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Van Morrison: Remembering Now (Review)

Artist:

Van Morrison

Van Morrison: Remembering Now
Album:

Remembering Now

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Rhythm & Blues, Folk, Soul, Gospel, Singer-Songwriter

Label: Virgin Music
Spieldauer: 68:43
Erschienen: 13.06.2025
Website: [Link]

"Belfast", der Film, erstmals angeschaut vor einem Jahr: Damit geht es los, dass ich - ein beinharter Fan von VAN MORRISON seit 40 Jahren, irgendwann aber nur noch ein sehr frustrierter - meine Liebe zu diesem Musikgenie wiederentdecke. Vorsichtig und unsicher noch, denn es ist ja erstmal nur ein einziger (freilich wunderschöner) neuer Song namens "Down To Joy" in dem autobiographischen Kino-Meisterwerk von Kenneth Brannagh über seine Heimatstadt (und die des fast 80-jährigen Sängers). Ein Lied, das irgendwie neu und doch so vertraut nach dem nordirischen Folk-Soul-Blues-Maestro klingt, dass man die Entfremdung der vergangenen Jahre umso mehr bedauert.


Seufz... War so lange so fein gewesen mit "Van the Man", doch zuletzt hatte der ewige Grantler mit seinen wüsten Verschwörungstheorien, seinen Beschimpfungen von Politikern und Medien, aber auch etlichen mittelmäßigen bis schwachen Alben bei mir (und anderen langjährigen Verehrern) arg viel Kredit verspielt. Ob es ein Zurück zur alten Magie geben kann? Es bleiben auch nach dem Aha-Erlebnis aus dem tollen Film Zweifel.

Belfast, die Stadt, erstmals kennengelernt in diesem Jahr: Ein Besuch im protzigen Rathaus dieser von den "troubles" (also dem Bürgerkrieg 1969 bis 1998) mühsam genesenen Ulster-Metropole, und da ist VAN MORRISON schon wieder präsent. Auf einer hölzernen Tafel in einem der Schauräume zur Geschichte der City of Belfast steht unter den Ehrenbürgern auch der Name "Sir George Ivan VAN MORRISON", 2013 wurde ihm diese Würdigung zuteil - vier Jahre vor Sir Kenneth Brannagh. Ich gehe in mich und überlege nochmal: Ob es ein Zurück zur alten Magie geben kann? Ach, wäre das schön.

Zwei Monate nach dieser Belfast-Tour mit viel VAN MORRISON-Bezug - er wurde im Osten der Stadt in eine Familie von Freidenkern geboren, der Vater war Atheist, was sein direktes Umfeld von den religiös-sozialen Konflikten etwas abrückte - ist die alte Liebe tatsächlich zurück. Der Grund: "Remembering Now", die für viele Kenner beste Platte dieses unendlich einflussreichen Großkünstlers seit beinahe 30 Jahren ("The Healing Game" von 1997 erhielt auch hier bei "Musikreviews" für die opulente Deluxe Edition fast die Höchstwertung). Für mich immerhin die beste Platte des alten Herrn seit dem wunderbar souligen "Keep Me Singing" von 2016.


Was ist passiert? Liegt es wirklich nur daran, dass sich VAN MORRISON nach dem offiziellen Ende der Pandemie endlich wieder auf gute eigene Songs konzentrieren konnte, die an alte Zeiten anknüpfen und dennoch frisch wirken? Oder haben ihn die Musen, die er so oft besungen hatte, tatsächlich überraschend noch einmal geküsst? Manches in der Kunst lässt sich kaum erklären.

Jedenfalls sind dies, was die Musik betrifft, ein gutes Dutzend teilweise ausufernde Rhapsodien, zum Niederknien großartige Lieder zwischen Folk, Blues und Soul, die das erratische Spätwerk von VAN MORRISON erheblich aufwerten. Und in den Texten hält sich der Misanthrop gnädig mit seinem Zorn zurück, lässt Quatsch wie auf dem inhaltlich total missglückten Corona-Zweifel-Album "Latest Record Project, Vol. 1" von 2021 (mit "Big Lie" und "They Own The Media" als negativen Highlights) einfach mal bleiben - zugunsten von lässigen künftigen Van-Klassikern wie "Cutting Corners".


