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Interview mit Hammers Of Misfortune (01.10.2006)
Eines der außergewöhnlichen Alben dieses Jahres ist Hammers Of Misfortunes „The LocustYears“. Auf dem kleinen Label Cruz Del Sur veröffentlicht, gibt es wenig Aussicht auf Features in der großen Presse, besonders, weil der Vertrag mit der Firma mittlerweile beendet wurde. Für solche Fälle missachteter Genialität sind wir kleinen Zines da, und deshalb seien diese Kalifornier dem feinsinnigen Hörer mit diesem Interview ans Ohr gelegt. Einen kreativen und witzigen Geist wie Bandkopf John Cobbett bring man am besten mit einer unvermittelten Einstiegsfrage zum werken... Der Bass steht heuer weniger im Vordergrund. Liegt das daran, dass durch Orgel und Piano nun weniger Platz dafür ist? Ja, teilweise liegt das an der ausladenderen Instrumentierung auf „The Locust Years“, teilweise an Jamie, die sich eher auf die Grundtöne beschränkt und keine Vielspielerin ist. Habt ihr daran gedacht, Janis als Ersatz für Jamie zurückzuholen, weil sie doch jetzt nicht mehr für Pink spielt? Wie sieht überhaupt das aktuelle Lineup aus? Janie wohnt nicht mehr hier, sie ist nach Los Angeles gezogen und doch wieder bei Pink. Wir selbst sind wieder fast komplett: Ron Nichols spielt Bass und war früher bei Grinch, High Tone Son Of A Bitch und Christ On Parade. Schlagzeuger und Sängerin werden wir rechtzeitig bekannt geben. Die Konzentration des neuen Albums auf Frauen ist recht ungewöhnlich. Nicht nur, dass ihr sie in zwei Songs in Gestalt der Witwen heraushebt – ihr personifiziert auch Heiligkeit und Reinheit als Frauen. Wie ordnet sich Weiblichkeit in das Gesamtkonzept ein? Gar nicht. Es hätte sich wohl recht dämlich angehört, wenn ich die Songs „We Are The Widowers“ und „Widower’s Wall“ genannt hätte, oder? Außerdem sind „Chastity“ und „Sanctity“ nicht als Frauen charakterisiert. Es gibt auch kein „Gesamtkonzept“, wie du es dir vorstellst – keine eine Bedeutung. Es wird keine Geschichte erzählt, und es gibt keine Charaktere. Wenn überhaupt, dann sind die Worte und Bilder suggestiv und nicht eindeutig. Ich sträube mich wirklich dagegen, es zu erläutern. Es sollte zumindest ein wenig mysteriös sein, weißt du? Ich habe gelesen, dass sich Leute über den repetitiven Charakter von Chastity Rides aufregen. Du dagegen sagst, der Schlüssel dazu liege in den Lyrics, aber ich blicke immer noch nicht durch. Ein weiterer Hinweis wäre hilfreich... Ich habe noch keine Klagen gehört, außer jetzt von dir. Findest du, dass das Stück sich wiederholt? – Ich nicht...Wenn du es nicht magst, ist das deine Sache, und ich kann nichts sagen, damit du ihn mehr magst. Jedenfalls ist die Idee dahinter simpel und überhaupt kein großes Rätsel. Es geht um „high and mighty“ religiöse Typen und generell selbstgefällige Ärsche. Es ist eigentlich eine sehr träumerische, schöne Art, „Fick dich!“ zu sagen – besonders zu Leuten, die dich verurteilen. Es ist, wie die Bibel sagt: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.“ Da steht sowieso viel großartiges Zeug drin. Wie sind aber definitiv keine christliche Band, und ich bin hundertprozentig gegen jeden religiösen Bockmist! Die Musik von „Chastity Rides“ ist ein Teil der Ironie, nämlich wirklich „high and mighty“! Bei den „three kings“ hattest du die „“Großen Drei“ im Sinn. Sind die Texte also wirklich mehr oder weniger ein kritischer Kommentar zum aktuellen globalen Geschehen in Form eher universeller Bildersprache, etwa durch die Bibelbezüge und die Reiter der Apokalypse? Jetzt weiß ich, dass du Internetboards vor dem Interview durchforstet hast, denn du zitierst