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Interview mit Shining (NOR) (04.03.2010)
Zum Zeitpunkt dieses Interviews lag der Release von "Blackjazz", dem fünften Album der norwegischen Band, nur wenige Wochen zurück. Bei solch interessanter Musik ließ es sich der diese Zeilen verfassende Schreiber natürlich nicht nehmen, Jørgen Munkeby, das Mastermind der Blackjazzer, Löcher in den Bauch zu fragen. Tja, schweigsam war der sehr freundlich wirkende, intelligente, musikalische Querkopf nicht gerade – im Gegenteil, Munkeby hat eine Menge zu sagen. Schnappt euch also nicht nur einen Kaffe, sondern gleich die ganze Kanne.
God dag! Wie läuft denn die Promoarbeit bei euch? Stressig wird sie sein, oder?
God dag! Danke der Nachfrage, ja, die Promomaschine läuft auf Hochtouren. Wir geben ständig Interviews für Magazine, Radio- und Fernsehsendungen. Es ist eine recht anstrengende Zeit, aber genau das Feedback haben wir uns erhofft. Demnach sind wir sehr glücklich darüber, wie es läuft.
Eure neue Scheibe "Blackjazz" ist ja ein ganz schöner Brocken geworden, Glückwunsch dafür. Wie wurde das Album denn sonst noch so seitens der Presse aufgenommen?
Allerbesten Dank für das Kompliment! Die Reaktionen waren bisher unglaublich gut - besonders in den USA, wo uns das "Time Out New York" glatt zwei Wochen vor dem "Blackjazz"-Release zu den "Stars of 2010" ernannt hat. Die ganzen wichtigen Medien haben sich diesem Tenor angeschlossen, und es hagelte großartige Reviews für das Album, beispielsweise in den New York Times, im Metal Hammer, in der Alternative Press, bei Allmusic.com, Popmatters.com, im Aquarius Weekly und und und. Nicht vergessen sollte man dabei auch die zweiseitige Titelstory in der Februarausgabe des Terrorizer. Und das ist wohl nur der Anfang. Wenn ich mir solche Zitate wie "All hail SHINING, the kings of new-school Prog Rock." (411 Mania) oder "One of the most assaultive, addictive albums around!" (Allmusic.com) gebe, dann gibt mir das das Gefühl, dass es es wert war, ein ganzes Jahr nichts anderes zu tun als an diesem Album zu arbeiten.
Die Platte war bei unserem europäischen Label (Indie Recordings – Anm. d. Verf.) nach sage und schreibe drei Tagen ausverkauft und debütierte in der offiziellen norwegischen Bestsellerliste aller Alben bereits nach einer Woche auf Platz 9. Seitdem beauftragt unser Label permanent Neupressungen, damit der explosionsartige Bedarf an "Blackjazz" gedeckt bleibt. Außerdem haben wir gerade die erste Release-Tour in Norwegen hinter uns, und in allen Städten waren unsere Gigs komplett ausverkauft. Zusammenfassend kann ich also sagen, dass ich extrem zufrieden mit den Fan- und Pressereaktionen bin. Wir freuen uns auch sehr auf die Europatour, die im März beginnt. Lass uns mal hoffen, dass es dort auch so gut wie in Norwegen läuft.
"Blackjazz" scheint wohl die bislang "am einfachsten zugängliche" SHINING-Veröffentlichung zu sein, wobei sie natürlich dennoch ganz schön schräg und krank ist. War das eher eine natürliche Entwicklung? Oder habt ihr bewusst darauf hingearbeitet?
Wenn wir eine neue Richtung einschlagen, dann basiert das ausschließlich darauf, was wir selbst spielen möchten. Wir versuchen nicht etwa, den momentanen Musikmarkt zu analysieren, um dann einen "Hit" mit dem zu landen, wovon wir eventuell denken, dass es die Leute mögen könnten. Stattdessen setzen wir uns zum Ziel, die Musik zu machen, von der wir wissen, dass wir selbst sie mögen – denn nur das können wir ganz genau wissen.
Dennoch glaube und fühle ich durchaus, dass "Blackjazz" eine Art Statement von uns ist. Der Entstehungsprozess des Albums war sehr durchdacht und sehr bewusst. Als Sean Beavan (NINE INCH NAILS, MARILYN MANSON, SLAYER) im Januar 2009 mit mir telefoniert hatte und wir diskutierten, wie wir das Album mixen sollten, sagte ich ihm, dass ich möchte, dass das Album "so extrem, wütend und bösartig wie möglich, aber auch so catchy wie es geht" klingen sollte. Das fasst meine Vision für den Gesamtsound des Werkes ganz gut zusammen.
Wir wollten auch, dass SHINING auf dem neuen Album mehr nach einer Band klingen, dafür weniger nach einem zusammeneditierten Studioprojekt, so wie es bei "Grindstone" oder "In A Kingdom Of Kitsch..." der Fall war. Ebenso wollten wir nicht, dass die Leute uns als eine Instrumentalband wahrnehmen – und wir wollten eben Musik erschaffen, die gleichzeitig durchgeknallt UND catchy ist.
Das hat uns dann zu einer eher standardisierten Rockband-Instrumentierung geführt, also mit Bass, Drums und Gitarren als Basisfundament, und das schrie natürlich auch danach, mehr Vocals und catchy Refrains einzubauen, sodass alles zueinander passt. Wenn man in seiner Musik Gesang hat, gibt das der Musik in meinen Augen quasi ein "Gesicht", vor allem rückt es die Musik näher an den Hörer heran. Ich wollte, dass die Musik auf "Blackjazz" aus den Lautsprechern springt – sowohl im Song- als auch im Soundkontext.
Über den Albumtitel haben wir uns auch sehr viele Gedanken gemacht. Der Begriff "Blackjazz" ist eine Kombination aus "Free Jazz" und "Black Metal". Wir schreiben ihn in einem Wort und nicht in zweien, um uns vom "schwarzen" Oldschool-USA-Jazz abzuheben, und dieser Albumtitel soll gewissermaßen einen Namen für das Genre suggerieren, in welchem wir unserer Meinung nach angekommen sind. Es ist eine Bezeichnung für unser eigenes Genre: "Wir spielen Blackjazz."... Ebenso ist es eine Referenz an frühere, genredefinierende Alben wie beispielsweise VENOMs "Black Metal", ORNETTE COLEMANs "Free Jazz" und "The Shape Of Jazz To Come".
Wir wollten Free Jazz mit Black Metal verbinden, ja, aber das könnte eine sehr schmutzige Kombination werden, da beide Genres normalerweise einen sehr schmutzigen und groben Sound haben. Wir hingegen wollten diese wahnsinnige Musik in ein frisches und einprägsames Gewand packen. Welche Lösung wäre da besser gewesen als die, sich nach Hollywood aufzumachen?
In den letzten beiden Jahren habe ich sehr viel NINE INCH NAILS und MARILYN MANSON gehört, und ich bin von beiden ein großer Fan geworden! Ich mag die Art und Weise sehr, wie sie es schaffen, bedingungslose Catchiness mit kompromissloser Aggressivität zu verbinden. Beide Bands hören sich obendrein gleichermaßen schmutzig und poliert an. All das, in Kombination mit diesem kalten, industrialartigen Vibe, wollte ich in "Blackjazz" implementieren.
Aber um auf deine ursprüngliche Frage zurück zu kommen: Insgesamt denke ich, dass man sagen kann, dass unsere Entwicklung schrittweise und natürlich kam, aber gleichermaßen auch ein sehr bewusster und durchdachter Prozess war. Die Wirkung von "Blackjazz" erscheint mir sehr nachhaltig, zumal unser letzter Albumrelease im Januar 2007 nun schon lange zurück liegt. Hätten wir eine Aufnahme unserer besonderen 2008er "Armageddon Concert"-Kollaboration mit ENSLAVED veröffentlicht, dann glaube ich, hätte man dieses Teil das "fehlende Glied" zwischen "Grindstone" und "Blackjazz" sehen können.
