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Interview mit MORDRAN (26.05.2024)

MORDRAN

Das in Schweden beheimatete Black-Metal-Projekt MORDRAN hat innerhalb von drei Jahren vier EPs und drei Alben aufgenommen. Ein gewisser Fleiß ist also nicht von der Hand zu weisen, was jedoch nicht heißt, dass sich hier ein Juwel an das andere reiht. Allerdings ließ mich das Ende März 2024 veröffentlichte Album "The Midnight Woods" aufhorchen, denn mit seinem "filosofischen" Black Metal, angereichert mit Elementen aus Post Metal und Ambient, ging es gleich beim ersten Hören gut ins Ohr und wurde der Selbstbeschreibung "an escapist’s journey into the world of dreams" in der Tat gerecht. Ich nahm mit MORDRAN Kontakt auf, um mehr über sein Schaffen zu erfahren, das er als dezidiert politisch, genauer gesagt: als klipp und klar anti-faschistisch versteht.

Hallo und danke, dass Du Dir die Zeit nimmst, um über MORDRAN zu sprechen! Du hast vor kurzem Dein drittes Album "The Midnight Woods" auf Bandcamp veröffentlicht, und gleich beim ersten Hören hat es mir gut gefallen hat. Du beschreibst es als "an escapist's journey into the world of dreams", und im Hinblick auf die Post-Rock- und Ambient-Elemente kann ich die Idee nachvollziehen, dass es sich um Musik für eine Traumreise handelt. In welche Welten träumst Du Dich mit diesem Album fort?

Hallo, es freut mich zu hören, dass es dir gefällt! Das war definitiv meine Absicht, als ich an diesem Album gearbeitet habe: Ich wollte, dass es introspektiv und meditativ ist, deshalb gibt es viele Riff-Wiederholungen und einen starken Fokus auf Atmosphäre statt auf Melodie und Gesang. Ich möchte, dass die Gedanken der Hörer wandern und sich in einer Welt ihrer Wahl verlieren. Mir selbst fällt es oft schwer, nachts einzuschlafen, weil mir zu dieser Zeit für gewöhnlich viel durch den Kopf geht. Wenn das passiert, stelle ich mir gerne vor, wie ich mich in einer regnerischen Nacht in einem endlosen Wald verliere. In meiner Vorstellung laufe ich zwischen riesigen, hoch aufragenden Bäumen, die ein dichtes Blätterdach bilden, durch das nur gelegentlich ein Strahl des Mondlichts dringt. Ich trinke aus magischen Flüssen, deren Wasser mich meine Sorgen und Ängste vergessen lässt. Und schließlich verstecke ich mich zwischen den Wurzeln eines Baumes und lege mich zum Schlafen nieder. Das erklärt sowohl den Titel des Albums als auch die Reihenfolge der Tracks, die sich immer mehr in die Länge ziehen und atmosphärisch werden, um den Hörer tiefer in die mitternächtlichen Wälder oder in eine andere Welt zu locken, in die seine Gedanken abschweifen.

Mit seinem energiegeladenen Riffing könnte "The Silent Storm" der Track sein, der sich besonders eignet, um Hörer im Nu zu hypnotisieren. Obwohl er zunächst wie Black Metal klingt, enthält er auch eine enorme Dosis Post Rock, die mich an die positive Power von GIAA erinnert. Es handelt sich also um ein eher erhebendes Stück - und damit fast nicht mehr um Black Metal...?

Nun, ich kümmere mich nicht sonderlich um Etiketten und Genres. Wenn ich Musik mache, fühlt es sich so an, als käme sie von irgendwo anders her und als würde ich sie nur kanalisieren. Am Anfang habe ich vielleicht ein paar Ideen, doch ab einem bestimmten Punkt lasse ich mich einfach von der Musik selbst leiten und habe keine Kontrolle mehr über alles Weitere. Im Fall von "The Silent Storm" waren die Post-Rock-Elemente keine bewusste Entscheidung von mir: Es machte einfach Sinn, dass die Musik in diese Richtung ging. Ich glaube jedoch, dass Post Rock und Black Metal sehr oft Hand in Hand gehen, man denke nur an Bands wie Godspeed You! Black Emperor. Es gibt zum Beispiel Passagen in "Lift Your Skinny Fists Like Antennas to Heaven", die klingen, als könnten sie fast aus einem Black-Metal-Album stammen. Ich denke auch, dass Black Metal manchmal euphorisch klingen kann, was einen starken Kontrast zur üblichen Dunkelheit des Genres darstellt.

