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Interview mit DAETH DAEMON (05.03.2022)

DAETH DAEMON

Mit nicht weniger als einem Tod und Verderben säenden Death-Metal-Hammer trumpft die österreichisch-deutsche Band DAETH DAEMON kurze Zeit nach der zwar gelungenen, jedoch etwas zu sauber tönenden Debüt-EP "The Skeleton Spectre" mächtig auf. "Span Of Aeons" heißt der Langspiel-Einstand, umfasst neun Tracks, die es auf knapp 33 Minuten bringen, und im Grunde genommen Death Metal der alten Schule vom Feinsten - pardon: vom Finstersten - bieten. Dabei gelingt den Halunken das keineswegs selbstverständliche Kunststück, sich stilistisch innerhalb des Genres nicht festzulegen und Einflüsse aus allerhand Epochen und Ländern zu verbinden, und dennoch durchweg wie aus einem Guss zu klingen. DAETH DAEMON stehen also für mehr als "nur" ehrfurchtsvolle Leichenschau, sondern sie beleben die bereits oft totgesagte Musik mit einer Passion und Präzision, die dem formidablen Songwriting in nichts nachstehen. Gitarrist Thom kann sich noch an jene Tage erinnern, in denen seine Freunde und er als geisteskrank eingestuft wurden, weil sie in solcherlei Krach Heimat fanden, während die coolen Rocker Gary Moore nachspielten. (Zur Info: Das Interview wurde bereits im vergangenen Jahr geführt, doch die Veröffentlichung des Albums zog sich aus den bekannten Gründen hin.)

Hallo Thom, grüß Dich! Du hast mir kürzlich Eure erste Langspielscheibe zugeschickt, die selbst einen ignoranten Verächter des Death-Metal-Gros wie mich aus den Socken haut und mehr als nur Anerkennung in mir keimen lässt. "Span Of Aeons" klingt für mich so, als hättet Ihr Euch in eine Zeitmaschine gesetzt, um jene ungebremste draufgängerische Wucht des jungen, sich entfaltenden Death Metal einzufangen und sie in die Gegenwart zu transportieren, und zwar ohne Wenn und Aber. Ich schätze, dass wenn Ihr Euch das Ergebnis anhört, die Mission für Euch auch (fast) rundherum geglückt ist, oder?

Oh Mann, danke Thor, damit fällt uns ein Stein vom Herzen. Wir selber sind natürlich total euphorisch und finden die Songs klasse. Aber weil ich das Album bis zur Fertigstellung 300 mal gehört habe, fehlt mir noch die Distanz, um das richtig zu bewerten. Wir haben ja erst im April letzten Jahres (2020) unsere EP veröffentlicht, und weil der Flow so geil war, haben wir im August direkt mit dem Songwriting zum Album begonnen. Wir haben uns bewusst einen engen Zeitrahmen von drei Monaten gesetzt, damit alles homogen wird und dieses positive Fieber entsteht, das unter Druck die nötige Energie freisetzt. Uns war klar, dass wir noch mehr Gas geben wollen, mehr Speed, mehr irre Solos und geile Hooklines. Ich hoffe, das ist uns gelungen!

Bevor wir näher auf Euer neues Album eingehen, lass uns mal zurückblicken auf jene Zeit, die auf "Span Of Aeons" offenbar nachhallt: Ich kann mich zum Beispiel gut erinnern, dass mir als Scorpions-bis-Metallica-Hörer beim ersten Hören der B-Seite von Pungent Stenchs EP "Extreme Deformity" fast schlecht wurde, und wie sehr mich der massive Sound von Cancers "Hung, Drawn & Quartered" in der Radio-Sendung "Scream - Hard & Heavy auf WDR 1" in seinen Bann zog, so dass ich diesen zum Teil auf Tape mitgeschnittenen Songs immer wieder mit einer Mischung aus Grusel und Faszination lauschte und mich der finsteren Musik immer schlechter entziehen konnte. Wie ging das bei Dir vonstatten, und was waren für Dich entscheidende Erlebnisse bei der "Bekehrung" zum Death Metal?

Metal war für uns gelangweilte Provinz-Teenager wie eine Befreiung. Ein Tor in eine andere Welt, die wir uns natürlich nur vorstellen konnten. Wir hatten ja kein Bild von einer Szene, wie wir sie heute kennen. Zu den Underground-Death-Metal-Bands gab's oft so gut wie keine Infos. Einen Begriff für die Splatter-Kultur und die Ästhetik, die heute durch die weltweiten Erfolge von Formaten wie "The Walking Dead" etabliert ist, all das war damals undenkbar. Die Außenstehenden hielten uns für geisteskrank. Das fanden wir natürlich großartig. Wir tauschten Musik und überspielten uns Tapes, und es war ein ständiges Suchen nach dem härtesten Stoff. Spätestens mit "Altars of Madness", "Leprosy" und "Left Hand Path" gab es für mich keine andere Musik mehr. Alles andere war Kinderkram. Hier wurden die Karten musikalisch komplett neu gemischt. Alle Konventionen, Songwriting-Regeln und technische Standards wurden neu definiert. Ich hab mir damals natürlich die "Thy Kingdom Come", "Drowned" oder die "Extreme Deformitiy" Singles von meinem Lehrgeld gekauft, die hüte ich wie einen Schatz.

