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Ron Gallo: Foreground Music (Review)

Artist:

Ron Gallo

Ron Gallo: Foreground Music
Album:

Foreground Music

Medium: CD/Download/LP farbig
Stil:

Indie, Punk, Garage Rock, Foreground Music

Label: New West/Rough Trade
Spieldauer: 34:37
Erschienen: 03.03.2023
Website: [Link]

Eins muss man RON GALLO lassen: Wenn er das Chaos vertont, dann bitte richtig. Extreme Texte dürfen bei ihm auf extreme stilistische Musikwandel treffen, damit der Hörer kaum eine Chance hat, sich auch nur ansatzweise orientieren zu können. Trotzdem aber fühlt sich jeder Freigeist mit diesem Album in Orange – sogar das Vinyl kommt in der gleichen Farbe wie das LP-Cover daher – sofort wohl und heimisch. Denn leben wir nicht in chaotischen Zeiten und versuchen diese zu verstehen oder wenigstens irgendwie auf die Reihe zu kriegen?
Mit „Foreground Music“, seinem sechsten Album, steuert Gallo, der seltsame Psyche-Punk aus New Jersey, nun den idealen Soundtrack auf der Suche nach Orientierung im totalen Durcheinander bei.

Schon der Album-Opener mit „Entitled Man“ lässt einen erschrocken aufhorchen. Krachig-knarzender Punk der selbst einer Sex-Pistole wie Johnny Rotten erst einen Tritt in den Arsch und dann ins dicke Gemächt verpasst.

Allerdings gibt es hier besonders für das starke Geschlecht eine Backpfeife nach der anderen, wenn man versucht, den Texten zu folgen, die Gallo mal gesungen, mal geschrien, mal gesprochen, mal verhallt vorträgt und damit seinen Frust ablässt über Narzissmus, Rechtsradikale und Fremdenfeindlichkeit, kapitalistischen Größenwahn oder die Gentrefizierung und Klimaleugner, denen ihr eigener Arsch näher ist als die Luft zum Atmen. Nichts scheint von ihm auf „Foreground Music“ verschont zu bleiben.

Oder betrachten wir das Doppel-LP-große Einlegeblatt mit allen Texten auf der einen und einem Poster von ihm auf der anderen Seite etwas genauer. Denn hier sieht man den guten Ron stehen. Mit einer Wuschelfrisur im Afrolook, den Betrachter fragend anblickend und einer Denkblase, in der zu lesen steht: „Sollte ich mir die Haare abschneiden lassen oder gleich den ganzen Kopf?“
Ist das nun Sinn für Humor oder absolute 'Makaberei' im besten Monty-Python-Style?
Hört man das brachiale „At Least I'm Dancing“ könnte man sich der Vermutung hingeben, dass er sich für den Kopf entscheidet…

...Oder der Titelsong, eine unerbittliche Lebensfrage eingedampft in triefenden Sarkasmus: „Will I die if I don't make this deadline?“
Danach kommt die Zeile aus der Denkblase des Posters.
Und so steht die Gallo-Erläuterung gerade zu diesem Song fast exemplarisch für das gesamte Album, dem dieser seinen Titel verleiht: „Dieser Song ist ein Strom über die große Vielfalt von Ängsten, die das heutige Leben bestimmen. Eine Ode an all die 3 Uhr morgens, an denen ich in Panik aufgewacht bin – vom Ende der Welt bis zum Bedauern über alles, was ich in meinem Leben je gesagt oder gemacht habe. Vielleicht stimmt etwas mit mir nicht oder es ist ein Amerika-spezifisches Problem, aber wie kann man in diesem Moment am Leben sein, ohne Angst zu haben? Dieser Song kommt vielleicht dem am nächsten, was in meinem Kopf vorgeht – lachend durch die Krise – daher denke ich, dass er ein guter Name für das Genre der Musik ist, die ich mache.“

Und während man sich noch Gedanken um das geistige und allgemeine Wohlbefinden des Musikers macht, schiebt er als Abschluss der LP-A-Seite plötzlich mit „Yucca Valley Marshalls“ ein herrlich entspanntes Stück mit Hitpotenzial hinterher, das so ähnlich auch ein Mr. Wilson für die BEACH BOYS hätte schreiben können.

Ähnlich wohlgestimmt beginnt auch der erste Teil von „San Bendetto“ als LP-B-Seiten-Opener, der aber mitten im Stück regelrecht mit scharfkantigen Gitarren und verzerrten Klängen zerschreddert wird.
Wie geil ist das denn?
Und Punk ist das nicht, oh nein, das ist geile Indie-Mucke im Experimentier- und Provozier-Modus.

Mit „Big Truck Energy“ schleicht sich sogar eine Art von Ballade durch die sentimentale Hintertür ein, die sich langsam zur Hymne erhebt, aber trotzdem immer wieder ein paar kakophonische Momente verpasst bekommt, um trotz all dem Schönklang festzustellen „I Don't feel better now!“

Ein schönes Ende für eine Review.
Denn nach dem Hören von „Foreground Music“ und diesen chaotischen Klangräumen, zu denen RON GALLO uns eine Tür nach der anderen aufstößt, fühlen wir uns besser. Manchmal sogar verstanden mit unseren Ängsten und unserer Wut. Musik ist das beste Ventil dafür. Genau solche Musik, wie sie uns RON GALLO auf „Foreground Music“ präsentiert, weil wir uns danach garantiert für einen Haarschnitt statt für ein „Kopf ab!“ entscheiden.

FAZIT: Wenn ein Album, das dem Chaos dieser Welt und Zeit recht chaotische Musik entgegensetzt, am Ende uns aber mit einer wunderschönen ruhigen Nummer aus dieser „Foreground Music“ entlässt, dann hat RON GALLO ein musikalisches Gespür bewiesen, welches einen genauso zu fesseln wie abzustoßen versteht. Er macht es uns nicht leicht, dieser punkige Typ aus New Jersey, der eigentlich alles zwischen Punk in der Garage bis Pop im Schlafzimmer kann und einem dabei Texte um die Ohren haut, die sich gewaschen haben, weil sie den Dreck dieser Zeit aufs Korn nehmen.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 1692x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
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Tracklist:
  • Seite A (16:16):
  • Entitled Man (2:25)
  • Foreground Music (3:11)
  • At Least I'm Dancing (2:53)
  • Vanity March (4:04)
  • Yucca Valley Marshalls (3:43)
  • Seite B (18:21):
  • San Benedetto (3:06)
  • Can My Flowers Even Grow Here? (3:23)
  • Big Truck Energy (3:56)
  • Live Is A Privilege? (Interlude) (1:29)
  • Anything But This (2:43)
  • I Love Someone Burried Deep Inside Of You (3:44)

Besetzung:

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