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Ernie Fleetenkieker: Metal-Manifest (Review)

Artist:

Ernie Fleetenkieker

Ernie Fleetenkieker: Metal-Manifest
Album:

Metal-Manifest

Medium: Buch
Stil:

True Metal

Label: Index Verlag
Spieldauer: 360 Seiten
Erschienen: 16.06.2023
Website: [Link]

Nach rund fünf Jahren Krachmucker TV auf YouTube, zahlreichen Lesungen auf kleinen und großen Festivals, sowie Kolumnen für das Deaf Forever, war es eine Frage der Zeit, bis ein Buch von ERNIE FLEETENKIEKER erscheinen würde, in welchem der norddeutsche Sympathieträger seine Sicht auf die Metal-Welt notiert. Dass es dabei ähnlich beherzt und schnodderig zugeht wie in seinem Erfolgsformat, dürfte klar sein.

Ernie schreibt also ganz ähnlich, wie er spricht, besser gesagt: wie er plauscht, nämlich "frei Schnauze", über seine liebste Musik, die er u.a. so definiert: "Metal ist emotionale Musik, mit der vor allem Gefühlen wie Wut und Unzufriedenheit Ausdruck verliehen werden kann." Die Wut bei ihm selbst sei über die Jahrzehnte merklich abgeklungen, eine gewisse Unzufriedenheit – zum Beispiel mit überteuerten Vinyl-Editionen, von ihm so bezeichneten "Metal-Arschlöchern", nicht zuletzt mit sich selbst – treibe ihn auch heute noch um, und das verleiht seinem Manifest die Authentizität, die viele wohl auch an Krachmucker TV so schätzen.
Und Wertschätzung wird dem Autor sicher auch für sein Buch-Debüt entgegengebracht, in dem er uns Metal-Fans im bekannten, engagierten Plauderton quasi en passant die Absolution erteilt, wenn wir uns ähnlich behämmert wie er selbst anstellen und den einen Album-Klassiker oder die andere Kult-Band viel zu lange ignorieren, bis wir wie vom Blitz getroffen – und ziemlich beschämt – feststellen müssen, was uns da all die Jahre entgangen ist.
Ernie Fleetenkiekers "Metal Manifest" ist gespickt mit Erinnerungen und Wahrnehmungen, an die wohl die meisten von uns locker anknüpfen kann, sei es durch ganz ähnliche oder auch gegenteilige Erfahrungen: Ernie lädt stets zum Dialog ein, stellt seine Sicht nicht über die anderer, sondern gibt sich als ein Metal-Fan unter vielen, der mit uns gewisse Erweckungserlebnisse nun in Schriftform teilt:

"Ich erinnere mich noch gut an diesen Tag, als ich diesen von Robert Müller geschriebenen Bericht über Black Metal im Metal Hammer las, diese Album-Artworks sah und fassungslos und gebannt all diese umgedrehten Kreuze und die Dunkelheit in mich aufsog. Es sind Momente, die ich manchmal noch einmal erleben möchte, Augenblicke, in denen Naivität und Unwissenheit sich in Erstaunen und den Willen verwandeln, alles herausfinden zu wollen, was es herauszufinden gibt."

Womit es Ernie gelungen sein dürfte, des Pudels Kern in Worte zu fassen, wenn es um die wehmütige Sehnsucht geht, bestimmte Momente noch mal erleben, bestimmte Musik noch mal entdecken zu dürfen. Doch auch Herr Fleetenkieker kann seine Augen nicht davor verschließen, dass er eben kein blauäugiger Jungspund mehr ist, der sich ein Album (gefühlt) ein paar hundert Mal anhören und in jeglichem Hokuspokus mit jugendlicher Begeisterung aufgehen kann:

"Ist jetzt etwas übertrieben lästerlich dahingeschrieben, aber das liegt einfach daran, dass ich die Profanisierung der Thematik selbst miterlebt habe. Von meinem beginnenden Interesse für alles Okkulte, dem nicht in Worte zu fassenden Erbeben, welches ich spürte, als ich erstmals diesen grünbeigen Metal-Hammer-Bericht über Black Metal in den Händen hielt, oder auch die ersten Ablaze-Magazine, mit Euronymous und Fenriz auf dem Cover. Mit all diesen Fotos, Alben und Bands, die mich schier überwältigten und überforderten. Bis zum heutigen Gähnen und der Lustlosigkeit, mich überhaupt noch mit Black Metal zu beschäftigen."

