Was waren das doch für Zeiten – die Spätsechziger und Frühsiebziger in denen alles Unmögliche als möglich erschien und offensichtlich möglich Erscheinendes als unmöglich erwies. BRIAN AUGER ist dafür ein ausgezeichnetes Beispiel, das anfangs unmittelbar mit JULIE DRISCOLL und einem so nie erwarteten Hit zusammenhing.

Denn in Großbritannien blieb der Ruf des Ausnahme-Organisten BRIAN AUGER aufgrund des von Driscoll gesungenen Hits „Wheels On Fire“ (der Titelmelodie von „Absolutely Fabulous“) für Auger fast frustrierend im banalen Jazz/Pop-Genre hängen. Da aber fühlte er sich keinesfalls wohl und widmete sich, einem experimentellen Musik-Rettungsanker gleich, seinem nächsten Experiment mit der hervorragenden, musikfreistilistischen Band OBLIVION EXPRESS, die endlich auch im 70er-Jahre-Amerika echte Erfolge einfuhren und in einem charttauglichen Abwasch in die Jazz-, Pop- und R&B-Hitlisten einstieg. Endlich schien BRIAN AUGER mit seinem ursprüngliches Konzept nicht nur auf dem richtigen Weg zu sein, sondern fand darin auch die längst fällige Bestätigung.

Ein besonders aussagekräftiges Beispiel hierfür ist die erneute Einladung von Claude Nobs zum Montreux Jazz Festival ausschließlich für seinen OBLIVION EXPRESS, nachdem er noch zwei Jahre zuvor gemeinsam mit TRINITY und JULIE DRISCOLL dort erstmals aufgetreten war.

Nun tritt wiederum Repertoire Records auf den Plan und veröffentlicht erstmals unter dem Titel „'70 Super Pop Montreux“ diese direkt von den Original-Archiv-Bändern komplett remasterte Live-Aufnahme samt einem 12-seitigen Booklet im Digipak. Den Begleittext hierzu schreibt wie bereits zu JULIE DRISCOLL, BRIAN AUGER & TRINITY „Live At Montreux 1968“ wieder Greg Boraman, in dem wir auch ein Original-Zitat zu lesen bekommen, in dem Auger seine Verblüffung über die 'Nobsy'-Einladung zum Ausdruck bringt: „Es haute mich regelrecht um, als ich erfuhr, dass wir als die gerade erst gegründeten OBLIVION EXPRESS von 'Nobsy' eine Einladung zum Jazz Festival Montreux erhielten. Aber Claude Nobs schien von uns begeistert zu sein und hatte sicher in unserem Falle seinen Einfluss geltend gemacht.“

Wiedermal kann man diesbezüglich nur „Zum Glück!“ sagen, denn die dieses Mal in Stereo-Ton entstandenen Aufnahmen, bei denen alle vier Musiker vom Schlagzeuger über den Gitarristen bis hin zum Bassisten viele Freiräume für ihre Solo-Ausflüge eingeräumt bekommen, versetzten den Hörer in Begeisterung.
Ja, da wäre man doch nur zu gerne vor 54 Jahren selbst live mit dabei gewesen.

Übrigens teilte sich damals OBLIVION EXPRESS diesen Auftritt in Montreux mit einer anderen Mega-Nummer, nämlich GINGER BAKER'S AIR FORCE, deren Auftritt im gleichen Jahr im BeatClub für viel Aufsehen sorgte.
Wer das Publikum mehr zu überzeugen wusste, ist allerdings nicht überliefert. Allerdings steht nach diesem gelungenen Konzert-Mitschnitt fest, dass „'70 Super Pop Montreux“ des OBLIVION EXPRESS' ein ganz große Live-Nummer geworden ist, wovon man sich endlich über ein halbes Jahrhundert später selber überzeugen kann.

FAZIT: BRIAN AUGER'S OBLIVION EXPRESS war Anfang der 1970er-Jahre für alle Freunde von progressiven, besonders von der Orgel bestimmten, Jazz- sowie Rock- und R&B-Klangwelten eine ganz besonders heiße Nummer, was natürlich an der spielerischen Verrücktheit zwischen Harmonie und Jam-Charakter voller Soli des Quartetts lag. Das war auch dem Chef des Montreux Jazz Festivals, Claude Nobs, nicht entgangen, der bereits zwei Jahre zuvor Auger mit Trinity und Julie Driscoll eingeladen hatte. Darum nutzte er 1970 die Gunst der Stunde und lud völlig überraschend die neue Band von Auger nach Montreux ein, die einen großartigen einstündigen Auftritt hinlegten, wie man nunmehr in guter Klangqualität auf „'70 Super Pop Montreux“ zu hören bekommt.