Mit ATHANASIA lebt Caleb Bingham, der ehemalige Gitarrist der Groove-Metal-Superstars Five Finger Death Punch, gemeinsam mit Jason West, dem früheren Schlagzeuger von Murderdolls und Wednesday 13 eine Leidenschaft für europäischen Melodic und skandinavischen Death Metal aus. Als Projekt existiert die Band bereits seit 2004 (mehrere Jahre unter dem Namen Ascension), doch Anfang dieses Jahrzehnts gab Binghams vorübergehende Mitgliedschaft bei den schwedischen Hypocrisy-Schützlingen Zonaria den Ausschlag dafür, Nägel mit Köpfen zu machen und ein erstes Album in Angriff zu nehmen.

Darauf schneidet das mit dem Bassisten Brandon Miller vervollständigte Trio nahezu alle zeitgenössischen Strömungen an, die weite Teile der Szene ansprechen. “The Order Of The Silver Compass” ist ein auf allen Ebenen unheimlich abgeklärt in Szene gesetztes Debüt, druckvoll wie glatt produziert, souverän nach mehr oder weniger offensichtlichen Vorbildern geschrieben und sowohl mit virtuosen Qualitäten als auch aufrichtiger Spielfreude aufgenommen.

In praktisch jedem Track verschmelzen ATHANASIA klassischen Heavy Metal, mit mal mehr Death und mal mehr Black Metal. Der Opener 'Read Between The Lines ist ein recht zurückhaltender Beginn, gerade für einen in seinem bisherigen Umfeld grell schillernden Musiker wie Caleb, punktet aber mit sofort zündendem Refrain, der natürlich im Gegensatz zu den Strophen mit klarer Stimme vorgetragen wird. Nach diesem Prinzip sind im Grunde auch alle anderen Tracks gestrickt, ohne dass die Scheibe allzu vorhersehbar oder gar dröge würde.

Das schreitende Spoils Of War' hat einen leisen Nineties-Goth-Metal-Einschlag, der rasante Titelsong und die brutale Backpfeife 'Mechanized Assault' könnten auch von den mittleren Behemoth oder Hate stammen, und 'Nightmare Sound' kommt dem traditionellen Death Metal am nächste, auch wenn es klanglich genauso blitzsauber und fett in Szene gesetzt wurde wie der ganze Rest. Lediglich 'Cyclops Lord (My Will Is Done)' missfällt ein wenig, weil sich der Dreier hier zu dreist bei jüngeren Dark Tranquillity bedient und augenscheinlich einen Hit konstruieren wollte. Dabei hat es doch schon genug potenzielle andere in der Hinterhand.

FAZIT: “The Order Of The Silver Compass” ist dazu bestimmt, bei angemessener Promotion ein Erfolg im Metal-Mainstream zu werden. ATHANASIA fehlt zwar ein wirklich individuelles Profil, doch ihre in jeder Hinsicht edle, leicht theatralische Musik und Ästhetik spricht definitiv die Wacken-Masse an. Diesem Schreiber und Hörer ist das Ganze aber einen Tick zu unpersönlich.