Der Mix von "The Midnight Woods" klingt in meinen Ohren "hausgemacht" und charmant, ziemlich passend also für diese Art von verträumtem Black Metal. Du bist für jedes Detail von MORDRAN verantwortlich, nicht wahr?

Ja, das bin ich. Ich nehme alles in meinem kleinen Heimstudio auf, mische und mastere es. Ich wohne in einer Wohnung, also muss das Meiste über DI und mit begrenztem Equipment aufgenommen werden, was natürlich einen bestimmten Sound zur Folge hat. Ich würde gerne glauben, dass dies der Atmosphäre der Musik zugutekommt, doch vielleicht mache ich mir da auch nur etwas vor. Ich mag es allerdings, dass ich so die volle Kontrolle über jede Aufnahme habe, und ich bin froh, dass ich mit meinen begrenzten Mitteln arbeiten kann.

Innerhalb von rund drei Jahren hast Du vier EPs und drei Alben aufgenommen und veröffentlicht, also eine ganze Menge. Außer "The Midnight Woods" habe ich bisher nur "Within And Beyond" gehört, das mich nicht so sehr gefesselt hat, und bei so vielen Veröffentlichungen stellt sich natürlich die Frage, ob Du zur Flut von Veröffentlichungen beiträgst, die es noch schwieriger machen, die Spreu vom Weizen zu trennen?

Darüber denke ich nicht wirklich nach, wenn ich Musik mache. Ich nehme einfach auf, wann immer ich Lust und Zeit dazu habe, und wenn ich dann mit dem Ergebnis zufrieden bin, veröffentliche ich es. Ansonsten lege ich die Tracks in einen Ordner auf meinem Computer und vergesse sie. Ich neige dazu, das EP-Format zu bevorzugen, weil ich in flüchtigen Inspirationsschüben arbeite, und eine 20- oder 30-minütige Platte ist für mich als Solomusiker viel handhabbarer, und oft ist es immer noch eine zufriedenstellende Erarbeitung des jeweiligen Konzepts, das ich erforsche. Was die Frage angeht, ob es zu viel Spreu auf dem Markt gibt, denke ich nicht, dass das ein Problem ist. Ich finde es gut, dass heutzutage mehr Musik gemacht wird als je zuvor in der Geschichte, und ich glaube, wir haben großes Glück, dass wir mit ein paar Klicks so viele Möglichkeiten haben. Was hörenswert ist und was nicht, ist immer eine persönliche Angelegenheit, und ich habe kein Problem damit, wenn Leute meine Musik für Spreu und nicht für Weizen halten, wenn sie ihnen nicht gefällt. In erster Linie mache ich sie für mich selbst und ich veröffentliche sie, um sie dauerhaft aus meinem Kopf zu bekommen. Wenn sie jemandem gefällt und er sich entschließt, das Projekt zu unterstützen, bin ich natürlich sehr dankbar dafür, aber das ist quasi nur ein Pluspunkt.

"The Midnight Woods" wurde erstmals auf YouTube vom Antifascist Black Metal Network vorgestellt. Wäre es fair zu sagen, dass es eine Alternative für diejenigen darstellt, die den Sound und die Atmosphäre von "Filosofem" mögen, doch Burzum aufgrund von Vikernes' Rassismus meiden?

So schrecklich die Leute auch waren, es ist schwer, sich dem Einfluss der norwegischen Bands der Neunziger Jahre zu entziehen. Für mich ist es sehr schwer, die Tatsache, dass Vikernes ein Stück Scheiße ist, mit der unbestreitbaren Bedeutung von "Filosofem" für die Entwicklung des atmosphärischen Black-Metal-Genres in Einklang zu bringen. Ich denke, manchmal müssen wir uns mit der Tatsache abfinden, dass schreckliche Menschen immer noch wertvolle Kunst erschaffen können, obwohl ich trotzdem niemanden ermutigen würde, jemanden wie Varg in irgendeiner Weise finanziell zu unterstützen. Was die Frage angeht, ob MORDRAN eine Alternative für Leute ist, die nicht Burzum hören wollen, so gibt es Ähnlichkeiten zwischen den beiden, jedoch denke ich, es wäre sehr anmaßend von mir, meine Musik auf diese Weise zu präsentieren. Ich glaube allerdings, dass alle linken Black-Metal-Künstler ihren Teil dazu beitragen, das Genre von den Fanatikern zurückzuerobern und es einladender und inklusiver zu machen, indem sie einfach Musik machen. Ich würde Leute, die Bands wie Burzum mögen, sie aber nicht unterstützen wollen, ermutigen, sich in der Underground-Szene umzusehen. Es gibt heutzutage eine Menge fantastischer Musik, die von fantastischen Leuten gemacht wird, und wenn man Initiativen wie dem Antifascist Black Metal Network folgt, kann das eine gute Möglichkeit sein, großartige Künstler zu finden, die auch anständige Menschen sind.

