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Opeth / Anathema - Köln, E-Werk - 21.11.2012
Für Fans von OPETH und ANATHEMA ist Kalenderwoche 47 des Jahres 2012 eine ganz besondere - zumindest wenn sie aus Nordrhein-Westfalen oder wenigstens der näheren Umgebung von Köln und Bochum kommen. Denn am Mittwoch und Freitag jener Woche spielen die Bands in den beiden Städten Sets, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Während am Mittwochabend in Köln ein reguläres Konzert im E-Werk stattfindet, darf man sich am Freitag auf ein Erlebnis besonderer Art freuen: ANATHEMA und OPETH unplugged in der Christuskirche in Bochum. Wobei unplugged nicht ganz richtig ist, denn elektronische Instrumente kommen sehr wohl zum Einsatz, weshalb Akustikset es besser trifft. Aber wollen wir mal nicht kleinkariert sein, denn die Tatsache, dass man zwei so außergewöhnliche Bands innerhalb kürzester Zeit auf so unterschiedliche Art und Weise erleben darf, ist schon etwas Besonderes und alles andere als alltäglich. Und so verwundert es nicht, dass man nicht wenige Zuschauer gleich bei beiden Konzerten antrifft. Und es ist klar, dass hier ein Double-Live-Feature her muss.
Fangen wir mit dem Mittwochabend in Köln an. Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, dass OPETH im Rahmen ihrer ersten Rundreise zum aktuellen Album "Heritage" in der Domstadt Halt gemacht haben. Am 01.12.2011 spielten die Schweden in der Essigfabrik und machten den Laden mehr als rappelvoll. Zu voll, wie man im Nachhinein von verschiedenen Besuchern hörte. Das E-Werk ist an diesem Abend auch ordentlich gefüllt, aber weit davon entfernt, überfüllt zu sein. Gut so. Ziemlich pünktlich um kurz vor 20 Uhr starten dann auch schon ANATHEMA in ihr Set, das leider viel zu kurz geraten ist. Es ist klar, dass eine Vorband keine 90 Minuten bekommt, aber angesichts der Tatsache, dass die Briten bei eigenen Headlinershows üblicherweise locker über zwei Stunden spielen, sind die 45 Minuten, die heute zur Verfügung stehen, schon sehr bitter. Nicht zu Unrecht fragt man sich, warum ANATHEMA sich überhaupt auf diese Tour eingelassen haben, denn es ist eher schwer zu glauben, dass viele Leute die Band noch nicht kennen, zumal Haupt- und Vorband eine recht ähnliche Zielgruppe bedienen dürften. Andererseits sind OPETH natürlich noch eine größere Hausnummer als ANATHEMA und so spielt die Band um die drei Cavangh-Brüder (Jamie ist ja stets als Tourbassist dabei und Danny sieht immer mehr aus wie Clown Pennywise aus "Es") heute wohl vor einem größeren Publikum als üblich. Vorgestellt wird heute Abend zudem das neue Bandmitglied, Keyboarder Daniel Cardoso gehört ja inzwischen fest zum Line-up. Los geht es mit dem Opener des wohl besten ANATHEMA-Albums "Judgement", nämlich "Deep". In hauptsächlich blaues Licht getaucht ein herrlicher, etwas unerwarteter und vor allem ordentlich rockender Einstieg bei recht gutem Sound. Weiter geht es mit einem Song von "We're Here Because We're Here", dem Album, mit dem man als Liebhaber der tiefen Melancholie vielleicht nicht ganz so gut klar kommt. "Thin Air" ist aber klar einer der besseren Songs der Platte und wird mit viel Gefühl vorgetragen. Erwartungsgemäß entwickelt sich "Untouchable", der superbe Doppel-Opener des aktuellen Albums "Weather Systems", auch live zu einer Emotionsgranate mit seinem recht harten ersten Teil und dem gefühlvolleren zweiten Teil, bei dem Sängerin Lee Douglas die Hauptstimme übernimmt. Mit "A Simple Mistake" bleibt es ruhiger, bevor die zweite kleine Überraschung des Abends vernommen wird. Der charakteristische Klavier- und Kickdrum-Einstieg verrät "Closer", das Stück mit den Vocoder-Vocals, das man in diesem Rahmen nicht unbedingt erwarten durfte. Danach folgt leider auch schon der letzte Song, der wiederum keine Überraschung ist: wie üblich beendet "Fragile Dreams" das schöne, aber zu kurze Set. Wie wäre es denn mal mit "Judgement" als Rausschmeißer?