Apropos geisteskrank: Marc, der Basser von Depression, hat mit mir sechs Jahre die Schulbank gedrückt, und wir waren im Musikunterricht tatsächlich einem Lehrer ausgesetzt, der uns in der sechsten Klasse erklärte, dass Heavy Metal dumm und aggressiv mache, und der uns zur Abschreckung die "Can I Play With Madness" Single zeigte, die ja nur Produkt eines kranken Geistes sein konnte... Für Marc und mich war das natürlich ein guter Grund, uns umso mehr in diese Musik zu vertiefen. Gibt es für Dich ähnliche Erfahrungen, die bei DAETH DAEMON reinspielen und Dich die Musik und das Drumherum umso leidenschaftlicher in Angriff nehmen lassen?

Ich kann das voll nachvollziehen. Abgrenzung und Aufbegehren war uns wichtig. Auch innerhalb der Metal-Szene von damals. Zum einen waren wir spindeldürre Mofa-Rocker ohne musikalische Erfahrungen, die noch nicht etabliert waren. Als wir mit Napalm Death ankamen, verstanden das die coolen Alt-Metaller gar nicht. Die dudelten Gary Moore im Proberaum und ihr Horizont endete bei Metallica. Wir waren also nicht die härtesten Schläger und bekamen auch keine Mädels ab, aber unsere Mucke war kränker und abartiger als alles andere! Passend war, dass unser erster Proberaum direkt bei der Nervenklinik war. Wenn das nicht konsequent ist, was dann!?

Das klingt fürwahr nach kultigen Zeiten. Kam die Idee zu DAETH DAEMON beim Stöbern in alten Tapes und Erinnerungen?

Nein, DAETH DAEMON hat nichts mit Nostalgie zu tun, sondern steht für sich. Das wäre auch nicht möglich, weil Steve und Alekos um einiges jünger sind und Cedrik ist gerade 21. Jeder von uns will seine Talente voll in das Projekt einbringen und die gemeinsame musikalische Sprache ist eben Death Metal. Klar können wir den Stil aus der geschichtlichen Distanz einordnen und wir kennen alle Genre-Codes, aber das ist keine Retro-Veranstaltung, mit der wir uns die Zeit vertreiben, wir meinen das todernst. Wir wollen stolz auf die Musik sein, die wir schreiben, wir wollen auch zeigen, dass wir es technisch drauf haben und dass es viel zu entdecken gibt.

Viel zu entdecken gibt es auf "Span Of Aeons" wirklich, und Euch scheint der enge Zeitrahmen zur Vorbereitung nicht daran gehindert zu haben, ein sehr kompaktes und eingängiges Album einzuspielen. Habt Ihr Euch Corona-bedingt Demo-Aufnahmen hin- und hergeschickt, oder konntet Ihr die Songs im gemeinsamen Spiel im Proberaum verdichten?

Wir schreiben die Songs mit Gitarre und Schlagzeug im Proberraum. Wir brauchen die unmittelbare Energie und den Groove. Beim Riffen musst du sofort eine fiese Fresse ziehen und der Kopf muss auf und ab wippen, wenn du weißt was ich meine. Die Mitschnitte gehen dazwischen an die Jungs. Danach kommen die Solo-Arrangements, bei denen Alekos freie Hand hat. Er bringt dann völlig irre Ideen ein, spielt eine Dur-Melodie auf ein Moll-Motiv, oder shredded Doppel-Leads auf chromatische Tonfolgen. Steve hat seine Vocals natürlich bei sich in Hamburg aufnehmen müssen, Reisen war ja leider nicht möglich.

Die freie Hand sollte Alekos beibehalten, wenn dabei z.B. so ein Arrangement wie zu Beginn von "Anticipation Of Evil" oder auch bei "Twisted Pariah" rumkommt, dessen Songaufbau ich übrigens sehr gelungen finde. Euch war es wichtig, ein wirklich kurzweiliges Album einzuspielen, gell?