Einer meiner Kollegen hatte eine sehr interessante Frage, und zwar würde er gerne wissen, ob ihr es jemals (theoretisch) fertigbekommen würdet, einen ganz "normalen" Song zu schreiben. Oder hat sich die Art, wie ihr Songs schreibt, bereits in eurem tiefsten Inneren manifestiert?
Ich bin ausgebildeter Musiker und Komponist, und ich habe mit vielen Künstlern und Bands gearbeitet – sowohl als Komponist als auch als Musiker. Viele dieser Künstler sind völlig "normal", und in meiner Arbeitsweise gibt es eigentlich gar nichts, was mich davon abhalten könnte, auch gewöhnliche Musik zu schreiben.
Doch irgendwie fühlt es sich bei SHINING einfach richtig an, alles andere als "normale" Musik zu machen, und deswegen klingen wir nicht all zu gewöhnlich. Ich weiß nicht, was wir noch so in der Zukunft tun werden, aber ich glaube kaum, dass sich das alles irgendwann mal völlig "normal" anhört. Aber wer weiß das schon?
Für Überraschungen seid ihr ja immer gut. Überrascht war ich auch, als ich feststellen durfte, dass du auf IHSAHNs neuer Scheibe "After" coolerweise Gastmusiker am Saxophon warst. Wie arbeitet es sich mit ihm?
Danke für das Kompliment! Nun, Vegard (IHSAHNs bürgerlicher Name – Anm. d. Verf.) ist ein feiner Kerl, und wir kommen sehr gut miteinander aus. Wir sind beide menschlich sehr ähnlich, sehr sonderbar, extrem sorgfältig und detailbesessen, sind beide auf der intellektuellen Schiene unterwegs, still und bescheiden. Außerdem haben wir in puncto Gesellschaft sehr, sehr oft die gleichen Ansichten.
Die Zusammenarbeit mit ihm hätte nicht geschmeidiger ablaufen können. Er rief mich irgendwann während der "Blackjazz"-Aufnahmen an, und wir haben uns sofort bestens miteinander verstanden. Die Unterhaltung wurde ziemlich schnell zu Fachsimpelei, zum Beispiel wie man Gitarrensignale re-ampt, welche DI- und Re-Amp-Boxen die besten seien. Er schlug mir ein Gerät namens "MW1 Studio Tool" vor, das ich noch am selben Tag kaufte. Dann quatschten wir darüber, wie sehr ich die API 3124+ Mikrofon-Pre-Amps liebe – und die bestellte er sich dann ebenfalls am gleichen Tag, haha.
Er schickte mir dann seine Demoaufnahmen der "After"-Songs, mit einigen Gedanken seinerseits, an welchen Stellen ich etwas spielen könnte... und wo ich eher Melodien spielen und wo eher improvisieren könnte. Ebenso meinte er, dass er auch auf Ideen, die ich eventuell so hätte, gespannt sei.
Also habe ich mir das ganze Album angehört, schrieb alle Basslinien, Gitarrenspuren, Melodien und Rhythmuspatterns, ja eigentlich alles nieder und habe ein wenig zur Musik geprobt. Dann bin ich umgehend in den Bus nach Notodden, wo Vegard lebt, gestiegen. Dort haben wir in seinem Homestudio dann prompt mit den Aufnahmen begonnen... auch seine Kids und seine Frau hingen mit uns ab, und wir hatten eine prima Zeit.
Alles in allem war es eine tolle Erfahrung, mit IHSAHN zu arbeiten, und ich bin sehr stolz darauf, ein Teil des "After"-Albums zu sein. Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis, und ich bin absolut beeindruckt von Vegards Mut, einem Jazzsaxophonisten eine solch prominente Rolle auf einem seiner Alben einzuräumen. Ich weiß, dass es keine einfache Entscheidung war, wenn man sich all der engstirnigen, retrokonservativen Metalheads bewusst ist, die viel lieber ein neues EMPEROR-Album von ihm hören wollen. Vegard und ich sind mittlerweile gute Freunde, und wir telefonieren sehr oft miteinander.
Gibt es sonst noch irgendwelche aktuellen Gastfeatures von dir oder anderen SHINING-Mitgliedern? Vielleicht auch Bands, in denen deine Bandkollegen aktiv sind - oder gar du selbst?
Abseits von SHINING habe ich nicht gerade viel Zeit. Ich komponierte und spielte mal in einer recht bekannten Band namens JAGA JAZZIST. Ich war dort von 1994 bis 2004 aktiv und habe viel von deren Material geschrieben. Die Gruppe existiert noch, ich bin allerdings 2004 ausgestiegen, um mich fortan auf SHINING zu konzentrieren. Wenn du neugierig bist, dann kannst du unter http://www.myspace.com/jagajazzist mal reinhören.
Unser Schlagzeuger Torstein und ich spielen in einer Jazzband namens CHROME HELL. Wir haben unter einem anderen Bandnamen zwei Mainstream-Jazzalben herausgebracht, doch als wir 2008 das neue Album "Earthlings" rausbrachten, benannten wir uns um. Hörproben findest du unter http://www.myspace.com/chromehill zuhauf. Außerdem hat Torstein noch seine eigene Jazz-Rock-Band ELEPHANT9, die sich aus Schlagzeug, Bass und Keyboard zusammensetzt. Die Truppe spielt hochenergetischen 70er-MILES DAVIS-Jazz-Rock, auch sehr cool, und unter http://www.myspace.com/elephant9theband gibt es auch Hörstoff.
Unser Bassist hat eine Country-Banjo-Band (THE HOLSTEIN UNITED BLUEGRASS BOYS/http://www.myspace.com/thubbmusic), und unser Keyboarder Bernt hat unter http://www.myspace.com/berntmoen noch etwas Musik parat. "Breached" ist ein sehr geiles Special Defects-Teil! Ach, ich hätte zu gerne auch selbst Zeit für eine andere Band, aber momentan habe ich echt absolut keine freie Minute, um noch irgendwoanders tätig zu sein...
(Heilige Truthahnscheiße, ich höre mich gerade durch die Sachen durch, gerade läuft "Breached"... dagegen sind Thordendals spezielle Defekte ja fast schon Kinderkirmes... Aber bevor ich mich nun auf den Bandseiten verliere... - Anm. d. Verf.)
Nicht gerade wenig Material. Nun, ich bin mir sicher, dass ihr die kommende Frage schon millionenfach gestellt bekommen habt, aber wir wollen unsere Leser natürlich auch nicht im Dunkeln tappen lassen. Die schwedischen Suicidal Black Metal-Chaoten heißen ja auch SHINING. War das Absicht, Zufall, Unfall? Oder ist euch das schlichtweg egal?
Die Anfänge beider Bands liegen nun schon über zehn Jahre zurück, und damals existierte das Internet noch nicht so wie in seiner heutigen Form, daher wussten weder wir noch Niklas (=Kvarforth, Rasierklingenkommandant der "anderen" SHINING – Anm. d. Verf.) von der jeweils anderen Band. Ich glaube, ich habe zum ersten mal im Jahre 2006 von unseren Namensvettern gehört, und zu der Zeit waren wir gerade dabei, unser viertes Album "Grindstone" zu veröffentlichen. Nun haben beide Bands natürlich einen Status erreicht, der ihnen einen weltweit recht großen Fankreis beschert hat, und das kann natürlich manchmal einige Verwirrung stiften.
Aber ich kenne Niklas nun, und ich bin auch ein großer Fan von ihm und seiner Musik. Ich weiß auch, dass wir beide einfach nur gute Musik machen wollen und uns lieber darauf konzentrieren, anstatt irgendwelche Namensstreitigkeiten anzuzetteln. Jetzt sind ja beide SHINING-Bands auch noch beim gleichen Label unter Vertrag, da Niklas sein nächstes SHINING-Album auch bei Indie Recordings veröffentlichen wird.