Nicht wenige OPETH-Fans befürchten, dass es mit den todesbleihaltigen Growls bei den Schweden endgültig vorbei ist. Klar, "Heritage" hatte mit den Death-Metal-Wurzeln ziemlich komplett gebrochen, was für manchen ein kleiner Schock war. Umso überraschender, dass die Progkönige um Mikael Åkerfeldt an diesem Abend eine Setlist präsentieren, bei der Klargesang nur eine Nebenrolle spielt. Und umso bedauerlicher, dass das Kölner Publikum seinem schlechten Ruf auch heute wieder alle Ehre macht. Natürlich sind OPETH keine Band, die am laufenden Band Partystimmung verbreitet, aber ein paar mehr gereckte Fäuste und vor allem mehr fliegende Haare dürfen es dann schon sein. Immerhin wird zwischen den Songs ordentich Applaus gespendet. Und gelacht, denn wie immer präsentiert der Frontmann sich als komödiantischer Alleinunterhalter mit furztrockenem Humor, wenn es um die Ansagen geht. Nicht überraschend startet die Band mit dem markanten "The Devil's Orchard" vom aktuellen Album in ihr Set, um gleich danach mit "Ghost Of Perdition" das zehnminütige Highlight vom "Ghost Reveries"-Album abzufeuern - und die alten Fans im Handumdrehen zu versöhnen, denn das charakteristische Gegrowle hat der kränklich dürr wirkende Åkerfeldt natürlich noch nicht verlernt. Bei den Instrumentalparts zieht er sich ein Stück nach hinten zurück um den Kopf zu schütteln, deutlich aktiver ist dabei aber Basser Martin Mendez, während Fredrik Åkesson seine Gitarrenparts eher regungslos absolviert. Weiter zurück in die Vergangenheit geht und somit noch ein wenig härter wird es mit "White Cluster" von "Still Life" und inzwischen weiß wohl jeder, dass man harten, komplexen Metal live kaum besser spielen kann, als OPETH es tun. Und einen besseren Sound kann man live auch nicht haben. Zwar ist es nicht sonderlich laut, dafür umso transparenter und druckvoll. Die Lichtshow ist headlinerwürdig, aber im Vergleich zur Musik, die erklingt, beinahe schon unspektakulär. Das aus "Damnation" und "Deliverance" bestehende Albumdoppel wird mit dem melancholischen "Hope Leaves" und dem härteren "Deliverance" gewürdigt, bevor die nächste Platte der Diskografie präsentiert wird. Vom überragenden "Watershed" hat man sich "Hessian Peel" ausgesucht, bevor mit "Häxprocess" wieder ein "Heritage"-Song ertönt. Danach geht es nochmal zu "Ghost Reveries" und "Reverie/Harlequin Forest" beschließt das Hauptset. Natürlich dürfen OPETH nicht ohne Zugabe weiterreisen und so kommt die Band nochmal zurück, um mit "Blackwater Park" das noch fehlende der Alben von 1999 bis 2011 zu featuren. Das Fazit ist klar: eine Best-of-Setlist mit superbem Sound beglückt all jene OPETH-Fans, die vom ersten Teil der "Heritage"-Tour eher enttäuscht waren. Und lässt die Frage offen, ob es bei den Schweden auf Platte nochmal Growls zu hören gibt oder eben nicht.