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Opeth / Anathema (Akustikshow) - Bochum, Christuskirche - 23.11.2012
Das Leben ist schön. Besonders dann, wenn man innerhalb von drei Tagen zwei Konzerte mit Ausnahmebands wie OPETH und ANATHEMA sehen kann. Nachdem am Mittwochabend das Kölner E-Werk und die dortigen Zuschauer beglückt wurden, stehen die beiden Bands am Freitagabend in der Bochumer Christuskirche auf der Bühne, um eine ganz besondere Show zu zelebrieren. Theoretisch ist "Stecker raus" angesagt, doch von komplett unplugged kann keine Rede sein - was der Sache aber keinen Abbruch tut. Die Christuskirche ist seit Monaten ausverkauft und nur mit Glück kam man kurz vorher noch an Tickets von Leuten, die heute Abend verhindert sind. Und so bildet sich schnell eine lange Schlange vor dem Gebäude, die ungeduldig der Dinge harrt, die da kommen sollen. Im Inneren angekommen stellt man schnell fest, dass man nicht in einem alten Kirchengemäuer gelandet ist, denn die Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg zerbombt, lediglich der Turm blieb unversehrt. Der Anbau entstand Ende der 50er Jahre und ist entsprechend moderner gehalten. Schnell noch ein Bier geholt - die Evangelen machen es möglich, dass man in einer "normalen" Kirche, in der Sonntags Gottesdienste stattfinden, zum Konzert auch Alkohol ausgeschenkt bekommt - und einen Platz auf den Holzbänken gesucht. Denn heute gilt: wer zu spät kommt, muss stehen, was für nicht wenige Besucher gilt. Gespannte Vorfreude macht sich schnell im Saal breit.
Kurz vor Konzertbeginn trifft man einen entspannt wirkenden Jamie Cavanagh im Vorraum an - er hat heute frei. Wenig später betritt sein Bruder Danny die breite Bühne und fängt an, auf seiner Gitarre zu zupfen. Dann tritt er auf seine Pedale und wie von Geisterhand ertönt das gerade gespielte in einer sich wiederholenden Schleife, während Danny nun einen Beat auf seinem Instrument klopft. Er nutzt ein Loopgerät, um die Songs in den Akustikfassungen zu arrangieren. Als nächster betritt Sänger Vincent die Bühne und stimmt "Thin Air" an, erste Gänsehautschauer erfassen den wissenden Teil des Publikums. Sofort wird zudem klar, dass sich die ANATHEMA-Songs wegen ihrer Eingängigkeit und der melancholischen Stimmung perfekt für eine akustische Umsetzung eignen - sogar noch besser, als später die OPETH-Songs, denn die Darbietung der Briten ist von Anfang an mitreißend. Als Improvisation wird der nächste Song angekündigt, was nicht ganz richtig ist, denn am Vorabend in Frankfurt wurde "The Beginning And The End" auch schon gespielt - aber vielleicht war der Song da auch schon improvisiert. Erneut macht Danny ausgiebig Gebrauch vom Loopeffekt und veredelt den Song mit einem tollen Solo. Ein Wort an dieser Stelle zum Sound: der ist glasklar und sehr ausgewogen, dazu in genau der richtigen Lautstärke - mit anderen Worten: perfekt. Zum dritten Song kommt Keyboarder und Neu-Mitglied Daniel Cardoso auf die Bühne und spielt Klavier zum ruhigen "Dreaming Light". Danach hat Sängerin Lee Douglas ihre großen Auftritt und inszeniert eine herzerwärmende Version von "A Natural Disaster". Wie mitreißend der Auftritt von ANATHEMA ist, zeigt sich spätestens beim Gemeindechor, der bei "Untouchable Part 2" angestimmt wird. Dass die Briten große PINK FLOYD-Fans sind, ist bekannt, trotzdem kommt die Coverversion von "Another Brick In The Wall Part 2" überraschend - klar, dass auch hier großflächig mitgeklatscht und mitgesungen wird. Dann ist auch schon fast Schicht im Schacht, doch ein letzter Song kommt noch. Dass es "Fragile Dreams" sein würde, überrascht wohl niemanden. Für einige Zuschauer ist es trotzdem eine Überraschung, wie gut, wie souverän und wie sympathisch ANATHEMA heute Abend sind. Angesichts der mageren Spielzeit von 45 Minuten kann man also nur hoffen, dass sich die Band dazu entschließt, ein paar Headlinershows im Akustikgewand zu spielen - dann bitte auch wieder in Bochum.