Cool, dass das so rüberkommt! Wir lieben die irren Tempowechsel und überraschende Twists, die du nur hinbekommst wenn du den Scheiß hundert mal probst und dem Anderen irgendwann blind folgen kannst. Wir wollten auf keinen Fall so Songs, die auf Nummer sicher gehen. Es sollten gewagte und organische Songs sein! Man kennt das von vielen Debüt-Alben, die aus den besten Tracks der Demos bestehen und sich live zigfach bewährt haben. Wir hatten einfach einen verrückten kreativen Lauf. Alles hat zusammen gepasst und die Energie war so geil. Auch im Studio lief er perfekt. Wir haben das ganze Album in vier Tagen eingezimmert, was nur möglich war, weil die Drums und die Pilot-Gitarre so arschtight waren, dass wir sie 1:1 so lassen konnten. Da wurde nicht hundert mal herumgeschnitten und 35 Einzeltakes zu einer Gitarren-Spur gebastelt. Das ist live, was hier zu hören ist!

Ist das nicht ohnehin der Traum vieler Musiker, ein Album quasi live im Studio einzuspielen und diese Magie des Zusammenspiels auf Platte zu bannen, so wie es in den early days of rock oft der Fall war und geht nicht viel Magie beim 35. Einzeltake flöten?

Absolut. Hör dir frühe Sepultura, Morbid Angel oder die letzten Scheiben von Vektor und Blood Incantation an. Dieses Niveau ist unfassbar! Aber mir geht’s auch um diesen schmissigen Groove und ich höre lieber Chris Witchhunter oder Alex Wank mit dem Timing und den komplett sinnlosen Drum Fills kämpfen, als irgendein zu Tode editiertes Industrie-Produkt. Es ist das Spontane und Irrationale, das wir auch zugelassenen haben. Das erste Drum Fill bei "Twisted Pariah" ergibt genau keinen Sinn und deshalb finden wir es so geil! Ich will das jetzt gar nicht zu sehr theoretisieren, denn im Grunde geht es nur um Death Metal, der sich als zeitloses Genre etabliert hat. Und alles was wir wollen, sind Killer-Songs, die bei voller Lautstärke deine ganze Aggression bündeln und dich erschöpft, aber glücklich zurücklassen.

Habt Ihr eigentlich die beiden Gastshouter und -growler angesprochen, oder kamen die auf Euch zu, weil sie die EP gehört hatten?

Pungent Stench habe ich etwa 1990 in Wels live gesehen und kurz danach in Gammelsdorf auf der ersten Type-O-Negative-Deutschland-Tour. Weil Aktivisten der Antifa deren Tourbus und auch mein Auto demoliert haben, saßen wir alle im Club fest. Aber so hatten wir die Gelegenheit zum gemeinsamen Feiern. Ich habe noch gemeinsame Fotos mit Pete Steel beim Billardspielen in dem Club. Wir haben zu den verschiedensten Gelegenheiten mit Martin Schirenc und seinen unterschiedlichen Bands Shows gespielt. Und er hat keine Sekunde gezögert, als ich ihn gefragt habe. Er hat mir damit einen lange gehegten Wunsch erfüllt, wofür ich ewig dankbar bin. Auch mit Belphegor verbindet uns eine Jahrzehnte lange Geschichte. Wir haben in allen Besetzungen mit ihnen Shows gespielt und teilten uns auch mal den Proberaum. Wir wussten, dass es Mäxx Crusher gesundheitlich lange sehr schlecht ging. Wir holten ihn für den Gastbeitrag direkt aus der Klinik und hatten einen Riesenspaß im Studio. Mäxx ist ein feiner Kerl und hat mit seiner Stimme auf "The Last Supper" mit Belphegor ein erstes Highlight abgeliefert. Wir sind super stolz, die beiden Legenden des österreichischen Death Metal auf unserem Album verewigt zu haben.

Beim Anblick des Covers läuft es mir nicht kalt den Rücken runter, weil es mich an Edge of Sanity erinnert, sondern weil die Szene der beiden miteinander verschlungenen Silhouetten in dieser Landschaft etwas sehr Anrührendes hat. Ist dieses Bild nach Euren Ideen angefertigt worden und nimmt es Bezug auf einen Song?

Die Idee war eine Eislandschaft die an Kokytos, den Fuß des Wehklagens, erinnert. In Dantes "Göttlicher Komödie" ist der Eissee der neunte und tiefste Kreis der Hölle, der dem Himmel am weitesten entfernt ist. Die wandernden Seelen im Hintergrund durchschreiten die Kreise der Hölle, nur die beiden Figuren widersetzen sich ihrer Bestimmung, eingefroren im Eis, für die Spanne von Zeitaltern, die Ewigkeit, sozusagen. Das Album besteht auch aus neun Songs, die sich lose an Dantes Cantos orientieren. Die Landschaft wurde extra nach unseren Vorstellungen angefertigt, die beiden Figuren sind ein Rework eines meiner Lieblings-Motive von Beksinski. Das Backcover hat Matthias Macchabée für uns gezeichnet. Alex "Irrwisch" Trinkl hat das Kunststück geschafft und aus den verschiedenen Ideen ein wunderbar klassisches Artwork gemacht.

