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Interview mit Cadaverous Condition (09.09.2006)
Fragen an Wolfgang Weiss von Cadaverous Condition
Zunächst mal: ich begegne eurer Musik zum ersten Mal, wenngleich euer Name mir geläufig war. Ich bin kein großer Fan der Art von Death Metal, wie ihr sie spielt, doch eine eigene Faszination kann ich euch nicht absprechen, so dass ich „To The Night Sky“ wiederholt höre und nicht so recht schlau daraus werde. Einerseits is es bis auf die ruhigen Momente völlig unoriginell, andererseits ist da eben dieses X... was macht dieses gewisse Etwas aus?
Danke. Es ist für mich natürlich schwer zu beantworten, was für Dich diese vielleicht kleine Besonderheit sein mag. Ich gebe Dir prinzipiell recht, dass die Musik an sich geradliniger (Death) Metal ist und das auch bewusst so. Song- und rifforientiert agieren wir am liebsten. Ich denke aber auch, dass durch unsere Texte, Artworks bzw. generelle Einstellung auch eine etwas andere Stimmung projiziert wird, als man dies von normalen Death Metal Bands gewohnt ist. Die ruhigeren Akustiksongs sind dann natürlich auch noch ein Fall für sich…
Wie schafft ihr es, völlig Death-Metal-fremde Künstler wie Will Oldham, Patrick Leagas oder Cyril Helnwein für euch zu begeistern? - Es kann doch nicht allein daran liegen, dass ihr die optischen und thematischen Klischees des Genres meidet.
Also irgendein schlecht gezeichnetes Monster oder irgendeinen stumpfsinnigen Gewaltakt wird man für alle Zeit vergeblich auf unseren Covers finden, und Splatter/Gore Texte sind auch langweilig wenn man älter als 16 Jahre alt ist; gegen Totenschädel und dergleichen gibt es allerdings nach wie vor nichts einzuwenden. Vielleicht schaffen wir es immer wieder mit Genre-fremden Leuten, wie den von Dir genannten (bzw. in der Vergangenheit auch mit anderen wie Bill Drummond usw.) zusammenzuarbeiten bzw. deren Arbeit in unsere miteinzubeziehen, weil wir selber auch nicht unbedingt mit Scheuklappen durch den Metal-Untergrund streifen. Auf der anderen Seite machen Patrick Leagas und auch Will Oldham auf Ihre Art extreme Musik und Helnwein generell ist auch nicht gerade ein Name, den man mit braven Bildern gleichsetzt. Will Oldham war z.B. auch großer Misfits/Samhain Fan, was ich auch schon mal äußerst gut finde...Die meisten dieser Leute sind uns gar nicht unähnlich, was die Herangehensweise betrifft. Dass ich Death In June sehr mag, ist mittlerweile bekannt, und Patrick Leagas Stimme fand ich immer schon hervorragend, vor allem dann bei seinem Projekt Sixth Comm. So habe ich ihn einfach gefragt, ob er Lust hätte mitzumachen. Die Fotografien von Cyril ergänzen unser Konzept ideal. Will Oldham findet unsere Version seines Songs klasse, somit ist für mich alles in Ordnung.
Das Umfeld von Helnwein und Leagas wird gelegentlich kontrovers diskutiert (Gottfried Helnweins Verhältnis zu Scientology, Nazi-Vorwürfe gegen Death In June); gab es auf ihre Beteiligung an eurer Scheibe bestimmte Reaktionen?.
Das Album ist gerade erst im Erscheinen, also warte ich da noch ab. Prinzipiell möchte ich festhalten, dass gerade bei solchen Themen diverse Meinungsmacher und Schreiberlinge sehr schnell mit vorgefassten Meinungen agieren bzw. immer wieder die gleichen falschen Meldungen wieder und wieder bringen und zitieren. Scientology und Faschismus spielen in unserer Musik keinerlei Rolle.
Wie seid ihr als Österreicher an Oak Knoll Records in Amerika geraten? – Gab es in Europa wirklich kein Label, der euch unterstützt hätte, zumal Oak Knoll hier auch nicht sonderlich präsent ist?
Wir sind eine Band die mit offenen Karten spielt, im Gegensatz zu den vielen Combos, die zwar immer „Angebote“ vorliegen haben und dennoch nichts zuwege bringen.
Fakt ist, dass wir das Album fast in Eigenregie rausbringen, aber mit Oak Knoll einen Partner vor allem für Amerika gefunden haben. Ich bin wirklich froh, dass wir da mit Oak Knoll kooperieren. Wir haben definitiv kein anderes Label für uns begeistern können - auch nicht mit dem Angebot unsererseits, den Großteil der Kosten zu übernehmen, was wir in unserer Karriere bislang sowieso fast immer gemacht haben.