Seine Wendung vom über beide Ohren vom Black Metal faszinierten Fanatiker zum davon ziemlich angeödeten Metal-Fan, der sich im mittleren Alter den Wurzeln schwermetallischer Musik und ihren neuen VertreterInnen widmet, dürften nicht wenige ungefähr gleichaltrige Kuttenträger nachvollziehen können. Ob es im Buch diverser Top-Ten-Listen bedurft hätte, wage ich zu bezweifeln, die hätte sich der Verfasser gerne für das Deaf-Forever-Magazin aufsparen können. Ungleich spannender und gehaltvoller scheinen mir demgegenüber seine Anmerkungen zum Thema Alkohol(missbrauch) im Metal, doch gleichwohl Ernie hier einmal mehr selbstkritische Töne anschlägt, geht er nicht zu sehr in die Tiefe. Schade eigentlich, denn nur wenige bringen solche Szene-Credibility und gleichzeitig solch ein Geschick mit, schwere Themen vergleichsweise locker und nicht moralisierend anzupacken.
Wenn Ernie eine Lanze für Frauen im Metal bricht, dann macht er das nicht, wie er betont, als Feminist oder Frauenversteher, sondern vor allem als begeisterter Musikliebhaber, dem auch noch über ein Vierteljahrhundert nach Veröffentlichung von The Gatherings "Mandylion" beim Hören dieser Scheibe die Freudentränen einschießen. Dass zum Beispiel The 3rd and the Mortal bei dieser Gelegenheit mit nur einem Satz abgespeist werden, ist bedauerlich, doch vielleicht hebt sich der Autor einen der größten Treppenwitze der Metal-Musikgeschichte für sein nächstes Buch auf?
"Auch wenn es sich so lesen mag, ich habe dieses Buch nicht in vierundzwanzig Stunden auf dem Scheißhaus runtergeschrieben", beteuert der Autor, und übt sich damit in einer Tiefstapelei, die einer ungetrübten Lektüre mehrfach im Wege steht. Die Lesenden werden von Ernie zudem "vorgewarnt", dass er sein Manifest auch als Versuch begreift: "Wer weiß, vielleicht finde ich Gefallen am Schriftsteller-Dasein und verwirkliche die Anthologie ‚Filme zum Headbangen‘", beendet er das entsprechende Kapitel, und die Aufforderung muss nicht in Druckerschwärze aufs Papier gebracht werden, um zu wirken: Sagt doch mal dem Ernie, was ihr euch wünscht…! Wünschenswert wären aus meiner Sicht weniger oft wiederholte Beteuerungen und stattdessen mehr Wagemut beim Reflektieren über metallische Werte, und wie (weit) sie wirken. "In diesem einen Punkt bin ich für mich in meinem stillen Kämmerlein wohl doch ein konservativer Traditionalist", sinniert Ernie nämlich mit Blick auf Musik, die keine Wurzeln im traditionalen Metal aufweist, spart jedoch die Frage aus, ob dieser Konservatismus auf musikalische Definitionen begrenzt werden kann.
Über die heilende Kraft von Musik im Allgemeinen und Metal im Speziellen berichtet Ernie in einem Kapitel über seine chronische Krankheit Depression, und schätzungsweise dürfte selbiges in zahlreichen Metal-Fans am Tiefsten widerhallen, zeichnet doch diese quasi therapeutische Qualität den Metal als Musik für (gefühlte) Außenseiter aus. Wer dem Metal ein Leben lang die Treue hält, fand sich zu Schulzeiten zunächst oft auf der Verliererseite, so die autobiographische Beobachtung des Autors.
Die einzelnen Kapitel werden von Photos geschmückt, von denen eine Vielzahl eine Fleetenkieker’sche Tonträger-Auswahl in seinem Studio zeigt: Hm. Photos von seinen Konzerten oder Lesungen - oder aus dem Backstage-Bereich! - tauchen nicht auf, obwohl es sich inhaltlich angeboten hätte.

FAZIT: Ernies "Metal Manifest" ist genau das geworden, was sein Titel verspricht: Ein Manifest seines Autors, der darin vor allem Metal-Trivialitäten aus seiner eigenen, bekanntermaßen leicht kauzigen Perspektive nacherzählt und mit einer Bedeutung auflädt, die Außenstehenden wohl auf immerdar unbegreiflich bleiben dürfte. Mit seinem Hang zur Ironie bis zu beißender Selbstkritik legt der Autor bei einigen Themen zwar den Finger in die Wunde, braucht jedoch keine Anklage wegen Ketzerei zu befürchten, sondern darf davon ausgehen, dass sich zahlreiche Metal-Fans in seinen keineswegs widerspruchsfreien Überlegungen wiedererkennen und über den meist milden Spott des Fleetenkiekers freuen werden.

Thor Joakimsson (Info) (Review 2628x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • Prolog
  • Teil I: Einführung
  • Teil II: Eine Entdeckungsreise
  • Teil III: Auf der Suche nach der Metal-Seele
  • Teil IV: Metal ist tot
  • Epilog
  • Metal ist...

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