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Interview mit Child (01.12.2016)

Child

Wie aus dem Nichts tauchen die Australier CHILD auf und begeistern vom Fleck weg mit einem progressiven Blues Rock, der zugleich an die Siebziger gemahnt und in seiner improvisatorischen Kraft aktueller denn je wirkt … Schließlich spielt aktuell wirklich kaum jemand auf einem so hohen Niveau wie dieses Trio, das sich kollektiv unseren Fragen stellt.

Wir wissen abgesehen von den einschlägigen Namen wenig über die australische Rockszene: Airbourne oder natürlich AC/DC und Rose Tattoo. Wie sieht’s bei euch in Melbourne aus?

Die Szene von damals war ziemlich geil und hat uns stark beeinflusst, etwa Billy Thorpe, Buffalo, Chain oder Spectrum. In Melbourne wurde anfangs vor allem Rock’n’Roll gespielt, und zwar in Kneipen und vorwiegend von der Arbeiterklasse. Dieser Tage ist die Szene ungeheuer bunt, auch wenn man den alten Ansatz immer noch sieht. Gemeinschaftlichkeit ist das A und O. Einige unserer Lieblingsbands sind Cosmic Psychos, die Jungs um Chris Russell, TTTDC und Dead City Ruins .

Welche Vor- und Nachteile hat das Dasein als Band aus Australien?

Die Größe das Landes und unsere weite Entfernung vom Rest der Welt sind die größten Nachteile. Das Touren hier ist sehr teuer und zeitintensiv. Dafür muss man umso härter arbeiten um diese “Gefängnisinsel” verlassen zu können, aber das Bier schmeckt großartig. 

Ist diese Arbeiterklasseneinstellung bedeutsam für euch?

Ja, denn dort kommen wir her, und sie hat uns logischerweise geprägt. Wichtig fürs Verständnis unserer Musik ist das aber nicht, denn Musik setzt sich über Stereotypen hinweg. 

Wo zieht die Band bei aller Improvisationsfreude die Grenzlinie zwischen Selbstgefälligkeit und sinnvoller Ausuferung?

Manche Jams sind schon selbstgefällig, aber wir lieben das. Jeder darf tun, was er möchte, das gehört seit je dazu. Für uns ist es eine Frage von Geschmack und Disziplin. Man will ein Gericht nicht ruinieren, indem man es zu scharf zubereitet. 

Kommen die Texte zuerst oder die Musik?

Je nachdem. Machmal geschieht alles wie von selbst, ein anderer Mal nicht. Texte und Musik genießen bei uns den gleichen Stellenwert. 

Wie entwickelt sich da eine epische Nummer wie ‘The Man’?

Das Stück musste raus. Es dauerte eine Weile, wir wir es richtig strukturieren Mussten, aber gerade dieser Song bedeutet uns sehr viel. I 

Wie stark ändern sich die Stücke auf der Bühne?

Stimmung und Feeling bedingen das. Dabei entsteht sozusagen ein Dialog zwischen Band und Publikum, der sehr laut und schweißtriefend ist. Wir spielen nie dasselbe und legen darauf auch viel Wert. Die Energie einer Live-Show lässt sich mit nichts vergleichen, und wir möchten sie so intensiv wie möglich spüren. 

Wie erklärt ihr den Boom von Classic Rock seit einigen Jahren? Wie bleibt ihr in diesem Kontext anders als eure vielen Konkurrenten?

Das kann man nicht richtig erklären. Die Leute picken sich ihr Ding eben heraus, seien es Blues oder Doom, die beide eine einzigartige Tiefe vermitteln. Dazu finden eben eine Menge Fans bezug. Die Welt ist hart, wir leben in schwierigen Zeiten, weshalb solche Musik vermutlich wichtiger denn je ist. Wir versuchen davon abgesehen nicht bewusst, irgendwie besser als andere zu sein. Hervortun kann man sich nur, wenn man ehrlich ist und sich nicht auf die faule Haut legt.

Wie seid ihr selbst zu dieser Art von Musik gelangt?

Der Blues gelangte vielmehr irgendwie zu uns. Er sprach uns an wie keine andere Art von Musik, und die Heaviness ergab sich daraus, dass Blues heavy Musik ist. 

"Blueside" klingt sehr "live". Wurde da noch viel nachbearbeitet?

Das ganze Album wurde live eingespielt, nur nicht die Vocals, Orgel und kleinen Effekte. Overdubs nahmen wir mit keinem Instrument auf. Benutzt wurden lediglich mehrere Verstärker gleichzeitig. Unser Freund Dav Byrne von Iridium Audio, der für die Produktion verantwortlich ist, wusste, was wir wollten, nämlich genau so klingen. 

Wie läuft das mit der Orgel live?

Wir haben noch nie live damit gespielt, nutzten aber einen Organisten für die Aufnahmen, weil sich die Gelegenheit bot und das eine ganz andere Baustelle ist als die Bühne.

It’s Cruel To Be Kind' – inwieweit sprecht ihr aus Erfahrung?

Das Stück rührt von einer Menge beschissener Erfahrungen her. Es ist die Zusammenfassung von Ereignissen, die alle die gleiche Ursache hatten.

Die 'Dirty Woman' wurde schon oft besungen, was hat es mit eurer auf sich?

Es geht nicht um das Offensichtliche, sondern ist eher metaphorisch zu verstehen.

Erzählt mal, wie es live in Indonesien war.

Wir waren mit Dead City Ruins dort und erlebten ein gewaltiges Abenteuer. Manchmal ging es echt brutal zu. Unter den Clubs befanden sich ein paar fiese Absteigen, Puffs und Karaoke-Bars. Michael wurde beinahe von einem Obdachlosen umgebracht, unser Fahrer besoff sich mit dem Nationalgetränk und hätte mehrmals fast einen Unfall gebaut. Die Polizei sagte unsere letzten beiden Konzerte ab, was zu Ausschreitungen führte. Zum Glück hatten wir einen findigen Tourmanager und kamen wieder heil nach Hause. Wir werden das nie vergessen, Indonesien ist trotzdem wunderschön, wenn man die Touristengegenden hinter sich lässt, und die Menschen dort sind sogar noch toller.

Warum ein kleines deutsches Plattenlabel?

Weil wir das Zeug lieben, das Kozmik herausbringen, und bisher unterstützen sie uns nach Kräften, obwohl wir am anderen Ende der Welt leben. Ihr Vinyl ist hochwertig, und wir genießen die vollständige Kontrolle über alles.

Was bedeutet Doom für CHILD? Immerhin werdet ihr mit diesem Begriff beworben?

Wir verstehen uns nicht als Doom-Band. Klar sind wir teilweise heavy und wurden auch von diesem Stoff beeinflusst, aber diese Heaviness ergibt sich vielmehr von dem Feeling, das unseren Songs innewohnt. 

CHILD als Bandname – wieso?

Michael kam eines Nachts darauf. Wir pennten gemeinsam mit Kumpels in einer Bude, das Wort wurde sofort aufgeschrieben und besprochen. Am Ende fanden wir es alle perfekt als Namen. 

Könnte es die Band weiterhin geben, wenn einer von euch aussteigen würde?

Nichts ist insofern ausgeschlossen, als wir uns zusätzliche Mitglieder vorstellen könnten. Als Trio sprechen wir aber momentan unsere ureigene Sprache.

Wohin wollt ihr noch als Profimusiker?

Nichts weiter, als Profimusiker bleiben. Für uns gibt es nichts wichtigeres im Leben als Musik.

Andreas Schiffmann (Info)
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