So ist es halt und dies gilt es zu akzeptieren. Dass wir kommerziell eine kleine Nummer bleiben werden ist mir auch klar, deswegen findet sich wohl auch kein größeres Label. Auf der anderen Seite wundere ich mich dann schon, wie viel Mist bei den diversen gar nicht so unbekannten Labels veröffentlicht wird. Da bringen Bands Alben raus, wo man schon im vorhinein weiß, dass es diese Gruppen nicht länger als noch ein Jahr gibt bzw. vorher gab. Viele Labels klatschen soviel Scheiße an die Wand, in der Hoffnung das irgendein Dreck kleben bleibt und Erfolg hat; na ja vielleicht ist das ja wirklich der richtige Weg. Dennoch versinken dann immer wieder kleinere und mittlere Labels in der Versenkung bzw. gehen ein, und sie verdienen es auch, denn nur mit schlechten Bands und keiner Ahnung vom Business hat man hier nichts verloren. Weg mit dem Dreck, sage ich da. Black Lotus Records irgendwer? Hauptsache diese tollen Firmen gründen dann auch noch auf ganz wichtig „Sublabels“ Spült den Dreck weg, für immer. Danke.
Habt ihr eure Basis eigentlich noch im zentraleuropäischen Raum? – Mit dieser Plattenfirma oder euren Ausflügen nach Island und in die Türkei scheint es, als würdet ihr euch hier auf verlorenem Posten sehen.
Ich denke, dass Amerika für uns in der Tat interessant sein könnte, denn es gibt dort viele Leute, die auf einen derartigen Sound, wie wir ihn machen, stehen, ich hoffe wirklich, dass wir dort mit dem neuen Album etwas mehr bewegen können als bisher. Vor allem mit unseren ersten Alben auf Lethal Records lief in USA rein gar nichts.
Die Türkei kann man vom kommerziellen Standpunkt her komplett vergessen. Da bezahlt doch kaum jemand zehn Euro für eine CD - das ist einfach zu teuer. Deshalb haben wir auch anlässlich unseres Gigs dort extra für die Türkei eine billige Compilation fabriziert, die dort zum Bootleg-Preis verkauft wurde. Verdient haben wir nichts dran, aber wenigstens kam die Musik unter die Leute, und das war uns wichtig. Ich sehe aber nach wie vor Deutschland als das wichtigste Land im Metal und deswegen hoffe ich auch, dass wir 2007 auch wieder mal live bei Euch präsent werden. Ich bin gerne in Deutschland, und bei Euch gibt es wirklich viele Musikfans, auch solche, die tiefer schürfen als nur bis zur letzten Six-Feet-Under-Scheibe. Das ist gut so. Deutschland ist der wichtigste Metal Markt; Europa ist außerdem unsere Heimat.
Wie kam es zu diesen ungewöhnlichen Auftritten, und was habt ihr davon an Eindrücken und Erfahrungen mit nach Hause genommen? Mit welchen Bands habt ihr in den beiden Lädern zusammen gespielt?
In der Türkei war es das Rock Station Festival mit einem Haufen lokaler Bands und u.a. Sodom. Wir waren dann noch mal fürs nächste Jahr gebucht und hatten schon die Flüge bezahlt, als dann kurz vorher das gesamte Festival gecancelt wurde. Die Konsequenz war, dass wir einen Haufen Geld verloren haben. Weitere Konzertversuche in der Türkei sind bislang leider auch gescheitert - es gibt einfach zu viele unzuverlässige Menschen auf der Welt.
In Island spielten wir mit unseren Freunden von Solstafir, Forgardur Helvitis und einigen anderen isländischen Kapellen. Der ganze Islandtrip war großartig. In Island spielten wir aus Anlaß zur dort sichtbaren Sonnenfinsternis, produzierten eigens eine CD dafür, die bei den Gigs gratis verteilt wurde und haben auch sonst noch das eine oder andere Ding gedreht.
Gibt es einen Roten Faden durch die Texte, und wie hängst das Artwork der CD damit zusammen?
Das möchte ich im Moment nicht kommentieren. Seht selber, danke.
Die Texte scheinen recht persönlich zu sein: da ist von Island die Rede, offensichtlich eurer Konzertreise dorthin geschuldet, und außerdem von Autor Rod McKuen als Lebenshilfe sowie einem ominösen North Ilses Motel (in Shetland?) – nähere Erläuterungen?
