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Shadow Gallery - Baarlo (ProgPower Europe) - 02.10.2010
Ganze 18 Jahre nach Veröffentlichung ihres Debütalbums ist es soweit: Die Progressive-Metal-Götter SHADOW GALLERY wagen sich zum ersten Mal auf die Konzertbühnen dieser Welt. Von den Fans wurden Live-Auftritte immer wieder gefordert und herbeigesehnt, und auch von der Band waren diese spätestens seit ihrem zweiten Werk „Carved In Stone“ eigentlich „geplant“. Denn damals holte man sich mit Gary Wehrkamp einen Mann zusätzlich ins Boot, nicht zuletzt, um die komplexen Arrangements live umsetzen zu können. Im Laufe der Jahre wurde der Gitarrist und Keyboarder sogar zur Führungspersönlichkeit innerhalb der Band, ironischerweise kamen Auftritte jedoch aus den verschiedensten Gründen nie zu stande.
Im Rahmen des ProgPower-Europe-Festivals sollte es nun also stattfinden, das erste Europa-Konzert und laut Bassist Carl Cadden-James der erste Auftritt von SHADOW GALLERY „ohne meine Mutter“ (kurz zuvor spielte die Band einen Warm-Up-Gig in ihrer Heimat). Nicht wenige Fans kamen offensichtlich speziell wegen dieser Gelegenheit ins kleine, niederländische Baarlo. Auch wenn man sagen muss, dass der Begriff „Festival“ ein wenig irreführend ist, es handelt sich beim ProgPower Europe eher um eine kleine, fast familiäre Club-Show, ausgedehnt über drei Tage, die allerdings sehr gut organisiert ist. So konnten die Vorbands genau den Zeitplan einhalten, in dem jeweils lange Pausen für die nötigen Umbauten und Soundchecks enthalten waren. Erst vor dem Auftritt des Headliners kam es offensichtlich zu Problemen: Mehrmals ging das Licht aus und wieder an, ein Intro lief, aber der Vorhang ging nicht auf, wodurch sich der Start immer weiter nach hinten verschob. Anscheinend bekam die Technik die hohen Anforderungen des SHADOW-GALLERY-Sounds nicht in den Griff, was sich im weiteren Verlauf noch bestätigen sollte. An der Band selbst schien es jedenfalls nicht zu liegen, denn diese beschloss schließlich einfach loszulegen, was nicht nur die Zuschauer, sondern offensichtlich auch die Techniker ein wenig überraschte.
SHADOW GALLERY ließen sich jedoch von all den technischen Problemen weder aufhalten, noch weiter stören: Die Band legte einen gigantischen Auftritt hin! Es gibt ja immer wieder Beispiele solcher Kultbands, die auf ihren Studioalben diese gewisse Magie vermitteln, dann aber bei ihren ersten Live-Konzerten enttäuschen. Nicht jedoch SHADOW GALLERY, die Band wirkte von der ersten Minute an unglaublich spielfreudig, voller Energie, aber gleichzeitig überaus locker und sympathisch. Die kompliziertesten Riffs und Läufe und rasende Soli wurden grinsend heruntergezockt, als sei es nichts, und nebenbei wurden noch vierstimmige Harmonien gesungen. Gary Wehrkamp sprang ausgelassen herum und jubelte dem Publikum zu, während er ständig übergangslos zwischen Gitarre und Keyboard wechselte. Die ganze Band freute sich mehr als offensichtlich, endlich im direkten Kontakt mit ihren Fans zu sein. Die Gelegenheit wurde auch genutzt, den 2008 verstorbenen Sänger Mike Baker zu grüßen und darauf hinzuweisen, dass man ohne ihn nicht auf dieser Bühne stehen würde.
