Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Copernicus: Disappearance (Review)

Artist:

Copernicus

Copernicus: Disappearance
Album:

Disappearance

Medium: CD
Stil:

Avantgarde

Label: Nevermore/MoonJune
Spieldauer: 73:04
Erschienen: 21.07.2009
Website: [Link]

Filmliebhaber sollten sie kennen: Die Theaterszene aus David Lynchs “Mulholland Drive”. Hier realisiert eine aufstrebende Schauspielerin, gespielt von Naomi Watts, dass all ihre Träume, all ihre Hoffnungen auf eine große Karriere in Hollywood nichts anderes sind als Schein. Auf der Bühne singt eine Frau einen wunderschönen Gesang, bevor sie wie tot zusammenbricht und reglos liegen bleibt... während die Stimme weitersingt. Das Gleiche widerfährt einem Saxophonisten, der sein Instrument spielt, dann aber seine Hände in die Luft hebt. Wie von Geisterhand fährt die Tonspur fort damit, Jazz zu spielen.

Disappearance” ist im Grunde genommen exakt jenes Theaterstück, Illusion demonstrierend und Desillusion provozierend, verlängert auf Albumlänge und ein wenig dramatisiert, denn nicht bloß die Ambitionen einer Schauspielerin werden zerstört, nein, COPERNICUS behauptet gleich die totale Blindheit menschlicher Erkenntnis und die Nichtexistenz des gesamten Universums. Alle Achtung.

Wie stellt man so etwas an? COPERNICUS nimmt den Holzhammer. Während die Musik selbst ein unterentwickelter Sidekick bleibt, bestehend aus Gitarrengeklimper, seltsam wabernden Synthesizern und diversen Behelfsinstrumenten, ist der Sprechgesang der schillernde Star. Nicht nur ersetzt die spektrenreiche Stimmfarbe des Dichters (von ekstatischem Schreien über animalische Onomatopoesie bis zum nöligen Gejammer ist so ziemlich alles dabei) die Melodik der Instrumente, die gewöhnlich die Musik bestimmen - vor allem die Texte bohren sich wie ein hartnäckiger Piranha in die Magengrube eines jeden, der Zeuge davon wird, wie die Welt langsam aufhört zu existieren, begonnen bei den subatomaren Elementarteilchen der Physik.

Trockenes Behaupten kommt eben immer noch am Besten, wenn man der Menschheit Neuigkeiten von umwälzender Bedeutung verklickern möchte. Andeutungen würden unglaubwürdig klingen, also feuert COPERNICUS eine intellektuelle Plattitüde nach der anderen in Feststellungsäußerungen ab. In “The Blind Zombies” etwa heißt es “Ninety-six percent of all matter in the Universe cannot be perceived by humanity.” Gut zu wissen. In “Poor Homo Sapiens” wird uns versichert “You don’t exist. And you can never die.” Beruhigend. Und in “The Quark Gluon Plasma” wird COPERNICUS geradezu romantisch: “The plasma. I love the plasma. I love the plasma. The plasma is my friend. The plasma is my friend. I love it!”

Das absolut hemmungslose Auspressen kuriosester Phrasen, die begleitet werden von psychedelischen bis prätentiösen Spielereien und hin und wieder sogar ausarten in abstrakte Babysprache (“Revolution!!”), hat durchaus seinen Unterhaltungswert und aus philosophischer Perspektive sicher noch einiges darüber hinaus. Den Bauch kitzelt dabei aber permanent eine unfreiwillige Komik, ja in Extremmomenten sogar ein gewisses Fremdschämen. Das resultiert daraus, dass die menschliche Nichtexistenz ein altes erkenntnistheoretisches Klischee ist und es einfach merkwürdig anmutet, wenn COPERNICUS voller Inbrunst existenzielle Basisfragen der Menschheit beantwortet, als sei es eine Rechenfrage aus dem kleinen Einmaleins.

FAZIT: Relativ kurzweiliges Avantgarde-Album für physikalisch, philosophisch und religiös Interessierte, die sich mit einem extrovertierten Sprechsänger / Marktschreier / Cartoonsprecher arrangieren können, der sich mit Vorliebe an repetitiven Aussagen ergötzt (alleine das Wort “quark” kommt 42-mal vor) und auch sonst nicht auf den Mund gefallen ist. “Disappearance” beackert so offensichtlich sämtliche Klischees, die einem zu dem Thema “Nichtexistenz des Universums” einfallen könnten, dass man als Kritiker vollkommen entwaffnet wird. Aber da kann man genauso gut Derrida, von Glasersfeld oder Einstein lesen...

Sascha Ganser (Info) (Review 6066x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 8 von 15 Punkten [?]
8 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • 12 Subatomic Particles
  • The Quark Gluon Plasma
  • The Blind Zombies
  • Humanity Created The Illusion Of Itself.
  • Atomic New Orleans
  • Poor Homo Sapiens
  • REVOLUTION!!

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Welches Tier gibt Milch?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!