In dem Interview mit dem Fernsehsender Antichrist TV hast du erklärt, dass die Musik von MORDRAN stark von der Natur und dem Wetter in Schweden beeinflusst wird, wohin du vor einigen Jahren gezogen bist. "The Midnight Woods" ist also die Musik eines Spaniers, die von den Landschaften seiner neuen schwedischen Heimat beeinflusst ist, ebenso wie vom klassischen Black-Metal-Stil eines Norwegers, der in Frankreich sein Exil gefunden hat, sowie von der Kraft einer irischen Post-Rock-Band und wahrscheinlich von noch einigen anderen Faktoren - ein Paradebeispiel für ein postmodernes Sammelsurium, das von Natur aus engstirnigen Ideologien widerspricht?

Ich schätze, so könnte man es sehen. Letztlich ist jede Musik das Ergebnis der gelebten Erfahrungen der Menschen, die sie machen, und ich denke, wenn man reist und an verschiedenen Orten lebt, wird einem klar, dass es zwar hier und da ein paar kleine Unterschiede geben mag, aber die Menschen überall gleich sind. Diejenigen, die glauben, dass man Menschen aufgrund ihrer Nationalität, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Religion oder sonst etwas in kleine Kästchen stecken und sie voneinander trennen kann, zeigen damit nur ihre eigene Unwissenheit.

Bist du bislang mit irgendwelchen dummen Reaktionen auf die Bezeichnung von MORDRAN als anti-faschistischem Black Metal konfrontiert worden?

Zum Glück kann ich das nicht behaupten, wobei meine Musik ja auch keine große Reichweite hat. Es ist mir egal, wie die Leute darauf reagieren, denn jede Kunst ist in gewisser Weise politisch, und MORDRAN wird immer ein linkes Projekt sein, das sich für alle unterdrückten Menschen überall einsetzt.

Vier Tage nach der Veröffentlichung wurde meine Rezension Deines Albums bereits mehr als 500 Mal angeklickt, während ich mit meinem gedruckten Fanzine nur einen Bruchteil dieser Leserschaft erreiche. Was hat Dich dazu bewogen, die Rezension als "interessant" zu bezeichnen und welches Medium bevorzugst du für welche Textgattung: Rezension, Interview, ausführlicher Artikel...?

Ich finde, deine Rezension hat "The Midnight Woods" gut in den Kontext des Black-Metal-Genres eingeordnet. Als Musiker finde ich es interessant zu lesen, was andere Leute über die von mir erschaffene Musik denken, um zu verstehen, was sie damit verbinden. Daher lese ich immer gerne Rezensionen meiner Arbeit, unabhängig davon, wie positiv oder negativ sie sind. Als Musikhörer lese ich gerne Interviews mit jenen Künstlern, die ich schätze, weil ich dadurch ihre Kunst besser verstehen und noch mehr schätzen kann.

Wie geht es mit MORDRAN weiter?

Wahrscheinlich wird es bis zu einem gewissen Grad wie bisher weitergehen. Ich werde meine Erkundung von Atmosphäre und Texturen fortsetzen und weiter nach Schönheit in den dunkelsten Klanglandschaften suchen. MORDRAN ist kein sehr ehrgeiziges Projekt, mein Ziel war es immer nur, einen bestimmten kreativen Impuls zu besänftigen, der mich ständig auffrisst, wenn ich nicht in irgendeiner Form kreativ bin. Wenn ich auf dem Weg dorthin die Gelegenheit erhalte, zum Beispiel mit Fiadh Productions zusammen zu arbeiten, die "The Midnight Woods" auf Kassette veröffentlichen werden, ist das ein Bonus, über den ich mich sehr freue.

Thor Joakimsson (Info)
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