„Meine Songs sind ein Angebot zum fühlbaren Gedankenaustausch...“ (Olivia Trummer)

OLIVIA TRUMMER ist der lebendige Beweis dafür, wieviel einerseits Klassik und Jazz miteinander verbindet und wie gut man beides auf einem Album miteinander vereinen kann, indem man ihm zusätzlich noch eine Prise Americana verleiht. Denn auf „For You“ fusioniert die klassisch ausgebildete Pianistin und Sängerin verträumte Jazz-Klänge, getragen von Kontrabass, Trompete und oft mit Besen gespieltem Schlagzeug, mit klassischen Pianospiel und variablem, mal jazzig-komplexem oder sauber klassisch-strukturiertem Gesang. Das ist klingende Poesie zwischen Komödie und Tragödie, aber auch eingängigen Melodien und schrägen Songstrukturen.

Der 1985 in einer Musiker-Familie geborenen Trummer – beide Eltern sind Pianisten – liegen die Musik und konkret die schwarzen und weißen Tastaturen so gesehen in den Genen. Erst lässt sie sich im Kindesalter klassisch ausbilden, liebäugelt aber schon zeitig mit dem Jazz.
Warum beides nicht miteinander verbinden?
Ein schwieriges Vorhaben, das viel Können verlangt. Genau dieses Können und die Begabung sowie Voraussetzungen dafür besitzt OLIVIA TRUMMER. Und ob sie dieses Album nun „For You“ oder „For Me“ nennen würde, ist gänzlich egal, denn der Hörer wird genauso viel Freude dabei empfinden, wie die professionellen Musiker, die dieses komplexe wie gleichermaßen verträumte Album voller Seele einspielten.

Zu einem der Vorbilder dieser deutschen Musikerin gehört eine der großartigsten amerikanischen Soul- und Jazz-Sängerinnen sowie Pianistinnen überhaupt, die noch dazu auf einer der schönsten und zugleich bewegendsten Pop-Balladen aller Zeiten – von TEARS FOR FEARS „Woman In Chains“ – die weibliche Gesangsrolle und das Pianospiel übernahm: OLETA ADAMS.
Der Musik auf „For You“ spürt man diesen Einfluss spätestens bei „For Your Love“ auch an.

Ein besonderes Jazz-Flair plus etwas Soul-Feeling wird auf der Hälfte der Songs auch durch eine oft zwar zurückhaltende, aber sich mitunter – wie beispielsweise bei „New Start“, einem flotteren Stück – auch in den Vordergrund spielende Trompete erreicht, welche eine immense Bereicherung im Rahmen der ansonsten größtenteils ruhig gehaltenen Jazz-Balladen ist.

In den Texten, die allesamt im Inneren des LP-Klappcovers zu finden sind, geht es um Liebe, aber auch Verlust, Achtsamkeit, aber auch Verletzung, Demut, aber auch Unachtsamkeit. Gefühlsmäßige Momentaufnahmen, denen die große Liebe zur Musik innewohnt. Es sind Lieder, die durch musikalische Verspieltheit erst betont werden und dann durch den wunderschönen Gesang ihre wahre Vollendung finden. Und so wird der Titeltrack und dessen Aussage zugleich zum gesamten Programm hinter dem Album: „It takes time to understand / The song that's playing in your heart / For You.“

„Ever Changing Heart“ lässt sich genau in den gleichen Gefühls- und Klangwelten nieder und umschmeichelt den Hörer mit zärtlichem Wohlklang, während „Piece Of Love“ sich von einer melodiösen Ballade hin zu verspielt-experimentellen Vokal-Jazz-Standards entwickelt und mit einem lockeren Blues-Feeling verquickt. Ein Blues-Feeling, welches sich dann samt Gitarren-Solo auf „Road To Peace“ fortsetzt und hoffentlich auch bald in unserer derzeit kriegerischen Realität...

„Walking On One Way Streets“ verzichtet dann gar gänzlich auf Gesang nach Textvorlage, sondern räumt dem Trompeter die Hauptrolle ein – sogar der Schlagzeuger bekommt sein kurzes Solo – und die Stimme übernimmt die Rolle eines Instruments. Jazz von der Pike auf, der genauso faszinierende Wirkung wie die gesungenen Stücke hinterlässt.

Klug, dass diesem großartigen, dynamischen Stück dann die ruhigste, etwas traurig anmutende Ballade, bei der ein wenig NORAH JONES grüßen lässt, folgt. Noch dazu ist der Text die reinste bildhafte Poesie: „My dear, this is an autumn song / For the memories start to fall like autumn colored leaves...“
Dazu weint die Trompete bittere Tränen…

Oder um es in den eigenen Trummer-Worten auszudrücken: „Die Frage danach, was man im Leben eigentlich nicht braucht, ist ein guter Anfang, wenn wir die Essenz unseres Seins erkennen möchten. Ich bin ungerne laut, ich mag mich mit meiner Musik nicht aufdrängen, will keine Deutungshoheit verkünden.“

FAZIT: Zeitlose Musik zwischen Jazz, Soul, Singer/Songwriter und Blues sowie einem deutlichen Hang zu den ruhigeren Tönen, veredelt mit dem großartigen Gesang sowie dem Piano-Spiel (stellenweise sogar auf einem Flügel, auf dem bereits DUKE ELLINGTON spielte) von OLIVIA TRUMMER. „For You“ nimmt als Albumtitel seine Mission ernst, denn es ist wirklich für uns und bewegt uns, wenn sich unser Verhältnis zur Musik als ein Stück Lebensqualität, aber nicht als alltagshektischer Stream auszeichnet.