So besingt VAN MORRISON in "Down To Joy" (dem eingangs erwähnten, fabelhaften "Belfast"-Soundtrack-Song, der für einen Oscar nominiert war) neue Lebensfreude und tiefe Dankbarkeit. Und das liest sich dann doch ganz anders als sein Gemuffel der Jahre davor:

Went to sleep last night
I had a kind of dream for sure
When I woke up in the morning
Felt like I was coming down to joy

What did I see, what did I hear
When I was coming down
Had a brand-new story
When I was coming down to joy

Felt so good, gratitude
When I was coming down
Something quite, quite profound
That I cried out loud




Auch später, im grandiosen Titelstück, geht es um Belfast - eine komplizierte Stadt, die VAN MORRISON zwar irgendwann verließ, aber immer im Herzen trug ("This is who I am/Remembering Now"). Ansonsten hat er die Schönheit des Schreibens von Liebesliedern wiederentdeckt ("Back To Writing Love Songs"), oder er besingt die Liebe ganz direkt ("Love, Lover And Beloved", "The Only Love I Ever Need Is Yours", "Once In A Lifetime Feelings"), oder er verbeugt sich vor seinem großen Idol Ray Charles, ohne dessen stilverbindenden Einfluss es seine eigene Musik nicht geben würde ("If It Wasn't For Ray"). Und immer wieder Erinnerungen und Staunen über das Leben (""Memories And Visions", "Haven't Lost My Sense Of Wonder").

Die Melodien und die Arrangements auf diesem exquisiten VAN MORRISON-Album sind von himmelhoher Größe und überwältigender Pracht. Üppige Streicher, crispe Bläser und inbrünstige Gospel-Chöre heben die Songs auf ein noch höheres Niveau, kleistern die feinen Harmonien also nicht zu. Die beiden atemberaubenden Schlussstücke "Remembering Now" und "Stretching Out" leisten sich insgesamt gut 14 Minuten Spieldauer - und könnten noch viel länger weitergehen, so hypnotisch ziehen sie den Hörer in ihren Bann.


Und wie soll man die Leistung dieses Veteranen, des besten weißen R&B-Sängers ever, beschreiben, ohne gleich wieder in neue Superlative auszubrechen? Darf man das sagen: Er singt wie ein junger Gott? Bitte hört's euch an - und staunt. So wie ich, dessen Verehrung für VAN MORRISON nach all den Zweifeln und Enttäuschungen der Vergangenheit genau deswegen jetzt noch größer geworden ist.


FAZIT: Viel Mist gebaut hatte VAN MORRISON in den vergangenen Jahren, mit Schwurbel-Ausfällen und Schimpftiraden, aber auch musikalisch mit diversen mediokren Platten und bestenfalls gediegenem "Malen nach Zahlen". Umso größer ist die Überraschung, wenn man nun "Remembering Now" hört - ein sehr langes Album voller Inspiration, Dringlichkeit und purer Schönheit. Kein erst jetzt entdecktes Meisterwerk aus Morrisons goldenen Jahrzehnten, sondern eine frische Scheibe, die zu den stärksten seiner Karriere zählen dürfte. Geht doch, Van the Man!

Werner Herpell (Info) (Review 198x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 14 von 15 Punkten [?]
14 Punkte
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Tracklist:
  • Down To Joy
  • If It Wasn't For Ray
  • Haven't Lost My Sense Of Wonder
  • Love, Lover And Beloved
  • Cutting Corners
  • Back To Writing Love Songs
  • The Only Love I Ever Need Is Yours
  • Once In A Lifetime Feelings
  • Stomping Ground
  • Memories And Visions
  • When The Rains Came
  • Colourblind
  • Remembering Now
  • Stretching Out

Besetzung:

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