Zwischen den beiden Bands besteht keinerlei Rivalität oder dergleichen, und ich hoffe einfach mal, dass beide Bands in Zukunft einfach weiterhin tolle Musik an ihre Fans abliefern können, ohne dass die Leute großes Trara um die Tatsache machen, dass wir uns den gleichen Bandnamen teilen. Letztendlich ist es nur wichtig, dass die Presse und die Konzertveranstalter uns auseinanderhalten, indem sie eindeutig anmerken, ob es sich um die norwegischen oder die schwedischen SHINING handelt. Diese einfache Sache würde sämtliche Verwirrung zunichte machen. Ich schreibe grundsätzlich SHINING (NOR) auf Webseiten oder Presseschreiben, und da wir nun auch noch auf dem gleichen Label sind, wird es für die Leute noch einfacher werden, uns in Zukunft auseinanderhalten zu können, da sie mit der Nase auf die Tatsache, dass es zwei verschiedene Bands mit dem selben Namen gibt, gestubst werden.
iTunes hat für jede der beiden SHININGs eine separate Seite eingerichtet, und daher scheinen sich die Leute daran gewöhnt zu haben, dass zwei Bands dieses Namens aktiv sind. Und mal ehrlich, das "schlimmste", was passieren kann, ist doch, dass ein Fan, der nach einer der Bands sucht, so auf die andere, ihm unbekannte, tolle, Band stößt. Und das ist doch ein positiver Nebeneffekt, einerseits für die Bands und andererseits für den Fan, der etwas Neues entdeckt.
Gehe ich recht in der Annahme, dass KING CRIMSON stets ein großer Einfluss für euch waren? Welche Künstler beeinflussen dich sonst noch?
Oh, eigentlich habe ich KING CRIMSON bis 2005 nie all zu viel Beachtung geschenkt, aber danach wurden sie definitiv zu einem meiner größten Einflüsse. Andere große musikalische Einflüsse sind auf jeden Fall WAGNER, MILES, COLTRANE, COLEMAN, SCHÖNBERG, LIGETI, MICHAEL BRECKER, JAGA JAZZIST, FREDRIK THORDENDAL'S SPECIAL DEFECTS, LIGHTNING BOLT, VAN DER GRAAF, SEAN BEAVAN, TIM SKÖLD, DREAM THEATER, PANTERA, ENTOMBED, SLAYER, DEATH, OLIVIER MESSIAEN, PAUL HINDEMITH'S MUSICAL THEORY, DAVE LIEBMAN, MARILYN MANSON, SLIPKNOT und viele mehr...
In puncto Sound haben mich bei "Blackjazz" neben deren musikalischer Inspiration auf jeden Fall NINE INCH NAILS, MARILYN MANSON und MINISTRY beeinflusst. Auch Bands wie SLIPKNOT, MESHUGGAH und THE DILLINGER ESCAPE PLAN sowie norwegische Black Metal-Bands wie ENSLAVED, SATYRICON und EMPEROR haben "Blackjazz" inspiriert.
Aber auch außerhalb der Musik gibt es unglaublich viele Inspirationsquellen wie etwa Filme, Bücher, bildende Kunst, Tanz, Wissenschaft, Philosophie und Sport. Aber ich liste jetzt lieber nicht noch mehr auf, ansonsten würde das ein wenig zu sehr ausufern...
Das würde bei deiner Redseligkeit jetzt nicht weiter auffallen, hehe. Aber noch mal zu KING CRIMSON. Ich dachte ja erst: "Ach je, SCHON wieder ein '21st Century Schizoid Man'-Cover?" - aber als ich dann den ersten Hördurchlauf hinter mir hatte, war ich sehr überrascht und begeistert. Wie haben die Leute denn sonst so reagiert?
Ich glaube, die meisten haben ähnlich auf den Song reagiert wie du. Am Anfang haben die Leute noch eine ziemlich stereotype Vorstellung davon, wie der Song klingen wird – egal, ob im positiven oder negativen Sinne. Aber nachdem sie dann die 'Play'-Taste gedrückt haben, waren die meisten doch bass erstaunt, weil das Cover keinesfalls so klang, wie sie es erwartet hätten. Anscheinend finden viele Fans unsere Interpretation enorm erfrischend, aber gleichzeitig empfinden sie sie als eine respektvolle Hommage an KING CRIMSON. Und das freut mich.
Habt ihr noch andere erwähnenswerte Coverversionen in eurem Repertoire?
Wir machen uns eigentlich gar keine Gedanken über Coversongs, zumal all unsere anderen Songs ausschließlich Eigenkompositionen sind. Der einzige Grund, weshalb wir diesen Song gecovert haben, war, weil wir Anfang 2007 von den Machern einer norwegischen Radiosendung gefragt wurden, ob wir an einem Programm teilnehmen möchten, in welchem wir eine Band präsentieren, die wir lieben und dann von dieser Band eine Coverversion spielen. Unser Gitarrist schlug KING CRIMSON vor, und so kamen wir dann auf dieses Stück.
Nach ebenjener Radiosendung haben wir damit angefangen, den Song auch in unsere Liveshows einzubauen. Während unserer 2007er Tour mit ENSLAVED sprang deren Sänger Grutle Kjellson bei den letzten drei Deutschlandgigs jeweils für dieses Stück ans Mikrofon. Wir fanden alle, dass die Version mit seiner Stimme großartig war, und so kam es dann auch bei den "Blackjazz"-Aufnahmen dazu, dass wir versuchten, davon eine richtige Studioaufnahme einzuspielen. Das ist die Geschichte dahinter... aber konkrete Pläne für weitere Coversongs haben wir eigentlich nicht. Obwohl es natürlich schon cool wäre, noch mehr in dieser Richtung zu machen, denn es gibt eine menge extrem geiler Songs da draußen.
...derer zu "verblackjazzen" es sich lohnen würde. Nun denn, wichtiger sind immer noch die eigenen Songs – und bei denen würde mich die textliche Komponente mal interessieren...
Die Texte auf "Blackjazz" sind eigentlich ähnlich wie die auf unseren früheren Alben, aber auch ähnlich, wie der Texte von "21st Century Schizoid Man" geschrieben wurde. Es sind im Grunde mehr oder weniger nur Worte und Phrasen, die zusammen meistens keine vollständigen Sätze ergeben, aber irgendwie eine Bedeutung bekommen, wenn sie zusammengefügt werden. Das fühlt sich fast an wie eine Fieberfantasie oder ein Albtraum.
Die Texte sind aber durchaus etwas aggressiver geworden, denn ich habe in den letzten zwei Jahren persönlich ziemlich viel Mist erlebt, und da haben sich in mir sehr viele schlechte Gefühle und Aggressionen angestaut. Ich habe gemerkt, dass die Musik dafür als Ventil eine sehr gute Möglichkeit ist, mit diesen Emotionen klarzukommen und sie zu nutzen. Aus negativen Gefühlen Musik zu erschaffen ist sowieso eine sehr friedliche und kreative Art des Umgangs mit ihnen. Es gibt eine Menge Menschen, die zum Beispiel im Knast sitzen, weil sie meistens viel destruktivere Wege gewählt haben, um mit ihren Gefühlen klarzukommen. Da empfehle ich doch eher Musik statt Gefängnis!
Musik statt Knast - klingt ja fast wie ein Slogan gegen Gewalt, hehe. Wenn du so auf deine Arbeiten mit SHINING zurückblickst: Hättest du, wenn du die Zeit zurückdrehen könntest, irgend etwas anders gemacht? Bedauerst du irgend etwas?
Ganz sicher gibt es da das ein oder andere, was wir hätten besser machen können, aber statt die Energie dahingehend zu verschwenden, sich über Vergangenes zu ärgern, nutzen wir diese "Fehler" eher auf positive Weise, indem wir aus ihnen lernen und mit den Erfahrungen ans nächste Album gehen. Was "Blackjazz" angeht, glaube ich nicht, dass ich irgend etwas besser hätte machen können. Aber vielleicht geht es mir in einem Jahr oder so anders, wenn ich an einer neuen Platte werkele.
Blicken wir mal wieder in die Jetztzeit. Und nach Norwegen. In letzter zeit, also seit etwa zwei Dekaden, scheint euer Heimatland stilistisch deutlich breitgefächerter geworden zu sein. Damals in den 90ern kannten wir in Deutschland eigentlich nicht all zu viel aus Norwegen, eben nur die typischen Black Metal-Bands und ein paar Rock'n'Roll- und Hard Rock-Bands. Nun ist alles bunt gemischt. Hat das mit den Netzwerken, die es seit einiger Zeit im Internet gibt, zu tun? Oder haben sich auch die Musikfans verändert?