OPETH haben in der Kirche den Teufel an die Wand gemalt - und zwar in Form eines Backdrops, das den unteren Teil des "Heritage"-Coverartworks zeigt. Während des Auftritts sieht man davon aber nicht viel, denn die Scanner, die für stimmungsvolle Beleuchtung sorgen, hängen davor. Die Band kommt auf die Bühne und nimmt erst einmal auf den bereit stehenden Barhockern Platz. Während ANATHEMA ihr Set im Stehen absolviert haben, machen es sich die Schweden lieber gemütlich. Was nachvollziebar ist, denn zum einen spielen sie deutlich länger, zum anderen sind ihre (Halb-)Akustikinterpretationen ruhiger und andächtiger, als die ihrer Vorband. Sollte jemand ein komplett akustisches Konzert erwartet haben, könnte man leicht enttäuscht sein, denn zumindest Fredrik Åkesson und Martin Mendez spielen auf "normaler" E-Gitarre bzw. -Bass - aber natürlich ohne Metal-Verzerrung. Frontmann Mikael Åkerfeldt wechselt dagegen zwischen E- und akustischer Gitarre. Zu Anfang ertönt die Klaviermelodie von "Heritage", dem Opener des gleichnamigen aktuellen Albums. In der Instrumentalnummer brilliert vor allem Drummer Martin Axenrot mit akzentuiertem Jazz-Getrommel und zeigt damit, dass er mehr ist, als ein guter Metal-Schlagwerker. Mit spacig-chilligen Keyboardsounds und schönen Backing Vocals wird "Credence" vom "My Arms, Your Hearse"-Album dargeboten, danach erzählt Mikael, der natürlich auch heute wieder zum Scherzen aufgelegt ist, dass er zum ersten Mal bei der Hochzeit seiner Schwester in einer Kirche gesungen habe. Die dort vorgetragene Leonard Cohen-Nummer wird heute aber nicht dargeboten. Stattdessen folgt "In My Time Of Need" mit wunderschönem Gesangsarrangement. Das neuere "Häxprocess" wird auch in der ruhigen Fassung zum Progspektakel und beweist, wie spielerisch brilliant OPETH sind. Danach folgt ein kleiner Block mit Coverversionen, der von einem NAPALM DEATH-Song eingeleitet wird. Wobei das zwei-Sekunden-Geprügel von "You Suffer" nur mit viel Wohlwollen als Song bezeichnet werden kann - entsprechend schwer ist zu beurteilen, wie gut das Akustikcover wirklich ist. Ernster wird es dann mit einem schwedischen Song, den Mikael schon immer mal spielen wollte. Die Band HANSSON DE WOLFE UNITED und ihren Song "Var kommer barnen in?" kennt hierzulande wohl niemand, das getragene Lied ist aber ganz hübsch anzuhören. Auch die BLACK SABBATH-Nummer "Solitude" wird mit markantem Gitarrenspiel ansprechend dargeboten. Danach werden noch kurz ERIC CLAPTONs "Tears In Heaven" und ein gewisser Song namens "Nothing Else Matters" zur allgemeinen Belustigung angespielt, bevor es mit "Benighted" weiter geht. Der "Still Life"-Song wird anfangs etwas zu laut gesungen, aber nachdem Mikael die richtige Lage gefunden hat, weiß die härter werdende Nummer vor allem mit starken Orgelsounds zu begeistern. Als Höhepunkt entpuppt sich ein Song, den so mancher gerne auch am Mittwochabend gehört hätte. "Demon Of The Fall" beeindruckt mit finsterer Atmosphäre, die durch zweistimmigen Gesang und Bongotrommeln gefördert wird. Nachdem ein Zuschauer im schwedischen Zwiegespräch mit Mikael immer wieder "Windowpane" gefordert hat, wird das dann auch kurz angespielt. Aber nur ganz kurz, denn auf dem Plan stehen "Hope Leaves" und "Atonement", letzteres in einer entspannt-psychedelischen Version gespielt. Mit den jazzigen Klängen von "Marrow Of The Earth", dem letzten Song von "Heritage" schließt sich der Kreis und ein denkwürdiges Konzert neigt sich dem Ende zu.
Bedauernswert, wer keines der beiden Akustikkonzerte miterleben durfte, denn so schnell wird sich die Gelegenheit vermutlich nicht nochmal ergeben. Während ANATHEMA schon in der Vergangenheit öfter mal in diesem Soundgewand gespielt haben und somit entsprechend souverän ihre Aufgabe erledigen, ist es für OPETH eher ein gelungenes Experiment. Die grundsätzliche Sperrigkeit legen die progressiven Songs auch im akustischen Kostüm nicht ab, weshalb bei den Schweden eher andächtiges Lauschen, als begeistertes Mitgehen angesagt ist. Was jedoch nichts an der Tatsache ändert, dass es ein toller Abend in der Christuskirche ist.
Vielen Dank an Dajana Winkel von nocturnalhall.com für die Überlassung der Bilder.