Nur ungern, es gibt bei uns für jene, die interessiert sind, sicher mehr zu entdecken als es auf den ersten Blick scheint. Ich liebe Rod McKuen, seine Bücher, seine Musik. Definitiv ein großer Einfluss; und auch die diversen Reisen beeinflussen, ja.
Warum spielt ihr derart basische Musik, wo ihr konzeptionell den traditionellen Death Metal eigentlich weit überschreitet?
Weniger ist mehr. Weniger ist oft effektiver als ausladendes Zeug, das keiner braucht - so unsere Devise. Die Essenz zählt, und nicht das Drumherum. Deswegen sind auch unsere Akustiksongs spartanisch, puristisch und ohne Flötengedudel oder - ganz schlimm - Orchester. Persönlich gefallen mir zwar schon auch kompliziertere Dinge wie Psychotic Waltz, die ich sehr gerne mag, aber es muss immer auch einen gewissen emotionalen Tiefgang haben. Technische Instrumenten-Onanie brauchen wir nicht.
Mich interessiert inwieweit der stumpfe Death-Metal-Teil eurer Musik Understatement ist. Könnt ihr nicht mehr, oder wollt ihr eure Riffs nicht interessanter, die Musik nicht technischer und abwechslungsreicher gestalten?
Es ist jetzt nicht Absicht, so nach dem Motto, als wären wir die Über-Musiker und sagten „Lasst uns stumpf spielen“. Wer so was macht, ist wohl der größte Trottel. Technischen Death Metal mag ich überhaupt nicht, und die Riffs sind so, wie wir sie wollen und wie wir sie spielen, das ist jetzt auch nicht besonders kalkuliert; so kommt es raus - aus dem Herzen, wenn man es so nennen will.Bezüglich des Abwechslungsreichtums will ich mal unsere Coverversionen, Gäste, Akustiksongs bzw. unsere generelle Art ins Treffen führen, und dann vergleicht mal mit wirklich stumpfen Bands.
Wie weit wollt ihr euch vom ursprünglichen und simplen Death Metal noch entfernen, wenn überhaupt?
Sind wir so weit entfernt? Image-mäßig vielleicht. In Wahrheit ist es doch egal, wie weit man sich vom einen Stil entfernt oder einem anderen annähert.Cadaverous Condition wird immer Death Metal sein, alleine wegen der Vocals - die werden nie clean werden; so was gehört sich nicht. Viel wichtiger für mich ist es, integer und individuell zu bleiben und nicht jeden Scheiß mitzumachen, bzw. Bands aus dem gleichen Genre als Vorbild zu nehmen und dann zu versuchen, so zu klingen, denn das ist arm. Und kein Metalcore bitte.
Woran liegt es, dass österreichische Gruppen stets solche stilistischen Querschläger sind? – Ich denke hier auch an Pungent Stench oder Disastrous Murmur.
Vielleicht liegt es an der öfters zitierten morbiden Seele der Österreicher. Pungent, Murmur, Disharmonic, Cadaverous Condition...alle etwas eigen, ja, und untereinander komplett verschieden. So soll es sein. Aber keine Sorge, auch bei uns äffen die meisten Bands irgendwelchen skandinavischen oder amerikanischen Vorbildern nach. Nur sind das die österreichischen Bands, die dann eh wieder keiner kennt, hehe...Gut so.
Ihr seid schon lange als Band im Metal-Zirkus dabei: welche eurer Ziele habt ihr verwirklichen können, und gibt es noch Ambitionen darüber hinaus?
Wenn man wie wir eine Band seit 16 Jahren am Laufen hält, nur Alben auf Mini-Labels veröffentlichst - Alben, die nur wenige Leute kaufen -, du nie wirklich kommerziellen Erfolg hattest und auch nie haben wirst, dann hast Du keine Ziele mehr. Die Ambitionen werden, traurig aber wahr, auch weniger. Dennoch haben wir so viel mehr erreicht als viele andere; die sich zwar wichtig auf Tourneen einkaufen, teures Equipment auffahren - was ihnen im Endeffekt auch nichts bringt -, aber auch nie nur irgendeine nennenswerte CD veröffentlichen oder aus der Masse herausragen. Ich habe mit Cadaverous Condition Erfahrungen gesammelt, die ich nicht missen möchte - habe Dinge gesehen und gemacht, die sonst keinem so schnell widerfahren, und ich denke von solchen Dingen wird es auch in der Zukunft noch einige geben. Danke für die Fragen und das Interesse. Wer Cadaverous Condition live sehen will, soll uns holen.
Andreas Schiffmann
(Info)