1999 entstanden „The Annazaal Tapes“, die bei einem Konzert in Nijmegen aufgenommen wurden. 2022 haben sich BROEKHUIS, KELLER & SCHÖNWÄLDER in eine Scheune bei Bas Broekhuis‘ Domizil zurückgezogen. Ins beschauliche Vlagtwedde, im deutsch-niederländischen Grenzgebiet mittig zwischen Papenburg und Assen liegend, um dort drei Tracks der vorliegenden „Tapes“ einzuspielen. Das abschließende „Am Großen Baum“ entsprang einer Session daheim bei Detlef Keller.

Der Einstieg „Witte Wieven“ bezieht sich auf die Legende von den Geistern weiser Frauen, die Ende des Neunzehnten Jahrhundert in der Sumpfigen Heide und dem Hohen Wald in Noord-Brabant Eindringlinge, denen sie begegneten, in die moorige Tiefe zerrten, was im Umland für Angst und/oder wohligen Grusel sorgte (etwas prosaischer ist der Ereläuterung von Bas Broekhuis, dass es es bei "wite Wieven" um die neiderländische Bezeichnung von dichtem, weißen Bodennebel handelt. Wir postpubertären Edgar Wallace-Fans wissen aber immer noch wie gruselig das mit Zwölf war). Ein atmosphärisches Stück, das mit seinen getragenen, züngelnden Klängen Naturmystik und Horrormär musikalisch ansprechend in Szene setzt. Erst zum Ende ziehen bedachtsam Rhythmen ein und führen geschmeidig zum, um eine „2“ ergänzten, Titelstück. Mit siebzehneinhalb Minuten der längste Trip des Albums.

Perkussive Elemente ergänzen sich mit emporquellenden und fließenden Klängen und ergeben eine meditative Reise, die sich den sachten Wölbungen der niederländischen Landschaft anpasst. „Raindrops On The Roof“ vermittelt mit flirrenden Sounds, subtiler Percussion und dunklen Zwischentönen das wehmütige Gefühl am späten Nachmittag, dem Regen lauschend seinen Gedanken nachzuhängen. Im Verlauf (wie schon bei „Vlagtwedde Tape 2“) nehmen die TANGERINE DREAM-Bezüge zu, die von „Phaedra“ bis zu den rhythmisch betonten Momenten der „Dominion“- Phase gekonnt in die Gegenwart transferiert werden. „Westerwolde Triple“ gleitet elegisch dahin, keine Fahrt über den Deich mehr, sondern ein gemütvoller Ausklang mit einem dunklen „Westerwolder Tripel“.

„Am Großen Baum“ klingt mit seinen orgelnahen Elementen wie eine Hommage an den frühen Klaus Schulze. Das Ende wird etwas zu sehr in die Länge gezogen. Stimmungsvoll bleibt es trotzdem, gerade im Gedenken an Klaus Schulzes Tod dieses Jahr. Es gibt kaum einen besseren Ort als solch ein Stück im Haus Detlev Kellers einzuspielen.

FAZIT: Einmal mehr belegen BROEKHUIS, KELLER & SCHÖNWÄLDER dass sie zum konstant Besten gehören, was die Erbfolge der Berliner Schule der elektronischen Musik betrifft. Eigenständig und von wärmender Melodienseligkeit bleiben Erinnerungen an Edgar Froese und Klaus Schulze aber immer haften.