Schlagzeug, Saxofon und Kontrabass - genau das sind die drei musikalischen Zutaten, aus denen sich der Jazz des DIEGO PINERA TRIOs entfaltet. Und in dieser Reihenfolge erscheint auch die Gewichtung der instrumentalen Ausflüge auf „My Picture“, bei denen der Schlagzeuger verhalten die Richtung vorgibt, das Saxofon immer wieder geschickt aufspringt und der Kontrabass für eine fette, aber beruhigende Grundierung des Sounds sorgt. Alles mit viel Freiräumen für die drei Musiker Pinera, Turner und Street versehen, sodass die Improvisation dem Können des Trios kaum Grenzen setzt. Aber genau hier kommt es auch zu einigen Unstimmigkeiten, die sich nicht etwa im mangelnden Beherrschen der Instrumente ausdrückt, sondern in der einen oder anderen überflüssigen Wiederholung, die „My Picture“ mehr wie im Fluss klingen lässt, ohne dabei auch mal ordentlich Wellen zu schlagen oder wilde Strudel zu entfachen.

Sieht man den jugendlich erscheinenden DIEGO PINERA im Inneren des CD-Digi-Packs, erwartet man etwas wildere Spielfreude, das eine oder andere Experiment oder eben verrücktere Ideen für „My Picture“. Pinera beweist auf dem Album zwar, dass er den ganz großen, freien Jazz drauf hat, aber eine besondere Note setzt er hierbei nicht. Vielleicht fehlt ihm dazu noch ein wenig der Mut, weswegen er dann bei „Evidence“ sicherheitshalber auf eine Komposition von THELONIUS MONK und bei „The Song Is You“ von KERN & HAMMERSTEIN zurückgreift.

DIEGO PINERA kommt aus der uruguayischen Hauptstadt Montevideo, weswegen in seiner Musik auch ein paar erkennbare (vielleicht sogar zu wenige) Latino-Einflüsse auszumachen sind, aber in erster Linie bekommen wir auf „My Picture“ mehr die europäischen Jazz-Traditionen geboten. Dagegen sind MARK TURNER und BEN STREET schon richtig alte Jazz-Hasen, die als eingespieltes Team recht souverän ihre Parts an Saxofon und Kontrabass spielen, ohne wirklich bleibende Akzente zu setzen, getreu dem Motto: „In der Ruhe liegt die Kraft!“ Auch dadurch wirkt „My Picture“ insgesamt zu gefällig. Ein paar richtig schöne oder ausgiebige Soli sucht man hier vergebens. Zurückhaltung spielt eine größere Rolle, als auch einmal die Initiative zu ergreifen, sich in den Mittelpunkt zu spielen oder gar auszubrechen. Einzige Ausnahme von der Regel ist hierbei „The New One“ - das von einem längeren Schlagzeug-Solo lebt und so zum Höhepunkt des Albums wird.

FAZIT: „My Picture“ ist am Ende das Jazz-Album eines 34-jährigen Schlagzeugers aus Uruguay geworden, der sich entweder zu stark eigene Grenzen setzt oder von seinen beiden erfahrenen Jazz-Haudegen immer wieder auf Kurs gebracht wird. Ein Bild voller zarter Farbtöne, bei dem die grellen Farben fehlen. Das expressionistisch erscheinende Bild des Covers, welches DIEGO PINERA ebenfalls selbst gemalt hat, erweckt jedenfalls völlig andere Erwartungen.