Während die Band mit ihrer Ausstrahlung und Performance und einem unglaublichen spielerischen Niveau also restlos überzeugte, bekam der Mann am Mischpult die komplexen Arrangements leider nie ganz in den Griff. So waren immer mal wieder verschiedene Instrumente viel zu leise, und Mikros wurden zu spät aktiviert. Die Lautstärke der Keyboards wurde manchmal erst angehoben, als das Solo längst im Gange war, wogegen Leadgitarren desöfteren plötzlich im Verhältnis viel zu laut waren. Die Band muss aber wohl auch der Alptraum jedes Tontechnikers sein, denn bei fünf regulären Mitgliedern und einer zusätzlichen Live-Aushilfe (Carls Neffe Eric Deigert) galt es folgendes zu verwalten:
4 Sänger
4 Gitarren
3 Keyboards
1 Bass
1 Flöte
2 Drummer
Ja, ganz richtig gelesen, SHADOW GALLERY verzichteten trotz ihrer bombastischen Studioproduktionen löblicherweise völlig auf Samples, Einspielungen, oder ähnliches. Die sechs Musiker spielten und sangen stattdessen tatsächlich alles selbst! Hierzu wechselten nicht nur Gary Wehrkamp und Aushilfe Eric ständig zwischen ihren jeweiligen Keyboards und Gitarren, auch Sänger Brian Ashland steuerte immer wieder ausgezeichnete Gitarren- und Keyboard-Parts bei (u.a. auch Soli). Dabei tauschte man aber keinesfalls untereinander die Instrumente, sondern spielte das stellenweise sogar alles gleichzeitig. Und Gary Wehrkamp übernahm dann noch für einige Nummern das Schlagzeug, wie schon auf dem aktuellen Album „Digital Ghosts“. Hinzu kamen natürlich die mehrstimmigen Gesänge, immerhin ein Markenzeichen der Band und eigentlich kaum live reproduzierbar. Doch auch diese meisterten sie zu viert in großartiger Weise, dabei stach vor allem Carl Cadden-James mit tollen Vocals und einer unheimlich intensiven Performance hervor. Hier und da saßen manche Harmonien nicht ganz hunderprozentig, jedoch trug dies nur zur natürlichen Ausstrahlung und Authentizität bei. Jede andere Gruppe mit einem vergleichbaren Stil hätte wohl auf diverse Einspielungen zurückgegriffen. Es zeugt von der unheimlichen Qualität und dem Talent in dieser Band, dass SHADOW GALLRY ihre kompletten Arrangements live umsetzen.
In Anbetracht dieser Konstellation war der Sound insgesamt sogar als gut zu bezeichnen, nur war eben das Verhältnis der einzelnen Instrumente untereinander meist unausgewogen, immer irgendetwas zu leise oder etwas anderes zu laut. In Zukunft sollte die Band auf jeden Fall eine Art „weiteres Mitglied“ am Mischpult stehen haben, welches die Songs in- und auswendig kennt und an den entsprechenden Stellen die richtigen Instrumente ein- und ausblenden kann.
Am eigentlichen Set gab es für mich lediglich einen Kritikpunkt: Zu viele großartige Songs, vor allem der ersten drei Alben, blieben ungehört. Man spielte ca. 100 Minuten, baute aber noch Gitarren,- Keyboard- und Drum-Soli ein. Vom etwas zu langen „Show-Off“ von Schlagzeuger Joe Nevolo abgesehen, waren diese zwar durchaus unterhaltsam, aber man hätte als Zuschauer auch gerne noch zwei, drei reguläre Songs mehr gehört. Immerhin legte die Band Wert darauf, jedes ihrer sechs Alben zu berücksichtigen, wobei der Schwerpunkt ein wenig auf dem aktuellen Album und dem Meisterwerk „Tyranny“ lag.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass SHADOW GALLERY bei ihrem Europa-Debüt auf ganzer Linie überzeugten und mit unheimlicher Spielfreude und Klasse begeisterten. Wer noch die Gelegenheit hat, die Band bei ihrer laufenden Tour zu sehen (u.a. am 16.10. in Essen), sollte diese unbedingt wahrnehmen. Wer weiß, ob und wann es ein nächstes Mal geben wird?
Setlist:
Stiletto In The Sand
War For Sale
Mystery
Deeper Than life
Pain
Destination Unknown
Questions At Hand
Ghost Of A Chance
Strong
The Andromeda Strain
Crystalline Dream
Haunted
Room V
Gold Dust
Vielen Dank an Yorick Photography (www.yorick-photography.com) für das freundliche Bereitstellen der Fotos!