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Octopus: The Boat Of Thoughts (Review)

Artist:

Octopus

Octopus: The Boat Of Thoughts
Album:

The Boat Of Thoughts

Medium: CD
Stil:

Kraut Rock

Label: Sky Records / Sireena Records
Spieldauer: 36:19
Erschienen: 03.07.2009
Website: [Link]

Ja, ich gebe zu: Ich bin restlos befangen, wenn ich über das Re-Release des 1977er Debütalbums der "Kraut-Rocker" OCTOPUS schreibe. Wann immer die Frankfurter in meiner Reichweite auftraten -und das war oft- stand Klein-Steve an der Bühnenkante, um Sängerin Jennifer Hensel, die Hauptdarstellerin seiner post-pubertären Träume, mit offenem Mund zu bestaunen. Zudem stammte meine erste Orgel [eine Farfisa] aus dem Vorbesitz des Keyboarders Werner Littau.

Nach 32 Jahren wird nun dankenswerter Weise mit "The Boat Of Thoughts" besagtes Debütalbum wieder veröffentlicht. Zwar weder remastert noch mit Bonus-Tracks aufgewertet, dafür authentisch und obendrein in einem wertigen Digipack mit Liner-Notes des Kollegen Detlef Kinsler, eine Koryphäne und exzellenter Szenekenner des Rhein-Main-Gebietes, dargeboten. Dieses Debüt zeigt OCTOPUS, ebenso wie das ein Jahr später erschienene "An Ocean Of Rocks", auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Das 1979 "Rubber Angel" zielte schon in deutlich kommerziellere Richtungen und wer konnte es ihnen denn auch verdenken? Soll man als Musiker unbedingt aufrecht in seiner selbst gewählten Nische verhungern? Aber auch mit diesem Album wollte sich nicht der verdiente kommerzielle Erfolg einstellen und so steuerte man hart um. Das Ehepaar Hensel, Sängerin Jennifer und Gitarrist Pit, mochte da allerdings nicht mehr mitmischen. "Hart am Rand" war der harte Schnitt, der die Band dann auch letztendlich entbehrlich machte. Es lief gerade der unbeschreiblich-bekloppte NDW-Tsunami durch Deutschland: kurz und zerstörerisch... "Hart am Rand" war zwar kein NDW, aber eine Reaktion darauf: deutsche Texte, knappe Arrangements, auf Radio-Airplay angelegt - wer brauchte denn so etwas ernsthaft? Die "alten" Fans wandten sich mit Grausen ab und dann war auch schon bald "Schicht" für OCTOPUS. Bezeichnenderweise kam dann Werner Littau mit einem gewissen "Hubert Kah" dann doch noch zu einem kurzfristigen Geldsegen...

Man könnte jetzt alle progressiven Größen des 70ies Art-Rocks anführen, um zu versuchen, OCTOPUS' Sound zu charakterisieren, aber die Deckungsgleiche mit CAMEL ist verblüffend und unüberhörbar. Diese weit ausufernden Melodiebögen der Gitarre, die wabernden Keyboard-Landschaften, diese luftig-melodiösen Rickenbacker-Bässe: frappierend!! Werner Littaus Keyboards dominieren "The Boat Of Thoughts": Die Hammond klar und wohl tönend ohne jegliche Zerrung und den Mini-Moog, der sich mit Pit Hensels Gitarre in der Melodieführung ablöst, in all seinen analogen Möglichkeiten nutzend. Die wimmernden Streicher-Sounds des Mellotrons sind dagegen ein Anachronismus, denn wenig später hielt der polyphone Poly-Moog seinen Einzug und revolutionierte die Keyboard-Sounds der späten 1970er Jahre. Pit Hensel, neben Littau der kompositorische Kopf OCTOPUS', streut obendrein noch geschickte Folkelemente ein. Die Musik ist natürlich "verkopft" allerdings nicht "gnadenlos", so wie das damals in der Krautszene bei ELOY und Konsorten durchaus üblich war. Bei aller Vielschichtigkeit der Arrangements sind es die melodiösen, CAMEL'schen Strukturen, die eine wohltuende Atmosphäre schaffen. Gut so, denn "Hirn-Ficks" à la GENTLE GIANT oder KING CRIMSON gehen mir persönlich heutzutage gar nicht mehr ab...
Dazu Jennifer Hensels Stimme, die von Charakter und Power fraglos in die Nähe einer INGA RUMPF gerückt werden könnte, ohne dieser Ikone deutscher Rockmusik dabei einen Zacken aus ihrem gekrönten Haupt zu brechen. Bassist Kniemeyers Texte sind genau am Puls der rebellischen 70er Jahre und runden den absolut authentischen Gesamteindruck ab. OCTOPUS waren fraglos ein Kind ihrer Zeit...

FAZIT: Eine grossartige Idee von Sireena Records, derzeit mit Hochdruck solche vergessenen "Kraut"-Perlen auszugraben - so mancher Schatz wartet noch darauf, wieder gehoben zu werden. "The Boat Of Thoughts" von OCTOPUS ist für die mittlerweile ergrauten oder sogar gänzlich haarlos gewordenen Zeitzeugen ein echter Ohrenschmaus. Warum sollten eigentlich deren Kinder und Kindeskinder nicht Spaß an dieser Zeitreise haben?

Steve Braun (Info) (Review 8128x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 11 von 15 Punkten [?]
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Tracklist:
  • The First Flight Of The Owl
  • Kill Your Murderer
  • If You Ask Me
  • The Delayable Rise Of Glib
  • We're Losing Touch
  • The Boat Of Thoughts

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
Werner Littau
gepostet am: 31.08.2009

Vielen Dank für diese Rezension. In meinen Augen ist alles sehr treffend dargestellt. Ich freue mich sehr, dass das Re-Release unses Erstlingswerks allenthalben sehr positiv aufgenommen wird. (Sogar in den USA scheint man, nach all den Jahren, auf unsere Art der Musik aufmerksam geworden zu sein.)
Schöne Grüße
Werner Littau

p.s. Ich gebe wegen Befangenheit keine Wertung ab.
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