Ich glaube, beides dürfte der Fall sein. Das "neue" Internet vereinfacht es Musikliebhabern doch sehr, neue und interessante Musik zu entdecken, ohne dass sie sich auf den persönlichen Geschmack ihres örtlichen Plattenladens verlassen müssen. Das resultiert natürlich darin, dass viele Bands auch außerhalb ihres Heimatlandes sehr bekannt werden können – und ohne das Internet hätten sie im Ausland nur einen Bruchteil ihres Bekanntheitsgrades erlangt.
Ebenso glaube ich aber, dass in den Köpfen der Leute im Moment eine riesige Umstellung stattfindet. Immer mehr Leuten sind Genres an sich immer egaler – wichtig ist ihnen nur, ob ihnen es gefällt oder nicht. Die Kids von heute hören sich Black Metal an, ohne sich anzupinseln – und sie hören sich Hip Hop an, ohne dass man es ihnen ansieht. Das ist eine tolle Entwicklung, und ich sehe der Zukunft der Musik sehr positiv entgegen.
Was zur Zeit mit dem Black Metal passiert, ist in seinen Grundzügen das, was mit jedem anderen neuen Genre auch passiert, nämlich, dass es als Kunstform reift und sich von den nichtmusikalischen Elementen emanzipiert , die es in seinen Anfängen gewissermaßen noch als Persönlichkeitsbildung brauchte. Jetzt, wo beispielsweise der Black Metal "erwachsen" geworden ist, ist Corpsepaint oder Satanismus nicht mehr notwendig, und ebenso wird jenes Genre (oder andere Genres) offener für die Vermischung mit anderen Stilen... Jazz zum Beispiel.
Das Gleiche ist mit dem Jazz in den 60ern passiert, als Weiße Jazz gespielt und ihn intellektualisiert haben. Ebenso mit dem Hip Hop, dem Punk, Electronica oder natürlich mit klassischer Musik.
Würde die Musikpromotion heute auch noch funktionieren, wenn es diese sogenannten "social networks" wie MySpace, YouTube oder Twitter heute plötzlich nicht mehr gäbe?
Die Leute haben ja auch, lange bevor es das Internet gab, professionell musiziert und komponiert, daher denke ich, dass es heute auch noch funktionieren könnte. Aber es ist heute eben anders. Positiv ist da natürlich MySpace, negativ allerdings die abhanden kommende Kontrolle bei Raubkopien von urheberrechtlich geschütztem Material.
Es wird spannend sein, zu verfolgen, wie die Zukunft des Musikbusiness' aussehen wird. Letztendlich brauchen wir aber einfach nur professionelle Musiker, die gute Musik machen. Mit Musik kein Geld verdienen zu können ist nicht gut für ihre zukünftige Qualität.
Womit wir bei einer Frage angekommen sind, die ich Musikern immer sehr gerne stelle. Musik als Kunst, Musik als Produkt. Wie denkst du über diese beiden, nennen wir sie "Extreme"?
Ich befinde mich ja persönlich im "Musik als Kunst"-Sektor. Aber der "Musik als Produkt"-Sektor hat ebenfalls einige gute Sachen mit sich gebracht, und diese können genauso eine große Quelle der Inspiration sein. Ich denke, die beiden Extreme beschreiben lediglich zwei unterschiedliche Herangehensweisen an das Musizieren, und jeder kann sich selbst aussuchen, wo zwischen diesen beiden Extremen er agieren möchte.
Was hältst du eigentlich von Musikkategorisierungen? Sind diese deiner Meinung nach eher hilfreich? Oder bestenfalls hilfreich, die Leute irrezuführen?
Ich glaube, wir brauchen Wörter, um denken zu können, und daher ist es erfreulich, Wörter dafür zu haben, um Musik zu beschreiben und zu analysieren. Viele Künstler mit musikalischen Ausdrucksformen, welche nicht in die gängigen Genres passen, haben es oft sehr schwer, ihre Musik an den Mann zu bringen, da noch zahlreiche Leute so auf existierende Genres fixiert sind, dass alles, was sich zwischen den Stühlen befindet, übersehen wird.
Mit dem "Blackjazz"-Album haben wir unser eigenes Genre erschaffen, und ich hoffe, dass andere Bands, die sich auch an dieser Art Musik versuchen, ihre Musik ebenfall Blackjazz nennen.
Na, "Extremer Jazz-Metal mit Industrial-, Elektro-, Rock- und Prog-Einflüssen und einigen schwer zu definierenden Fragmenten" wäre zwar präziser, aber sicherlich zu lang, haha...
Haha, das könnte aber funktionieren. In der Tat sehr lang, aber trotzalledem eine sehr treffende Bezeichnung!
Zu Kategorien gehören ja auch die entsprechenden Szenen. Fühlst du dich irgendeiner Musikszene zugehörig? Glaubst du überhaupt, dass es heutzutage noch irgendwelche Musikszenen an sich gibt?
Selbstverständlich gibt es auch heute noch Szenen. Manche sterben halt langsam aus, und andere werden gerade geboren... ich selbst fühle mich als Teil einer sich entwickelnden Szene aus lauter Musikern, die Jazz mit Metal verbinden. Ich glaube, diese Szene wird bald deutlich wachsen.
Ich frage auch deshalb, weil ich eure Band noch nie "on stage" gesehen habe. Dennoch wäre ich sehr neugierig, aus welchen Leuten sich die "typische SHINING-Crowd" auf Gigs zusammensetzt.
Oh, unsere Zuschauerschaft besteht aus sehr verschiedenen Leuten. Jazzer, Hipster, Metalheads, Hardcoreler, Progfans, Klassikfans, Noise-Freaks. Wir haben Fans, die 14 sind, andere sind 60, männlich wie weiblich... die meisten sind so 17 bis 30, aber der größte gemeinsame Nenner ist wohl der, dass alle sehr intelligent und smart sind. Wir haben das beste Publikum aller Zeiten.
Dann stellt sich natürlich auch die Frage, ob und wann ein paar deutsche Gehirnwindungen von euch höchstpersönlich verknotet werden...
Deutschen Gehirnsalat wird es im April auf drei Konzerten geben, ich habe euch hierfür mal die Gigs der kommenden Tour im März und April 2010 aufgelistet. Auf unserer MySpace-Seite (http://www.myspace.com/shiningofficial) halten wir die Tourdaten stets aktuell.
11.04.10 – Hafenklang, Hamburg
12.04.10 – Beatpol, Dresden
13.04.10 – Magnet, Berlin
Ich sollte in der Tat langsam mal einen Ortswechsel veranlassen. Okay, Jørgen, dann danke ich dir vielmals für die aufgebrachte Zeit für musikreviews.de – lasst euch auf keinen Fall beirren und geht euren Weg einfach weiter! Falls dir noch irgend etwas auf der Zunge brennt, dann gehören die letzten Worte traditionell dir.
Ich danke dir herzlichst, dass DU dir Zeit für UNS genommen hast. Und vielleicht sieht man sich im April ja doch?
Gerne möchte ich noch mal auf unseren großartigen Produzenten und Toningenieur Sean Beavan aufmerksam machen. Ich bin so verdammt glücklich darüber, dass er uns auf unserer "Blackjazz"-Mission gefolgt ist. Seine Arbeit für NINE INCH NAILS, MARILYN MANSON und SLAYER ist einfach großartig, und auch wegen seiner Arbeit für Pop-Künstler wie NO DOUBT und DEPECHE MODE war mir früh klar, dass er genau der Richtige für "Blackjazz" war.
Er hat nicht einfach nur bewiesen, dass er der Richtige war, nein, er war einfach der perfekte Mann für uns. Sein unglaubliches Talent ist so einwandfrei... sein Wissen über musikalische und technische Theorie, sein Verständnis und seine Sensibilität für Emotionen in der Musik, seine Fähigkeit, diese Dinge in Worten zu reflektieren und zu diskutieren – all das macht ihn zu dem besten Mann, mit dem ich je gearbeitet habe! Er ist voller toller Ideen, WIE man WAS mixen könnte, und er hat dem Album deutlich seinen Stempel aufgedrückt. Obendrein ist er generell ein klasse Mensch, und seine Familie ist außerordentlich nett. Es ist glaube ich unnötig zu betonen, dass Sean extrem viel zu "Blackjazz" beigetragen hat, und ich war damals so froh über seine Zusage. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie das Album ohne ihn geworden wäre...