mich direkt aus unserem Forum. Ich habe nicht an die „big three“ gedacht, bevor ich das dort geschrieben habe. In Zukunft werde ich da vorsichtiger sein. Woher willst du wissen, ob ich diese Zeile nicht verwendet habe, um die Leute zu verwirren? Was könnten die „big three“ repräsentieren? – So ziemlich alles, was in Dreien auftaucht. Wie bei den meisten Stücken auf dem Album können die Lyrics in diesem Fall persönlich wie politisch interpretiert werden. Was bedeuten sie für dich? Soll ich dir wirklich den Spaß verderben, indem ich jede Möglichkeit durchkaue und es damit für jeden versaue, der sie vielleicht ganz anders deutet? Natürlich sind die „four horsemen“ ein schrecklich abgenutztes Klischee; das war mir bewusst, als ich sie zu einem Hauptmotiv der Texte und des Covers machte. Woher weißt du, ob dieses Klischee nicht Teil der Message selbst ist? „Globales Geschehen“? – Sicher, mein Kopf hat in etwa die Form eines Globus...Gleichzeitig findest du irgendwo auch aufschlussreiche Andeutungen zur Geopolitik, aber bilden diese die Grundlage, oder deuten sie bloß etwas an? Und wenn ja, was? Wie passt das Cover in dieses Konzept? Neben den vier Pferden – die an Fäden oder Spinnweben hängen? – und den die Rosen fressenden Käfern als Zeichen des Verfalls sind da der Adler und das Auge. Soll das die Regierung darstellen? Wie passt das Cover nicht ins Konzept? Was Adler und Auge angeht, sind sie Archetypen, die alle möglichen Assoziationen zulassen. Wo nimmst du deine Einflüsse beim Texten her? Die Lyrics sind viel zu poetisch, um sie auf einen reinen Rock-Hinergrund zurückführen zu können. Der Stil ist vor allem von Märchen und religiösen Texten inspiriert – Ja, ich weiß, dass das dasselbe ist...oh ja, und muslimische Geistliche, die sagen die abgedrehtesten Dinge. Eine große Inspiration war das Buch „War Is A Force that Gives Us Meaning“ von Chris Hedges. Es hinterlies einen mächtigen Eindruck auf mich – stilistisch und auf das Konzept bezogen. Ihr hattet nicht genug Geld für eine Marschkapelle in „War Anthem“ – Wie würden Hammers Of Misfortune mit einem Metallica-Budget klingen? Bestimmt nicht sehr anders, vielleicht mit mehr Details, besserem Ton und der Marschkapelle an dieser einen Stelle während „War Anthem“. Ich würde nicht alles mit einem Orchester zukleistern oder so. Wir sind bereits ein kleines Orchester, auch wenn wir Rock-Instrumente benutzen. Deshalb sehe ich keinen Grund, die Ausschmückungen weiter auszuschmücken. So wie es ist, haben wir Stimmen und Instrumente genug. Wenn wir Metallicas Budget hätten, dann würden wir natürlich ein ganzes Jahr im Studio verbringen, mehrere Alben schreiben und verschiedenen musikalischen Ideen nachgehen. Von einer solchen Arbeitsweise habe ich immer geträumt. Das wird wohl niemals geschehen, so dass ich kaum sagen kann, was sich ändern würde. Ich denke dennoch, wir würden ziemlich gleich klingen. Der Titel des neuen Albums erinnert an den des letzten. Außerdem gibt es Gemeinsamkeiten in den Texten, beispielsweise die militaristischen Bezüge und Stilmittel wie Zungenbrecher-Reime: Ist das nunmehr Bestandteil eures eigenen Stils, oder sind die beiden Alben irgendwie miteinander verbunden? Nein, die Ähnlichkeit der Titel ist reiner Zufall. Interessant, dass dir die Zungenbrecher aufgefallen sind: Das hat sich wirklich zu einem Charakteristikum meines Schreibstils entwickelt. Bei unserem Debüt war der noch nicht vollständig ausgereift. Die Militär-Andeutungen sind auch Zufall, und ich habe sie immer dort benutzt, wo sie passten, ohne an das Vorgängeralbum zu denken. Die Anklänge waren auch zu erwarten, weil „The Locust Years“ sich mit Krieg beschäftigt. Man konnte Teile von „The August Engine“ als Geschichte über jemandes Sozialisierung und folgende Desillusionierung durch Musik ansehen. Manches auf „The Locust Years“ geht auch wäre auch in diesem Sinne vorstellbar, etwa das zynische „united we stand“. Was denkst du? Obwohl man das teilweise für „The August Engine“ gilt – vor allem für „A Room And A Riddle“ – ist das nur ein Aspekt des Albums. „The Locust Years“ hat damit nichts zu tun, sondern sehr viel mit Religion und Krieg und ihrer Wirkung auf Sprache und Kultur. Wenn ich mich recht erinnere, dann hast du mal gesagt, dass man auf eurem Debütalbum die Rush-Coverband hören kann, die während eurer Aufnahmen im Raum nebenan probte. Wo befinde sich diese Stelle? Oh, das habe ich ganz vergessen, auch, wo auf dem Album das ist. Ich glaube, sie spielten „YYZ“, und es muss an einer der ruhigen Stellen zu hören sein. Das ist so eine Sache, die man nur bemerkt, wenn man vorher bereits weiß, dass sie da ist. Nach „The August Engine“ hast du auf zukünftige Hilfe deiner Kollegen beim Songwriting gehofft. Nun ist „The Locust Years“ erneut ein Alleingang von dir. Wird sich das jemals ändern? Manchmal sprachen die anderen darüber, etwas für Hammers zu schreiben, aber es hat sich nie ergeben. Meistens redete Mike darüber, aber das Problem ist, dass er genau wie ich die die volle Last trägt, Material für seine eigene Band zu schreiben. Das ist viel Arbeit, und er hat erneut wie ich eine klare Vorstellung davon, was er will. Niemand anderes kann einfach so einspringen und etwas Überzeugendes schreiben, besonders an diesem Punkt, wo Mike und ich schon seit Jahren ganze Alben komponieren, ausarbeiten und produzieren. Ich habe jetzt mehr oder weniger akzeptiert der einzige zu sein, der Songs für Hammers Of Misfortune schreibt. Ich lasse mich gerne vom gegenteil überzeugen, verlasse mich aber nicht darauf. Werden die fehlenden Lieder von „The August Engine“ veröffentlicht, und würden sie außerhalb des Albumkontextes funktionieren? Ich werde das unveröffentlichte Material in irgendeiner Form herausbringen. Es wird geschehen, nur kann ich momentan nichts Neues dazu sagen. Die Lieder können alle für sich alleine stehen. „The Church Of Broken Glass“, einer unserer besten Songs, wurde bereits zweimal aufgenommen – für „The August Engine“ und „The Loucst Years“ – und hat es immer noch nicht auf eine Platte geschafft, weil er nie zum Fluss der übrigen Stücke passte. Ich ziehe wieder ein altes Interview heran: Wann werden wir das Germanen-Thrash-Album von Hammers Of Misfortune erleben? Ich arbeite gerade daran. Mal sehen, was damit geschieht. Einiges davon könnte zu Hammers-Songs werden, das meiste wird aber wohl unter einem anderen Namen veröffentlicht werden...irgendwie, vielleicht... Mike hat gesagt, dass Hammers die Absicht haben, theatralisch bis zum Gehtnichtmehr und übertrieben dramatisch zu sein bis zur Lächerlichkeit, so wie ein Broadway-Musical. Wie weit könnt ihr das nun mit den alten Synthesizern und dem Piano treiben? Hat Mike Scalzi das echt gesagt? - Ich habe ihn gefragt, und er hat es verneint. Zunächst einmal: Diese Einschätzung meiner Absichten ist völlig falsch. Zweitens gibt es keine Synthesizer auf unserem Album, und drittens habe ich weder Ahnung von noch Interesse an Broadway-Muscials. Ich bin auch nicht auf Dramatik oder Übertreibung aus, falls Mike das wirklich behauptet hat. Ich weiß nicht, was ich noch antworten soll, denn da hast du offensichtlich falsche Infos und Gerüchte aufgeschnappt. Mike lügt. Ich habe das betreffende Interview hier. Mit dem Synthesizer meinte ich übrigens die