Im Fratzenbuch habt Ihr bereits Artwork-Ausschnitte aus dem Booklet gezeigt und demonstriert, dass Ihr auch bei diesen Details Euren Hörern ein Rundum-Paket bieten wollt, und der Musikverlag, der Euch nun unter die Fittiche nimmt, ist ja für hochwertige Tonträger hinlänglich bekannt. Wie wichtig ist es Euch, mehr als nur Musik zu verwirklichen?

Die wunderbaren Artworks von Dan Seagrave, Ed Repka oder Axel Hermann sind Teil der kollektiven Death-Metal-Kultur. Deshalb wollten wir als Genre-Band genau so ein Artwork. Wir können es gar nicht erwarten, die Vinyl-Version in Händen zu halten, denn dafür ist das Cover prädestiniert! Und Social Media ist gut dafür, Hintergründe und Einsichten in die Entstehung des Albums zu zeigen. Wir zeigen Fotos und Videos aus dem Studio, unser Gear Setting oder eben die Zeichnungen in verschiedenen Stadien bis zum fertigen Artwork. Wir nehmen das alles sehr ernst, denn Qualität und Liebe zum Detail sind uns wichtig. Es ist jedesmal aufregend zu sehen, wie aus den ganzen Ideen etwas Neues, Eigenständiges entsteht. Vielleicht auch etwas für die Ewigkeit.

Du meintest zu Beginn des Gesprächs, dass Du - verständlicherweise - kaum Abstand zum Album hättest. Welche Konzerte und Erlebnisse würde es brauchen, damit sich das Kapitel "Span Of Aeons" für Dich (vorerst) abgeschlossen anfühlt?

Das ist eine interessante Frage. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es den Blick von außerhalb und das Feedback von Fremden braucht, um das eigene Schaffen einordnen zu können. Das klingt merkwürdig, weil ja oft behauptet wird, das der eigene Kosmos reicht. Ich glaube aber, dass Musik einen Resonanzboden braucht. Natürlich akustisch, aber auch in der Wahrnehmung. Als ich "Beyond The Unknown" von Incubus das erste mal hörte, war ich noch nicht begeistert. Beim ersten Live-Erlebnis hat es mich dafür völlig umgehauen. Seitdem ist die Scheibe einer meiner All-Time-Klassiker. Ich hoffe also, dass wir irgendwann die Chance haben werden, das Album live zu spielen. Aber wir drängen uns nicht auf, gerade jetzt, wo alle Live-Bands der Welt darauf warten, wieder auf der Bühne zu stehen. Für uns ist in erster Linie wichtig, zu beweisen, dass dir neuer Death Metal 2022 immer noch so richtig den Arsch aufreißen kann. Komplett übertriebener, brutaler Scheiß, der von Herzen kommt. Wir sind einfach super stolz auf dieses Album und unsere Leistung. Ich persönlich habe viele Jahre auf dieses Album gewartet!

Dann wünsche ich Euch umso mehr, dass Ihr auf Konzerte nicht zu lange warten müsste, und gehe mal davon aus, dass Dein Fokus als Musiker nun erstmal auf anderen Bands und Projekten liegt?

Zu viel lässt sich in der nächsten Zeit ohnehin nicht planen. Darum machen wir gerade das, worauf wir Bock haben. Wir können uns schnell auf Veränderungen einstellen und nutzen die viele Zeit, um so viele geile Songs wie möglich ins Universum zu schicken. Dazu haben wir immer auch die Möglichkeit, großartige Bands zu uns nach Salzburg zu holen. Da mag die Welt den Bach runtergehen, wir halten weiterhin die Stellung!

Um dem Vorwurf zu entkommen, interviewten Musikern nur Honig in den Bart zu schmieren, äußere ich mich zu Metal aus den Augsburger Alpen besser nicht. Auch die Frage nach der Schreibweise vom tödlichen Dämon überlasse ich den investigativen Profis, und bedanke mich bei Dir für Deine Zeit und Deinen Enthusiasmus, mit dem Du an vieles herangehst! Die Klassiker-Frage nach der Inschrift Deines Grabsteins kann ich Dir hier allerdings nicht ersparen...?!

Grabsteine sind doch nur nutzlose Sentimentalitäten. Wenn das Feuer niedergebrannt ist, war‘s das. Was bleibt, ist die Musik.

Thor Joakimsson (Info)
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