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Dissidenten & Lem Chaheb: Sahara Elektrik (1984) - Remastertes Vinyl (Review)

Artist:

Dissidenten & Lem Chaheb

Dissidenten & Lem Chaheb: Sahara Elektrik (1984) - Remastertes Vinyl
Album:

Sahara Elektrik (1984) - Remastertes Vinyl

Medium: LP/Remaster
Stil:

Weltmusik, Pop, Ethno

Label: Exil/Indigo
Spieldauer: 42:42
Erschienen: 25.11.2022
Website: [Link]

Folgen wir einfach mal der Bezeichnung des 'Rolling Stones' – denn die müssen's als weltweit größte Musikzeitschrift ja wissen – zu den DISSIDENTEN, dann sind die aus der Band EMBRYO entstandenen Krautrocker die 'Godfathers Of World Beat', während allerdings die New York Times mit einer neuerlichen Begrifflichkeit nachzieht und sie als 'die wahren Paten des Ethno-Beats' bezeichnet.

Klingt alles echt gut und trägt viel Wahrheit in sich, selbst wenn man sich mit solchen göttlichen Überhöhungen ein wenig zurückhalten sollte. Denn eigentlich sind die aus der großartigen 1969 gegründeten 'Baby-Band', welche schon damals einen grandiosen krautigen Stil in Kombination aus Jazz-Rock und Weltmusik zum Besten gaben, um sich dann als EMBRYO'S DISSIDENTEN Richtung Asien/Afrika zu begeben, wo sie sich noch stärker der Weltmusik zu- sowie vom Jazz-Rock abwandten, musikalisch 'unbequem Andersdenkenden' (Nimmt man ihren Bandnamen mal wörtlich!) entstanden, um eine unglaublich faszinierende Musikmischung aus Worldmusic plus Ethno-Beat und Krautrock sowie Art Pop zu kreieren, die tatsächlich einzigartig ist. Oder um es mit ihren eigenen, auf der italienischen Erstausgabe „Sahara Elektrik“ auf dem Frontcover veröffentlichten Genre-Bezeichnung auszudrücken, eine 'WORLDBEAT-Ethno-Pop'-Band!

Warum man genau diesen bezeichnenden Schriftzug auf der remasterten 2022er-Vinyl-Neuausgabe dieses richtungsweisenden Ethno-Pop-Albums deutscher Herkunft verschwinden ließ (dafür aber korrekt um & LEM CHAHEB ergänzte) und stattdessen durch eine insgesamt mehr ins rötlich tendierende Farbgebung des anspruchsvollen Gatefoldcovers ersetzte, erscheint anfangs doch recht seltsam. Auch wurde das Motiv im Inneren des Klappcovers ausgetauscht, indem man nunmehr einen kurzen Begleittext und viele Schwarz-Weiß-Fotos statt des Wüstenbildes mit Kamel und Menschen einfügte. Noch seltsamer wird es, wenn man die Angaben der ursprünglich 1982 veröffentlichten LP mit der Neu-Ausgabe vergleicht, da diese anscheinend einen Songs weniger enthält. Trotzdem sind die Aufnahmen identisch, nur dass man wohl beim Remastern den letzten Song der LP-A-Seite noch einmal unterteilte und ihm den den Titel „Shadows Go Arab Intro“ verlieh.

Trotzdem ändert das nichts an der Tatsache, dass die DISSIDENTEN auf ihrem 1984 – im Jahr als alles vom New Wave und der NDW überflutet wurde – veröffentlichten Album so etwa gegen jede Musik-Strömung, die vor nunmehr 40 Jahren extrem angesagt war, steuerten. Regelrecht frech klang das, wie die Jungs, statt auf der Neuen Deutschen Welle mitzureiten, auf marokkanische Weltmusik setzten, der sie einerseits einen ordentlichen Drive und andererseits ein herrliches Pop-Appeal verpassten, das sich damals wirklich in keinerlei Schublade pressen ließ, allerdings durch die Mitwirkung von LEM CHAHEB, die vor allem Percussion-Instrumente und Gesänge beisteuerten, stark an der marokkanischen Tribal Music orientierte und gleich mit dem Album-Opener „Inshalla – Kif Kif“ allen deutschen und europäischen Ohren klarmachte: Sowas habt ihr noch nicht gehört!

„Sahara Elektrik“ entstand aus der Zusammenarbeit zwischen den DISSIDENTEN und LEM CHAHEB (die auf der ursprünglichen LP bei den Angaben auf dem LP-Cover tatsächlich ziemlich unterschlagen wurden), einer Band, die damals schon in ihrer nordafrikanischen Heimat als Vorreiter des Ethno-Pop galten. So vereinte sich auf dem Album der Orient mit der Westlichen Welt und schuf eine gänzlich neue Pop-Musik, welche auf ihre Art die ganze Welt zu umarmen versuchte und beispielsweise den spanischen Journalisten Jose Miguel Lopez von 'Radio Nacional de Espana', der auch im Cover-Inneren der LP-Neuausgabe zitiert wird, in Begeisterungsstürme versetzte und ihr gar eine religiöse Dimension verlieh: „'Sahara Elektrik' ist die Bibel oder der Koran der Weltmusik und markiert die Geburtsstunde des Genres. Das außergewöhnliche, Anfang der 1980er in Tanger, Casablaca und Berlin produzierte Werk gilt bis heute weltweit als musikalischer Meilenstein.“

Übrigens erhielt gerade dieses Album – es ist auch wirklich eines der besten von den über 30 DISSIDENTEN-Alben – eine immense Aufmerksamkeit, als sich die Radio-Legende JOHN PEEL entschied, es im BBC-Radio zu spielen und selber absolut verblüfft nur feststellen konnte, dass solch eine Weltmusik-Ethno-Band doch tatsächlich aus Berlin kam.

Einmal nur dieses hypnotisch anmutende Album zu hören reicht im Grunde schon aus, um sich von diesen mitreißenden Klängen gefangen nehmen zu lassen und sich mit einer ähnlichen Verblüffung wie der von John Peel zu fragen, was für ein unglaublich farbenfrohes Musik-Gewächs diese elektrische Sahara hervorbringt. Zum Glück ist dieses grandiose Musikerlebnis nicht nur eine „Fata Morgana“ für die Ohren, sondern eine rundum faszinierende Sache.

FAZIT: Wenn Welt- und Ethno-Rhythmen auf Popmusik-Klänge treffen und sofort in den Kopf, den Bauch und die Füße gehen, dann sind die DISSIDENTEN gemeinsamen mit den marokkanischen Musikern von LEM CHAHEB auf ihrem musikalischen Ausflug in Richtung elektrifizierte Wüste nicht weit. Oder um es mit den absolut passenden Worten des britischen Journalisten Michael Hann vom 'Guardian' auszudrücken: „'Sahara Elektrik' fühlt sich wie eine Erkundung eines imaginären Nordafrikas an, in dem unglaubliche Aufregung und unberührte Schönheit nebeneinander existieren. Wenn ich einen Vergleich anstellen sollte, dann nicht mit einer anderen Platte, sondern mit den Indiana-Jones-Filmen - es ist nicht real, und es ist gut, dass es nicht real ist, aber stell dir vor, die Welt wäre wirklich so! Besucht die Welt der Dissidenten: Sie macht süchtig.“

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2613x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • Seite A (20:48):
  • Inshallah (6:54)
  • Fata Morgana (6:46)
  • El Mounadi (6:22)
  • Shadows Go Arab Intro (0:46)
  • Seite B (21:54):
  • Sahara Elektrik (11:26)
  • Casablanca – Wacha Wacha (10:28)

Besetzung:

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