Chris Popp
(Info)
God dag! Wie läuft denn die Promoarbeit bei euch? Stressig wird sie sein, oder?
God dag! Danke der Nachfrage, ja, die Promomaschine läuft auf Hochtouren. Wir geben ständig Interviews für Magazine, Radio- und Fernsehsendungen. Es ist eine recht anstrengende Zeit, aber genau das Feedback haben wir uns erhofft. Demnach sind wir sehr glücklich darüber, wie es läuft.
Eure neue Scheibe "Blackjazz" ist ja ein ganz schöner Brocken geworden, Glückwunsch dafür. Wie wurde das Album denn sonst noch so seitens der Presse aufgenommen?
Allerbesten Dank für das Kompliment! Die Reaktionen waren bisher unglaublich gut - besonders in den USA, wo uns das "Time Out New York" glatt zwei Wochen vor dem "Blackjazz"-Release zu den "Stars of 2010" ernannt hat. Die ganzen wichtigen Medien haben sich diesem Tenor angeschlossen, und es hagelte großartige Reviews für das Album, beispielsweise in den New York Times, im Metal Hammer, in der Alternative Press, bei Allmusic.com, Popmatters.com, im Aquarius Weekly und und und. Nicht vergessen sollte man dabei auch die zweiseitige Titelstory in der Februarausgabe des Terrorizer. Und das ist wohl nur der Anfang. Wenn ich mir solche Zitate wie "All hail SHINING, the kings of new-school Prog Rock." (411 Mania) oder "One of the most assaultive, addictive albums around!" (Allmusic.com) gebe, dann gibt mir das das Gefühl, dass es es wert war, ein ganzes Jahr nichts anderes zu tun als an diesem Album zu arbeiten.
Die Platte war bei unserem europäischen Label (Indie Recordings – Anm. d. Verf.) nach sage und schreibe drei Tagen ausverkauft und debütierte in der offiziellen norwegischen Bestsellerliste aller Alben bereits nach einer Woche auf Platz 9. Seitdem beauftragt unser Label permanent Neupressungen, damit der explosionsartige Bedarf an "Blackjazz" gedeckt bleibt. Außerdem haben wir gerade die erste Release-Tour in Norwegen hinter uns, und in allen Städten waren unsere Gigs komplett ausverkauft. Zusammenfassend kann ich also sagen, dass ich extrem zufrieden mit den Fan- und Pressereaktionen bin. Wir freuen uns auch sehr auf die Europatour, die im März beginnt. Lass uns mal hoffen, dass es dort auch so gut wie in Norwegen läuft.
"Blackjazz" scheint wohl die bislang "am einfachsten zugängliche" SHINING-Veröffentlichung zu sein, wobei sie natürlich dennoch ganz schön schräg und krank ist. War das eher eine natürliche Entwicklung? Oder habt ihr bewusst darauf hingearbeitet?
Wenn wir eine neue Richtung einschlagen, dann basiert das ausschließlich darauf, was wir selbst spielen möchten. Wir versuchen nicht etwa, den momentanen Musikmarkt zu analysieren, um dann einen "Hit" mit dem zu landen, wovon wir eventuell denken, dass es die Leute mögen könnten. Stattdessen setzen wir uns zum Ziel, die Musik zu machen, von der wir wissen, dass wir selbst sie mögen – denn nur das können wir ganz genau wissen.
Dennoch glaube und fühle ich durchaus, dass "Blackjazz" eine Art Statement von uns ist. Der Entstehungsprozess des Albums war sehr durchdacht und sehr bewusst. Als Sean Beavan (NINE INCH NAILS, MARILYN MANSON, SLAYER) im Januar 2009 mit mir telefoniert hatte und wir diskutierten, wie wir das Album mixen sollten, sagte ich ihm, dass ich möchte, dass das Album "so extrem, wütend und bösartig wie möglich, aber auch so catchy wie es geht" klingen sollte. Das fasst meine Vision für den Gesamtsound des Werkes ganz gut zusammen.
Wir wollten auch, dass SHINING auf dem neuen Album mehr nach einer Band klingen, dafür weniger nach einem zusammeneditierten Studioprojekt, so wie es bei "Grindstone" oder "In A Kingdom Of Kitsch..." der Fall war. Ebenso wollten wir nicht, dass die Leute uns als eine Instrumentalband wahrnehmen – und wir wollten eben Musik erschaffen, die gleichzeitig durchgeknallt UND catchy ist.
Das hat uns dann zu einer eher standardisierten Rockband-Instrumentierung geführt, also mit Bass, Drums und Gitarren als Basisfundament, und das schrie natürlich auch danach, mehr Vocals und catchy Refrains einzubauen, sodass alles zueinander passt. Wenn man in seiner Musik Gesang hat, gibt das der Musik in meinen Augen quasi ein "Gesicht", vor allem rückt es die Musik näher an den Hörer heran. Ich wollte, dass die Musik auf "Blackjazz" aus den Lautsprechern springt – sowohl im Song- als auch im Soundkontext.
Über den Albumtitel haben wir uns auch sehr viele Gedanken gemacht. Der Begriff "Blackjazz" ist eine Kombination aus "Free Jazz" und "Black Metal". Wir schreiben ihn in einem Wort und nicht in zweien, um uns vom "schwarzen" Oldschool-USA-Jazz abzuheben, und dieser Albumtitel soll gewissermaßen einen Namen für das Genre suggerieren, in welchem wir unserer Meinung nach angekommen sind. Es ist eine Bezeichnung für unser eigenes Genre: "Wir spielen Blackjazz."... Ebenso ist es eine Referenz an frühere, genredefinierende Alben wie beispielsweise VENOMs "Black Metal", ORNETTE COLEMANs "Free Jazz" und "The Shape Of Jazz To Come".
Wir wollten Free Jazz mit Black Metal verbinden, ja, aber das könnte eine sehr schmutzige Kombination werden, da beide Genres normalerweise einen sehr schmutzigen und groben Sound haben. Wir hingegen wollten diese wahnsinnige Musik in ein frisches und einprägsames Gewand packen. Welche Lösung wäre da besser gewesen als die, sich nach Hollywood aufzumachen?
In den letzten beiden Jahren habe ich sehr viel NINE INCH NAILS und MARILYN MANSON gehört, und ich bin von beiden ein großer Fan geworden! Ich mag die Art und Weise sehr, wie sie es schaffen, bedingungslose Catchiness mit kompromissloser Aggressivität zu verbinden. Beide Bands hören sich obendrein gleichermaßen schmutzig und poliert an. All das, in Kombination mit diesem kalten, industrialartigen Vibe, wollte ich in "Blackjazz" implementieren.
Aber um auf deine ursprüngliche Frage zurück zu kommen: Insgesamt denke ich, dass man sagen kann, dass unsere Entwicklung schrittweise und natürlich kam, aber gleichermaßen auch ein sehr bewusster und durchdachter Prozess war. Die Wirkung von "Blackjazz" erscheint mir sehr nachhaltig, zumal unser letzter Albumrelease im Januar 2007 nun schon lange zurück liegt. Hätten wir eine Aufnahme unserer besonderen 2008er "Armageddon Concert"-Kollaboration mit ENSLAVED veröffentlicht, dann glaube ich, hätte man dieses Teil das "fehlende Glied" zwischen "Grindstone" und "Blackjazz" sehen können.
Einer meiner Kollegen hatte eine sehr interessante Frage, und zwar würde er gerne wissen, ob ihr es jemals (theoretisch) fertigbekommen würdet, einen ganz "normalen" Song zu schreiben. Oder hat sich die Art, wie ihr Songs schreibt, bereits in eurem tiefsten Inneren manifestiert?
