ist als Hörerlebnis deutlich expansiver und immersiver als noch das deutlich linearer angelegte Debüt-Album „As The Night Draws In“.

FAZIT: Wenngleich die Basis für JOHN J. PRESLEYs tun zwar nach wie vor eine Art von Blues-Feeling sein mag, so geht der Mann aus Brighton sein zweites Album doch eher mit einem Mindset an, wie ihn etwa MICHAEL J. SHEEHEY, 16 HORSEPOWER, THE KILLS, THE BAD SEEDS, HUGO RACE oder GALLON DRUNK pflegen und empfiehlt sich in diesem Sinne als veritable Ergänzung auf dem Gebiet des brachialen Post-Rock- und Kaptunik-(Blues)-Sounds.

PS I: Auch bei diesem Album sollte man noch ein paar Worte zur LP-Ausgabe des Albums verlieren, die sich durch eine sehr gelungene Gestaltung und einen großartigen Klang – ja, ein wahres vinyles Klangspektakel – auszeichnet. Und immerhin: Wer einen Presley im Namen trägt (gehört definitiv auf Vinyl, aber) muss wirklich nicht gleich wie dieser 'King' klingen – das ist schonmal die erste Erkenntnis, die man nach dem Hören der finsteren Musiklandschaften erlangt, welche JOHN J. PRESLEY für seine Hörer unerbittlich anhäuft. Das allein genügt dem in Brighton ansässigen singenden Multiinstrumentalisten längst nicht, denn er zimmert auf „Chaos & Calypso“ regelrecht hypnotische Hymnen, die sich selbstzerstörerisch immer wieder in eruptiver Klanggewalt auflösen und dabei dem neugierigen Lauscher kaum eine Chance einräumen, sich diesen zu entziehen oder dem einen oder anderen Schockmoment zu entfliehen. So was kennt man bereits von einem NICK CAVE, der gerne auch mal seine GRINDERMANsche Härte grüßen lässt – und genau sowas lernt man auch hinter „Chaos und Calypso“, ein Album, das von Anfang an extrem dunkel und bedrückend erscheint und ähnlich schwarz wie die zwei Rillen ist, auf die es gepresst wurde. Diesen Eindruck erhält es unerbittlich bis zum (bitteren) Ende aufrecht. Also ideal für den Vinyl-Genuss, wofür man gerne noch einen Punkt drauflegen kann.

PS II: Und für alle, die nach diesen zwei umfangreichen Ausführungen neugierig geworden sind, hier noch die Tourdaten für JOHN J. PRESLEYs vier Deutschland-Konzerte, die am Sonntag starten:
10. März Blue Shell, Köln
11. März Backstage Club, München
12. März Privatclub, Berlin
13. März Nochtwache, Hamburg

Ullrich Maurer (Info) (Review 1616x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • Seite A (14:14):
  • Silhouettes (3:06)
  • Sinnerman (3:44)
  • Sea Of Deserters (2:24)
  • Gold (3:11)
  • Those Three Words (1:49)
  • Seite B (16:58):
  • Delicate Thread (Blue Eyes) (4:26)
  • The Sequel (2:48)
  • Hold The Ties (4:24)
  • Into The Fire (5:20)

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