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Octopus: Hart Am Rand (Re-Release) (Review)

Artist:

Octopus

Octopus: Hart Am Rand (Re-Release)
Album:

Hart Am Rand (Re-Release)

Medium: CD
Stil:

Krautrock-zu-NDW-Mutation

Label: Sireena Records
Spieldauer: 50:19
Erschienen: 10.06.2011
Website: [Link]

Damit wäre die Sammlung dann wohl komplett. Mit „Hart Am Rand“ veröffentlichen Sireena Records das vierte und letzte Album der deutschen Krautrock-Gruppierung OCTOPUS, die zwei Alben lang („The Boat Of Thoughts“, 1977, „An Ocean Of Rocks“, 1978) ihrem künstlerischen Anspruch freies Geleit gewährten, bevor mit „Rubber Angel“ (1980) die Kehrtwende ins Kommerzielle erfolgte. „Hart Am Rand“ (1981), das mit seinem Cover immerhin bayrische Katholiken in Aufruhr versetzte und ein einjähriges Auftrittsverbot provozierte, setzt hier neue Maßstäbe: Die Anbiederung an die Neue Deutsche Welle, die gerade den Sprung in den Mainstream geschafft hatte, steht jedem der schrecklich albernen Songs ins Antlitz geschrieben.

Der Komplettierungswahn, allenfalls noch ein nostalgischer Drang, bleibt somit die einzige Daseinsberechtigung für das vorliegende Re-Release. Dennoch ein Kompliment an das Label: Es beweist nicht nur Durchhaltevermögen, sondern erweist dem Album mit dem Abdruck eines neutral geschriebenen Booklet-Hintergrundtextes des Frankfurter Musikjournalisten Detlef Kinsler die dringend notwendige historische Distanz. Zumal auch die Songtexte abgedruckt sind und der Klang der CD angenehm klar ist, kann an der Veröffentlichung kaum gemeckert werden.

Um so mehr dagegen am Album selbst, das anno 2011 als Neuentdeckung wohl nicht mehr viele Durchläufe überstehen wird. Der Fortgang von Sängerin Jenny Hensel wurde durch Michael Stein ersetzt, der eine Mixtur aus Marius Müller-Westernhagen und Falco zum Besten gibt. Aufgesetzt rockröhrend in der Breite, quietschig-hoch im Abgang, dazu immer wieder künstliche Abstopper („…und meine Hände sind nass, und mein Atem stockt – ockt – ockt“) – ein Traum. Insbesondere, wenn man bedenkt, WAS gesungen wird: Zwölfjährigen-Emotionsbeschreibung meets Party- und Drogenrock. Spätestens hier rentiert sich der Abdruck der Songtexte, denn ohne diese kleine Lesehilfe würde man kaum glauben, was man da hört.

Der Gimmickhaftigkeit des Gesangs gesellt sich auch die Instrumentierung hinzu, die gleich mit einem extrem käsigen Jackson-Five-Gedächtniseffekt eingeleitet wird. Ohnehin schreit die ganze Platte ihre Trendgerichtetheit aus allen Boxen. Einzelne Momente potenzieller Originalität liegen verborgen unter Bergen von Twist-, Rock’n’Roll- und Hard-Rock-Schablonen aus dem Do-It-Yourself-Katalog. Seinen Höhepunkt erlebt der Ruf an die Massen auf „Police lässt grüßen“, einer Reggae-durchtränkten THE POLICE-Ehrdarbietung, die mindestens ebenso behämmert wie offensichtlich ist. Mitunter ist die Vorgehensweise von OCTOPUS natürlich dann wieder so offensiv, dass man es beinahe als ironischen Kommentar zur Neuen Deutschen Welle verstehen könnte, insbesondere angesichts des radikalen Soundwandels – Kinslers Bericht lässt jedoch eher darauf deuten, dass es schlicht und ergreifend um den Spaß ging. Zu Lasten der mit den Jahren sicher nur noch unerträglicher gewordenen Musik.