Ich bin ausgebildeter Musiker und Komponist, und ich habe mit vielen Künstlern und Bands gearbeitet – sowohl als Komponist als auch als Musiker. Viele dieser Künstler sind völlig "normal", und in meiner Arbeitsweise gibt es eigentlich gar nichts, was mich davon abhalten könnte, auch gewöhnliche Musik zu schreiben.
Doch irgendwie fühlt es sich bei SHINING einfach richtig an, alles andere als "normale" Musik zu machen, und deswegen klingen wir nicht all zu gewöhnlich. Ich weiß nicht, was wir noch so in der Zukunft tun werden, aber ich glaube kaum, dass sich das alles irgendwann mal völlig "normal" anhört. Aber wer weiß das schon?
Für Überraschungen seid ihr ja immer gut. Überrascht war ich auch, als ich feststellen durfte, dass du auf IHSAHNs neuer Scheibe "After" coolerweise Gastmusiker am Saxophon warst. Wie arbeitet es sich mit ihm?
Danke für das Kompliment! Nun, Vegard (IHSAHNs bürgerlicher Name – Anm. d. Verf.) ist ein feiner Kerl, und wir kommen sehr gut miteinander aus. Wir sind beide menschlich sehr ähnlich, sehr sonderbar, extrem sorgfältig und detailbesessen, sind beide auf der intellektuellen Schiene unterwegs, still und bescheiden. Außerdem haben wir in puncto Gesellschaft sehr, sehr oft die gleichen Ansichten.
Die Zusammenarbeit mit ihm hätte nicht geschmeidiger ablaufen können. Er rief mich irgendwann während der "Blackjazz"-Aufnahmen an, und wir haben uns sofort bestens miteinander verstanden. Die Unterhaltung wurde ziemlich schnell zu Fachsimpelei, zum Beispiel wie man Gitarrensignale re-ampt, welche DI- und Re-Amp-Boxen die besten seien. Er schlug mir ein Gerät namens "MW1 Studio Tool" vor, das ich noch am selben Tag kaufte. Dann quatschten wir darüber, wie sehr ich die API 3124+ Mikrofon-Pre-Amps liebe – und die bestellte er sich dann ebenfalls am gleichen Tag, haha.
Er schickte mir dann seine Demoaufnahmen der "After"-Songs, mit einigen Gedanken seinerseits, an welchen Stellen ich etwas spielen könnte... und wo ich eher Melodien spielen und wo eher improvisieren könnte. Ebenso meinte er, dass er auch auf Ideen, die ich eventuell so hätte, gespannt sei.
Also habe ich mir das ganze Album angehört, schrieb alle Basslinien, Gitarrenspuren, Melodien und Rhythmuspatterns, ja eigentlich alles nieder und habe ein wenig zur Musik geprobt. Dann bin ich umgehend in den Bus nach Notodden, wo Vegard lebt, gestiegen. Dort haben wir in seinem Homestudio dann prompt mit den Aufnahmen begonnen... auch seine Kids und seine Frau hingen mit uns ab, und wir hatten eine prima Zeit.
Alles in allem war es eine tolle Erfahrung, mit IHSAHN zu arbeiten, und ich bin sehr stolz darauf, ein Teil des "After"-Albums zu sein. Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis, und ich bin absolut beeindruckt von Vegards Mut, einem Jazzsaxophonisten eine solch prominente Rolle auf einem seiner Alben einzuräumen. Ich weiß, dass es keine einfache Entscheidung war, wenn man sich all der engstirnigen, retrokonservativen Metalheads bewusst ist, die viel lieber ein neues EMPEROR-Album von ihm hören wollen. Vegard und ich sind mittlerweile gute Freunde, und wir telefonieren sehr oft miteinander.
Gibt es sonst noch irgendwelche aktuellen Gastfeatures von dir oder anderen SHINING-Mitgliedern? Vielleicht auch Bands, in denen deine Bandkollegen aktiv sind - oder gar du selbst?
Abseits von SHINING habe ich nicht gerade viel Zeit. Ich komponierte und spielte mal in einer recht bekannten Band namens JAGA JAZZIST. Ich war dort von 1994 bis 2004 aktiv und habe viel von deren Material geschrieben. Die Gruppe existiert noch, ich bin allerdings 2004 ausgestiegen, um mich fortan auf SHINING zu konzentrieren. Wenn du neugierig bist, dann kannst du unter http://www.myspace.com/jagajazzist mal reinhören.
Unser Schlagzeuger Torstein und ich spielen in einer Jazzband namens CHROME HELL. Wir haben unter einem anderen Bandnamen zwei Mainstream-Jazzalben herausgebracht, doch als wir 2008 das neue Album "Earthlings" rausbrachten, benannten wir uns um. Hörproben findest du unter http://www.myspace.com/chromehill zuhauf. Außerdem hat Torstein noch seine eigene Jazz-Rock-Band ELEPHANT9, die sich aus Schlagzeug, Bass und Keyboard zusammensetzt. Die Truppe spielt hochenergetischen 70er-MILES DAVIS-Jazz-Rock, auch sehr cool, und unter http://www.myspace.com/elephant9theband gibt es auch Hörstoff.
Unser Bassist hat eine Country-Banjo-Band (THE HOLSTEIN UNITED BLUEGRASS BOYS/http://www.myspace.com/thubbmusic), und unser Keyboarder Bernt hat unter http://www.myspace.com/berntmoen noch etwas Musik parat. "Breached" ist ein sehr geiles Special Defects-Teil! Ach, ich hätte zu gerne auch selbst Zeit für eine andere Band, aber momentan habe ich echt absolut keine freie Minute, um noch irgendwoanders tätig zu sein...
(Heilige Truthahnscheiße, ich höre mich gerade durch die Sachen durch, gerade läuft "Breached"... dagegen sind Thordendals spezielle Defekte ja fast schon Kinderkirmes... Aber bevor ich mich nun auf den Bandseiten verliere... - Anm. d. Verf.)
Nicht gerade wenig Material. Nun, ich bin mir sicher, dass ihr die kommende Frage schon millionenfach gestellt bekommen habt, aber wir wollen unsere Leser natürlich auch nicht im Dunkeln tappen lassen. Die schwedischen Suicidal Black Metal-Chaoten heißen ja auch SHINING. War das Absicht, Zufall, Unfall? Oder ist euch das schlichtweg egal?
Die Anfänge beider Bands liegen nun schon über zehn Jahre zurück, und damals existierte das Internet noch nicht so wie in seiner heutigen Form, daher wussten weder wir noch Niklas (=Kvarforth, Rasierklingenkommandant der "anderen" SHINING – Anm. d. Verf.) von der jeweils anderen Band. Ich glaube, ich habe zum ersten mal im Jahre 2006 von unseren Namensvettern gehört, und zu der Zeit waren wir gerade dabei, unser viertes Album "Grindstone" zu veröffentlichen. Nun haben beide Bands natürlich einen Status erreicht, der ihnen einen weltweit recht großen Fankreis beschert hat, und das kann natürlich manchmal einige Verwirrung stiften.
Aber ich kenne Niklas nun, und ich bin auch ein großer Fan von ihm und seiner Musik. Ich weiß auch, dass wir beide einfach nur gute Musik machen wollen und uns lieber darauf konzentrieren, anstatt irgendwelche Namensstreitigkeiten anzuzetteln. Jetzt sind ja beide SHINING-Bands auch noch beim gleichen Label unter Vertrag, da Niklas sein nächstes SHINING-Album auch bei Indie Recordings veröffentlichen wird.
Zwischen den beiden Bands besteht keinerlei Rivalität oder dergleichen, und ich hoffe einfach mal, dass beide Bands in Zukunft einfach weiterhin tolle Musik an ihre Fans abliefern können, ohne dass die Leute großes Trara um die Tatsache machen, dass wir uns den gleichen Bandnamen teilen. Letztendlich ist es nur wichtig, dass die Presse und die Konzertveranstalter uns auseinanderhalten, indem sie eindeutig anmerken, ob es sich um die norwegischen oder die schwedischen SHINING handelt. Diese einfache Sache würde sämtliche Verwirrung zunichte machen. Ich schreibe grundsätzlich SHINING (NOR) auf Webseiten oder Presseschreiben, und da wir nun auch noch auf dem gleichen Label sind, wird es für die Leute noch einfacher werden, uns in Zukunft auseinanderhalten zu können, da sie mit der Nase auf die Tatsache, dass es zwei verschiedene Bands mit dem selben Namen gibt, gestubst werden.
iTunes hat für jede der beiden SHININGs eine separate Seite eingerichtet, und daher scheinen sich die Leute daran gewöhnt zu haben, dass zwei Bands dieses Namens aktiv sind. Und mal ehrlich, das "schlimmste", was passieren kann, ist doch, dass ein Fan, der nach einer der Bands sucht, so auf die andere, ihm unbekannte, tolle, Band stößt. Und das ist doch ein positiver Nebeneffekt, einerseits für die Bands und andererseits für den Fan, der etwas Neues entdeckt.
