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Freedom To Glide: Rain (Review)

Artist:

Freedom To Glide

Freedom To Glide: Rain
Album:

Rain

Medium: CD
Stil:

Progressive-/Art-Rock

Label: Rubystorm Records/Just For Kicks Music
Spieldauer: 63:47
Erschienen: 24.01.2014
Website: [Link]

2014 jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal. Fast zwangsläufig rückt der „War to end all Wars“ damit wieder in den Fokus des allgemeinen Interesses. Nicht nur in der Literatur (aktuell erschienen, das Mammutwerk Christopher Clarks „The Sleepwalkers: How Europe Went to War in 1914“, das sich an einer differenzierten Sicht versucht und nicht an profanen, eindeutigen Schuldzuweisungen interessiert ist), auch in den anderen Künsten wird dieser Krieg als erstes Fanal der Massenvernichtung im 20. Jahrhundert seinen Widerhall finden.

Geschehen bereits in der Musik. Sollte man jetzt meinen, dass solch eine globale Tötungsmaschinerie mit Radikalität interpretiert wird, mit Atonalität, Krach, Chaos, durchzogen von minimalistischen Pausen der trügerischen Ruhe, vielleicht im Tenor Krzysztof Pendereckis Versuche Hiroshima („Threnos den Opfern von Hiroshima“) und Auschwitz („Dies Irae“) musikalisch ein Denkmal zu setzen, der irrt. Zumindest was die Prog-/Art-Rock-Fraktion angeht. Die im Falle von FREEDOM TO GLIDE (oder kurz F2G) den Weg der großen Elegie wählen. Ein einziger Trauerzug, der sich an der Biographie des einfachen Soldaten Robert Wilson (laut Homepage der Band 1896 geboren und 1986 verstorben) entlang bewegt.

Was für ROGER WATERS (und PINK FLOYD) der Weltkrieg Nummer II, ist für seine Adepten der „Große Erste“, der damals noch keine Nummerierung besaß und eigentlich nie hätte erhalten sollen.
Konsequente Wahl für Musiker, die Mitglieder der PINK Floyd-Tribute-Band DARK SIDE OF THE WALL sind. Wobei Pete Riley und Andy Nixon ausblenden, dass WATERS den Krieg hauptsächlich als Metapher für tiefsitzende Traumata, bedingt durch zerstörte familiäre und gesellschaftliche Strukturen begreift. Die Angst vor dem Verlust eines Elternteils oder in Strudeln selbst zugefügter Gewalt zu ertrinken, prägt WATERS Werke mehr als eine dezidierte Auseinandersetzung mit dem Komplex (Welt)krieg.

Durch die zeitliche Distanz wird es naturgemäßer immer schwieriger persönliche Beziehungen aufzubauen, den Krieg als Teil der eigenen Biographie fassbar zu machen. FREEDOM TO GLIDE versuchen es trotzdem, indem sie „dem“ namenlosen Soldaten einen Namen geben und eine Geschichte anstelle von vielen erzählen. Das ist legitim und über weite Strecken ergreifend umgesetzt, geht aber den Weg des geringsten Widerstands, über Gefühle das Grauen erfahren zu machen. Dies birgt immer die Gefahr der Verharmlosung in sich, vor allem, wenn die Musik dazu, von zwar dunkel eingefärbtem, aber nahezu ätherischem Wohlklang ist. Ganz kippen FREEDOM TO GLIDE nicht in diese Falle, was u.a. mit einem augenscheinlichen Defizit zusammenhängt: Dramatische Höhepunkte, Ergüsse in Pomp und Heldenverehrung sowie scharfe Attacken in hohem – oder auch nur höherem – Tempo sind auf „Rain“ Mangelware. Pathos ist allerdings bereits vom Ansatz immanent genug enthalten.

So vermittelt das nahezu siebzigminütige Album perfekt jenes Gefühl einer Gefechtspause, das selbstversunkene und –verlassene Ausharren in einem Schützengraben, während man Zeit hat über das vergangene Geschehen nachzudenken und sich auf das nächste Gefecht vorzubereiten. Eine Vorbereitung, die nie reichen wird, das kommende Entsetzen abzumildern…

Dabei interpretieren F2G die Vorgaben PINK FLOYDs vielmehr als sie strikt zu befolgen. Es gibt klare Verweise, interessanterweise eher zu „Wish You Were Here“ („Rain (Part 2)“!!!) und „The Divison Bell“ als zu „The Wall“ und „The Final Cut“. Doch ebenso finden sich Momente der weltoffenen Selbstreflexion á la JAPAN und zurückhaltende balladeske Stücke, die an RAY WILSONs Soloschaffen, mit einem Touch CHRIS REA, erinnern („When The Whistle Blows“).

Doch über allem thronen Waters Geist und Gilmours Gitarre, angereichert durch das wärmende Bett Wrightscher Keyboardklänge.

FAZIT: Ein Waratorium in Moll. Im Kriechgang bewegen sich FREEDOM TO GLIDE durch die Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Von Pink nach Floyd und wieder zurück. Den Schrecken des Krieges macht die endlose Ballade nicht erfahrbar, als etwas zu lang geratene, nachdenkliche Skizze vermag „Rain“ durchaus zu einer Weiterbeschäftigung mit dem Thema dienen. Das ist eklektisch, etwas gleichförmig und immer auf dem Boden des floydigen Artrocks der letzten 40 Jahre angepflanzt. Ein Album für die traumverlorene Zeit nach Mitternacht, vor allem, wenn man die Weltkriegsthematik etwas ins Hintertreffen geraten lässt. Überholt „The Final Cut“ mit Lässigkeit. Vom Bingo-Song „Not Now John“ abgesehen.

Jochen König (Info) (Review 10639x gelesen, veröffentlicht am )

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10 Punkte
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Tracklist:
  • Rain (Part 1
  • Anywhere Else But Here
  • Path Of Reason
  • Riders On A Wave
  • Price Of Freedom
  • LU2
  • Rain (Part 2)
  • Angels And Stones
  • Wind And Gales Rain (Part 3)
  • When The Whistle Blows
  • Trying To Grow Young
  • Rain (Part 4)
  • Home Again
  • One Hundred And Twenty
  • Not A Broken Man

Besetzung:

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