FAZIT: Kleine Kostprobe gefällig? „Links im Wagen – sitzt ne Hexe! – Das beste wär – man versteckt se! Und rechts daneben – sitzt `n Typ mit Gebiss. Mein Freund und ich – wir gruseln uns ganz fürchterlich!“ – Nur eine von unzähligen Beispielen allerfeinster Geschmacksverirrung. „Hart Am Rand“ – eines dieser Alben, bei denen man am liebsten eine Zeitmaschine bauen, in die Vergangenheit reisen, die 80er-Jahre-Menschen alle einzeln am Kragen packen und schreien möchte: „Was denkt ihr euch bloß dabei?!?“

Sascha Ganser (Info) (Review 7115x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
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  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Wertung: 2 von 15 Punkten [?]
2 Punkte
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Tracklist:
  • Mitternacht
  • Monster In Der Geisterbahn
  • Bastard
  • Hart Am Rand
  • Police Lässt Grüßen
  • Nase Voll
  • Ich Hör Stimmen
  • Verfolgungsjagd Im Entlüftungsschacht
  • Sie Hieß Phyllis
  • Road To Road
  • Land In Sicht (Bonus Track)
  • Monster In Der Geisterbahn (Maxi Version) (Bonus Track)

Besetzung:

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  • keine Interviews
Kommentare
Thoralf Koß (musikreviews.de)
gepostet am: 19.06.2011

User-Wertung:
2 Punkte

Großartige Kritik, Sascha, besonders weil du auch mal darauf eingehst, dass Texte UND Musik wichtig sind! Und wenn ein Band glaubt, poetisch jede Kotzgrenze überschreiten zu dürfen, ohne dafür radikal abgestraft zu werden, dann hast du erst einmal bewiesen, dass ein guter Kritiker sich mit dem Gesamtwerk, aber nicht nur den Tönen beschäftigt.
Große Klasse!
Jochen [musikreviews.de]
gepostet am: 19.06.2011

User-Wertung:
3 Punkte

Eine kleine Verteidigung: Sowas wie "Hart am Rand" hat in den 80ern keiner gehört... Deshalb sind die ganzen Krautrock-Bands, die auf den NDW-Zug aufgesprungen sind, so gnadenlos - und zurecht - gescheitert. Das konnten andere - wenn auch nicht immer gut - so doch besser. Und zu "Eisbär", "Fred vom Jupiter" und "Wissenswertes über erlangen", bzw. "Eine Königin mit Rädern unten dran" stehe ich immer noch. Dass so ein Schmonzes wie "Hart am Rand" heute noch eine Chance erhält liegt m.E. tatsächlich am Nostalgiefaktor, der selbst die Gräuel der Vergangenheit noch verklärt. In anderen Kritiken nachzulesen. Glücklicherweise bist du da frei von... Aber dass du Hubert Kah und "Sternenhimmerl" nicht kennst, kann ich nicht glauben ;-)
Sascha G. [Musikreviews.de]
gepostet am: 19.06.2011

Dass es in dem Bereich Besseres gab, ist natürlich klar und dass "Hart Am Rand" nicht stellvertretend für die 80er steht, auch; als 1981er-Jahrgang habe ich das, was ich bei "Hart Am Rand" so schrecklich finde, allerdings schon immer so ein bisschen rausdestilliert, wenn die Erwachsenen ihre Partys feierten und man als kleiner Bub dazwischenstand und mit cheesy Synthesizern und deutschem Ausdrucksgesang befeuert wurde. Und "Hart Am Rand" verkörpert eben im puren Sinn das, was ich an der NDW schon immer nicht so besonders mochte.

Wegen Kah: doch, kenn ich wohl. Konnte im ersten Moment mit dem reinen Namen nix anfangen, aber sowas kennt man dann doch von besagten Partys. ;)
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