Gehe ich recht in der Annahme, dass KING CRIMSON stets ein großer Einfluss für euch waren? Welche Künstler beeinflussen dich sonst noch?
Oh, eigentlich habe ich KING CRIMSON bis 2005 nie all zu viel Beachtung geschenkt, aber danach wurden sie definitiv zu einem meiner größten Einflüsse. Andere große musikalische Einflüsse sind auf jeden Fall WAGNER, MILES, COLTRANE, COLEMAN, SCHÖNBERG, LIGETI, MICHAEL BRECKER, JAGA JAZZIST, FREDRIK THORDENDAL'S SPECIAL DEFECTS, LIGHTNING BOLT, VAN DER GRAAF, SEAN BEAVAN, TIM SKÖLD, DREAM THEATER, PANTERA, ENTOMBED, SLAYER, DEATH, OLIVIER MESSIAEN, PAUL HINDEMITH'S MUSICAL THEORY, DAVE LIEBMAN, MARILYN MANSON, SLIPKNOT und viele mehr...
In puncto Sound haben mich bei "Blackjazz" neben deren musikalischer Inspiration auf jeden Fall NINE INCH NAILS, MARILYN MANSON und MINISTRY beeinflusst. Auch Bands wie SLIPKNOT, MESHUGGAH und THE DILLINGER ESCAPE PLAN sowie norwegische Black Metal-Bands wie ENSLAVED, SATYRICON und EMPEROR haben "Blackjazz" inspiriert.
Aber auch außerhalb der Musik gibt es unglaublich viele Inspirationsquellen wie etwa Filme, Bücher, bildende Kunst, Tanz, Wissenschaft, Philosophie und Sport. Aber ich liste jetzt lieber nicht noch mehr auf, ansonsten würde das ein wenig zu sehr ausufern...
Das würde bei deiner Redseligkeit jetzt nicht weiter auffallen, hehe. Aber noch mal zu KING CRIMSON. Ich dachte ja erst: "Ach je, SCHON wieder ein '21st Century Schizoid Man'-Cover?" - aber als ich dann den ersten Hördurchlauf hinter mir hatte, war ich sehr überrascht und begeistert. Wie haben die Leute denn sonst so reagiert?
Ich glaube, die meisten haben ähnlich auf den Song reagiert wie du. Am Anfang haben die Leute noch eine ziemlich stereotype Vorstellung davon, wie der Song klingen wird – egal, ob im positiven oder negativen Sinne. Aber nachdem sie dann die 'Play'-Taste gedrückt haben, waren die meisten doch bass erstaunt, weil das Cover keinesfalls so klang, wie sie es erwartet hätten. Anscheinend finden viele Fans unsere Interpretation enorm erfrischend, aber gleichzeitig empfinden sie sie als eine respektvolle Hommage an KING CRIMSON. Und das freut mich.
Habt ihr noch andere erwähnenswerte Coverversionen in eurem Repertoire?
Wir machen uns eigentlich gar keine Gedanken über Coversongs, zumal all unsere anderen Songs ausschließlich Eigenkompositionen sind. Der einzige Grund, weshalb wir diesen Song gecovert haben, war, weil wir Anfang 2007 von den Machern einer norwegischen Radiosendung gefragt wurden, ob wir an einem Programm teilnehmen möchten, in welchem wir eine Band präsentieren, die wir lieben und dann von dieser Band eine Coverversion spielen. Unser Gitarrist schlug KING CRIMSON vor, und so kamen wir dann auf dieses Stück.
Nach ebenjener Radiosendung haben wir damit angefangen, den Song auch in unsere Liveshows einzubauen. Während unserer 2007er Tour mit ENSLAVED sprang deren Sänger Grutle Kjellson bei den letzten drei Deutschlandgigs jeweils für dieses Stück ans Mikrofon. Wir fanden alle, dass die Version mit seiner Stimme großartig war, und so kam es dann auch bei den "Blackjazz"-Aufnahmen dazu, dass wir versuchten, davon eine richtige Studioaufnahme einzuspielen. Das ist die Geschichte dahinter... aber konkrete Pläne für weitere Coversongs haben wir eigentlich nicht. Obwohl es natürlich schon cool wäre, noch mehr in dieser Richtung zu machen, denn es gibt eine menge extrem geiler Songs da draußen.
...derer zu "verblackjazzen" es sich lohnen würde. Nun denn, wichtiger sind immer noch die eigenen Songs – und bei denen würde mich die textliche Komponente mal interessieren...
Die Texte auf "Blackjazz" sind eigentlich ähnlich wie die auf unseren früheren Alben, aber auch ähnlich, wie der Texte von "21st Century Schizoid Man" geschrieben wurde. Es sind im Grunde mehr oder weniger nur Worte und Phrasen, die zusammen meistens keine vollständigen Sätze ergeben, aber irgendwie eine Bedeutung bekommen, wenn sie zusammengefügt werden. Das fühlt sich fast an wie eine Fieberfantasie oder ein Albtraum.
Die Texte sind aber durchaus etwas aggressiver geworden, denn ich habe in den letzten zwei Jahren persönlich ziemlich viel Mist erlebt, und da haben sich in mir sehr viele schlechte Gefühle und Aggressionen angestaut. Ich habe gemerkt, dass die Musik dafür als Ventil eine sehr gute Möglichkeit ist, mit diesen Emotionen klarzukommen und sie zu nutzen. Aus negativen Gefühlen Musik zu erschaffen ist sowieso eine sehr friedliche und kreative Art des Umgangs mit ihnen. Es gibt eine Menge Menschen, die zum Beispiel im Knast sitzen, weil sie meistens viel destruktivere Wege gewählt haben, um mit ihren Gefühlen klarzukommen. Da empfehle ich doch eher Musik statt Gefängnis!
Musik statt Knast - klingt ja fast wie ein Slogan gegen Gewalt, hehe. Wenn du so auf deine Arbeiten mit SHINING zurückblickst: Hättest du, wenn du die Zeit zurückdrehen könntest, irgend etwas anders gemacht? Bedauerst du irgend etwas?
Ganz sicher gibt es da das ein oder andere, was wir hätten besser machen können, aber statt die Energie dahingehend zu verschwenden, sich über Vergangenes zu ärgern, nutzen wir diese "Fehler" eher auf positive Weise, indem wir aus ihnen lernen und mit den Erfahrungen ans nächste Album gehen. Was "Blackjazz" angeht, glaube ich nicht, dass ich irgend etwas besser hätte machen können. Aber vielleicht geht es mir in einem Jahr oder so anders, wenn ich an einer neuen Platte werkele.
Blicken wir mal wieder in die Jetztzeit. Und nach Norwegen. In letzter zeit, also seit etwa zwei Dekaden, scheint euer Heimatland stilistisch deutlich breitgefächerter geworden zu sein. Damals in den 90ern kannten wir in Deutschland eigentlich nicht all zu viel aus Norwegen, eben nur die typischen Black Metal-Bands und ein paar Rock'n'Roll- und Hard Rock-Bands. Nun ist alles bunt gemischt. Hat das mit den Netzwerken, die es seit einiger Zeit im Internet gibt, zu tun? Oder haben sich auch die Musikfans verändert?
Ich glaube, beides dürfte der Fall sein. Das "neue" Internet vereinfacht es Musikliebhabern doch sehr, neue und interessante Musik zu entdecken, ohne dass sie sich auf den persönlichen Geschmack ihres örtlichen Plattenladens verlassen müssen. Das resultiert natürlich darin, dass viele Bands auch außerhalb ihres Heimatlandes sehr bekannt werden können – und ohne das Internet hätten sie im Ausland nur einen Bruchteil ihres Bekanntheitsgrades erlangt.