Hammondorgel. Mike war zu der damals recht wenig an Hammers beteiligt und wusste nicht, wo wir dran waren, als er das sagte. Er kam nur vorbei, um den Gesang aufzunehmen und hatte offensichtlich die Beziehung zu dem verloren, was wir machen. I schötze, er mochte unseren neuen Kram nicht, aber du kannst es eben nicht jedem recht machen. Die Hammond ist technisch gesehen kein Synthesizer. Sie hat ein System aus Tonrädern, die zur Klangerzeugung in einem Magnetfeld rotieren. Es ist keine Sound-„Synthese“, aber ich weiß, worauf du hinauswillst. Andere Bands setzen nicht so sehr auf Abwechslung in den Gesangsarrangements und Texten. Liegt das an der heutigen Copy-And-Paste-Mentalität, oder haben die einfach nicht genug zu sagen, um einen zweiten Refrain mit anderen Worten auszuschmücken? Ich nehme mal an, andere Bands haben keine Abwechslung...weil sie nicht wollen. Ein Chorus ist dazu da, Worte zu wiederholen. Wenn man nicht zur Kernidee oder dem Songtitel zurückkehrt, wo liegt dann der Unterschied zu einer Strophe oder einem Break? Ich meinte, dass es nicht die Regel ist, jedem Chorus innerhalb eines Songs andere Worte zu geben, sondern eher, dass der Refrain immer statisch wiederholt wird. Es ist bei euch also eine Modulation, kein komplett anderer Chorus. So lange er ein wichtiger Bestandteil ist. Es hilft, sich wiederholende Parts zu haben, die sich in den Köpfen festsetzen, zu denen man mitsingen kann...Es hängt wirklich von jeweiligen Stück ab. Kennst du dien neueren Sachen von Sigh aus Japan? Mirai bedient sich ähnlicher Zutaten wie ihr, der Hammond und der Chöre, und kommt zu einem anderen Ergebnis – wohl wegen seiner Vorliebe für die Sixties und frühen Siebziger. Wird es auch einmal Sitars und Beach-Boys-Harmonien bei Hammers Of Misfortune geben? Beach-Boys-Gesänge klingen für mich wie aufgeblasener Kontrapunkt; wir haben das bereits gemacht. Ich kenne Sigh nicht, aber wir selbst haben nie komische Instrumente benutzt, um eklektisch oder gewollt wirr zu klingen. Klavier und Hammond sind keine Gimmicks, sondern genauso ein Teil unseres Sounds wie Gitarre und Schlagzeug. Wenn ich mir das Vinyl-Cover von „The August Engine“ anschaue und da weiß, dass du dich für Propaganda-Kunst interessierst: Kennst du „eMotive“ von A Perfect Circle, in dessen Booklet spöttische Propagandaplakate zu sehen sind? Ich weiß nichts über die Band und kenne ihre Cover nicht, aber wir sind bestimmt nicht die ersten, die sich propagandistische Kunst beziehen. Euer Credo ist, nicht großartige Metalalben, sondern Song-Alben zu machen. Siehst du dich darin durch ein gemischtes Publikum bestätigt, oder zieht ihr immer noch hauptsächlich Metal-Leute? Wie sieht es mit jüngeren Fans oder der Black-Death-Core-Fraktion aus? Ich bin wirklich mehr daran interessiert, ein gutes Album zu machen statt Metal des Selbstwillens wegen. Ich weiß nicht, wer unsere Fans sind, aber sie decken ein weites Spektrum ab. Ich bin ihnen dankbar dafür, dass sie uns nicht in eine bestimmte Kategorie einordnen, also tue ich das auch nicht mit ihnen – Danke, Leute! Was ist eine Death-Black-Core-Fraktion? – Hört sich unheimlich an! Vielleicht könnte ich sie mit etwas Mord und Brandstiftung auf meine Seite ziehen...das soll gut klappen, habe ich gehört. Das neue Album ist bestimmt schon ein alter Hut für euch – Was bringt die Zukunft? Ich freue mich darauf, mit unseren neuen Mitgliedern zu schreiben, touren und aufzunehmen! Es wird interessant sein zu seihen, was geschieht.
Andreas Schiffmann
(Info)
Alle Reviews dieser Band:
- Hammers of Misfortune - The Locust Years (2006)
- Hammers Of Misfortune - 17th Street (2011)