Ebenso glaube ich aber, dass in den Köpfen der Leute im Moment eine riesige Umstellung stattfindet. Immer mehr Leuten sind Genres an sich immer egaler – wichtig ist ihnen nur, ob ihnen es gefällt oder nicht. Die Kids von heute hören sich Black Metal an, ohne sich anzupinseln – und sie hören sich Hip Hop an, ohne dass man es ihnen ansieht. Das ist eine tolle Entwicklung, und ich sehe der Zukunft der Musik sehr positiv entgegen.
Was zur Zeit mit dem Black Metal passiert, ist in seinen Grundzügen das, was mit jedem anderen neuen Genre auch passiert, nämlich, dass es als Kunstform reift und sich von den nichtmusikalischen Elementen emanzipiert , die es in seinen Anfängen gewissermaßen noch als Persönlichkeitsbildung brauchte. Jetzt, wo beispielsweise der Black Metal "erwachsen" geworden ist, ist Corpsepaint oder Satanismus nicht mehr notwendig, und ebenso wird jenes Genre (oder andere Genres) offener für die Vermischung mit anderen Stilen... Jazz zum Beispiel.
Das Gleiche ist mit dem Jazz in den 60ern passiert, als Weiße Jazz gespielt und ihn intellektualisiert haben. Ebenso mit dem Hip Hop, dem Punk, Electronica oder natürlich mit klassischer Musik.
Würde die Musikpromotion heute auch noch funktionieren, wenn es diese sogenannten "social networks" wie MySpace, YouTube oder Twitter heute plötzlich nicht mehr gäbe?
Die Leute haben ja auch, lange bevor es das Internet gab, professionell musiziert und komponiert, daher denke ich, dass es heute auch noch funktionieren könnte. Aber es ist heute eben anders. Positiv ist da natürlich MySpace, negativ allerdings die abhanden kommende Kontrolle bei Raubkopien von urheberrechtlich geschütztem Material.
Es wird spannend sein, zu verfolgen, wie die Zukunft des Musikbusiness' aussehen wird. Letztendlich brauchen wir aber einfach nur professionelle Musiker, die gute Musik machen. Mit Musik kein Geld verdienen zu können ist nicht gut für ihre zukünftige Qualität.
Womit wir bei einer Frage angekommen sind, die ich Musikern immer sehr gerne stelle. Musik als Kunst, Musik als Produkt. Wie denkst du über diese beiden, nennen wir sie "Extreme"?
Ich befinde mich ja persönlich im "Musik als Kunst"-Sektor. Aber der "Musik als Produkt"-Sektor hat ebenfalls einige gute Sachen mit sich gebracht, und diese können genauso eine große Quelle der Inspiration sein. Ich denke, die beiden Extreme beschreiben lediglich zwei unterschiedliche Herangehensweisen an das Musizieren, und jeder kann sich selbst aussuchen, wo zwischen diesen beiden Extremen er agieren möchte.
Was hältst du eigentlich von Musikkategorisierungen? Sind diese deiner Meinung nach eher hilfreich? Oder bestenfalls hilfreich, die Leute irrezuführen?
Ich glaube, wir brauchen Wörter, um denken zu können, und daher ist es erfreulich, Wörter dafür zu haben, um Musik zu beschreiben und zu analysieren. Viele Künstler mit musikalischen Ausdrucksformen, welche nicht in die gängigen Genres passen, haben es oft sehr schwer, ihre Musik an den Mann zu bringen, da noch zahlreiche Leute so auf existierende Genres fixiert sind, dass alles, was sich zwischen den Stühlen befindet, übersehen wird.
Mit dem "Blackjazz"-Album haben wir unser eigenes Genre erschaffen, und ich hoffe, dass andere Bands, die sich auch an dieser Art Musik versuchen, ihre Musik ebenfall Blackjazz nennen.
Na, "Extremer Jazz-Metal mit Industrial-, Elektro-, Rock- und Prog-Einflüssen und einigen schwer zu definierenden Fragmenten" wäre zwar präziser, aber sicherlich zu lang, haha...
Haha, das könnte aber funktionieren. In der Tat sehr lang, aber trotzalledem eine sehr treffende Bezeichnung!
Zu Kategorien gehören ja auch die entsprechenden Szenen. Fühlst du dich irgendeiner Musikszene zugehörig? Glaubst du überhaupt, dass es heutzutage noch irgendwelche Musikszenen an sich gibt?
Selbstverständlich gibt es auch heute noch Szenen. Manche sterben halt langsam aus, und andere werden gerade geboren... ich selbst fühle mich als Teil einer sich entwickelnden Szene aus lauter Musikern, die Jazz mit Metal verbinden. Ich glaube, diese Szene wird bald deutlich wachsen.
Ich frage auch deshalb, weil ich eure Band noch nie "on stage" gesehen habe. Dennoch wäre ich sehr neugierig, aus welchen Leuten sich die "typische SHINING-Crowd" auf Gigs zusammensetzt.
Oh, unsere Zuschauerschaft besteht aus sehr verschiedenen Leuten. Jazzer, Hipster, Metalheads, Hardcoreler, Progfans, Klassikfans, Noise-Freaks. Wir haben Fans, die 14 sind, andere sind 60, männlich wie weiblich... die meisten sind so 17 bis 30, aber der größte gemeinsame Nenner ist wohl der, dass alle sehr intelligent und smart sind. Wir haben das beste Publikum aller Zeiten.
Dann stellt sich natürlich auch die Frage, ob und wann ein paar deutsche Gehirnwindungen von euch höchstpersönlich verknotet werden...
Deutschen Gehirnsalat wird es im April auf drei Konzerten geben, ich habe euch hierfür mal die Gigs der kommenden Tour im März und April 2010 aufgelistet. Auf unserer MySpace-Seite (http://www.myspace.com/shiningofficial) halten wir die Tourdaten stets aktuell.
11.04.10 – Hafenklang, Hamburg
12.04.10 – Beatpol, Dresden
13.04.10 – Magnet, Berlin
Ich sollte in der Tat langsam mal einen Ortswechsel veranlassen. Okay, Jørgen, dann danke ich dir vielmals für die aufgebrachte Zeit für musikreviews.de – lasst euch auf keinen Fall beirren und geht euren Weg einfach weiter! Falls dir noch irgend etwas auf der Zunge brennt, dann gehören die letzten Worte traditionell dir.
Ich danke dir herzlichst, dass DU dir Zeit für UNS genommen hast. Und vielleicht sieht man sich im April ja doch?
Gerne möchte ich noch mal auf unseren großartigen Produzenten und Toningenieur Sean Beavan aufmerksam machen. Ich bin so verdammt glücklich darüber, dass er uns auf unserer "Blackjazz"-Mission gefolgt ist. Seine Arbeit für NINE INCH NAILS, MARILYN MANSON und SLAYER ist einfach großartig, und auch wegen seiner Arbeit für Pop-Künstler wie NO DOUBT und DEPECHE MODE war mir früh klar, dass er genau der Richtige für "Blackjazz" war.
Er hat nicht einfach nur bewiesen, dass er der Richtige war, nein, er war einfach der perfekte Mann für uns. Sein unglaubliches Talent ist so einwandfrei... sein Wissen über musikalische und technische Theorie, sein Verständnis und seine Sensibilität für Emotionen in der Musik, seine Fähigkeit, diese Dinge in Worten zu reflektieren und zu diskutieren – all das macht ihn zu dem besten Mann, mit dem ich je gearbeitet habe! Er ist voller toller Ideen, WIE man WAS mixen könnte, und er hat dem Album deutlich seinen Stempel aufgedrückt. Obendrein ist er generell ein klasse Mensch, und seine Familie ist außerordentlich nett. Es ist glaube ich unnötig zu betonen, dass Sean extrem viel zu "Blackjazz" beigetragen hat, und ich war damals so froh über seine Zusage. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie das Album ohne ihn geworden wäre...