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Interview mit NOITILA (15.06.2024)

NOITILA

Aus dem sprichwörtlichen Nichts tauchte mit NOITILA im Herbst 2023 ein Duo aus Finnland auf, das via Nordvis sein Langspiel-Debüt veröffentlichte und damit einen Einstand nach Maß feierte: Nur noch in seltenen Fällen klingt nordischer Black Metal so atmosphärisch dicht, naturverbunden, entrückt und doch vereinnahmend. "Langennut" vermittelt den Anschein, als ob blutjunge Musiker von Ulver, Satyricon oder Moonsorrow zusammen ein besonders freigeistiges und vehementes Album aufgenommen hätten. Und damit der Überraschung nicht genug – ausgerechnet eine finnische Band gibt bereits im Begleitschreiben so bereitwillig Auskunft über ihr hinterwäldlerisches Treiben, als ob der Leibhaftige selbst mehrere Kästen Quasselwasser vor jene Waldhütte gestellt hätte, in der sich die rituellen Aufnahmen zutrugen. Wenn das also kein Grund ist, die Wanderstiefel zu schnüren, Proviant einzupacken und frohgemut in die ferne Einöde aufzubrechen, um selbst das Gespräch mit den keineswegs wortkargen Musikern aus dem hohen Norden zu suchen…


Es hat mich überrascht, eine Presse-Info über eine Band aus Finnland zu lesen, die so gesprächig über ihre Musik Auskunft gibt. "Langennut" klingt urwüchsig bis ins Mark und so, als hättet Ihr eine inspirierte und intensive Zeit bei den Aufnahmen zu Eurem Debütalbum erlebt, jedoch vermute ich, es gibt keine private oder zumindest "halboffizielle" Dokumentation des Aufnahmeprozesses in der Familienhütte, die Eure Kreativität widerspiegelt, zum Beispiel die Verwendung eines alten Lederstuhls als Bassdrum?

Grüß dich. Du hast Recht, wenn du annimmst, dass der Prozess tatsächlich inspiriert und intensiv war. Sehr kathartisch. Dieses Album soll als Dokumentation unseres Rituals dienen. Alles, was du brauchst, ist darin. Wenn die Dunkelheit in deine Seele eindringt, kannst du wählen, ob du inspiriert oder verschlungen werden willst. Oder beides, so wie es bei uns der Fall war. Unser privates Heiligtum soll allerdings privat bleiben. Was jene Bands betrifft, die nicht über ihre Musik sprechen wollen: Vielleicht wissen sie nicht, was sie tun. Das ist reine Spekulation, doch vielleicht fühlen sie sich bedroht, dass ihr Mangel an Tiefe und Wissen enthüllt wird. Wenn eine Band Musik veröffentlicht, betritt sie den öffentlichen Raum. Da muss man in der Lage sein, zu seinem Handwerk zu stehen, sich durch den Mist der ignoranten Meinungen der meisten Leute durchzukämpfen und, wenn nötig, mit aufschlussreicher Kraft zu antworten. Wenn man weiß, was man tut, und reine Absichten verfolgt, hat man keine Angst, darüber zu sprechen.

Seit den Neunzigern haben viele Bands das Erbe des frühen nordischen Black Metal aufgegriffen, doch nur wenige haben es ähnlich konsequent und mit einem so authentischen Sound vollzogen wie NOITILA. Wenn ich mir "Langennut" anhöre, ist Armagedda eine der wenigen Bands, die mir ebenfalls in den Sinn kommen, und diese Band ist quasi die Keimzelle des Labels, das Euer Album veröffentlicht. Nordvis war also die naheliegendste Wahl, wage ich zu behaupten?!

Nordvis war in der Tat die erste und einzige Wahl, jedoch nicht wegen Armagedda, obwohl wir deren Musik sehr schätzen. Nordvis hat dieselbe Wertschätzung, Authentizität und im Hinblick auf die Musik ebenso wie wir keine Angst, "sich die Hände schmutzig zu machen". Nicht jeder versteht die Dunkelheit. Wenn man auf jemanden trifft, der sie versteht, dann kommt eins zum anderen. Armagedda ist nur einer der Beweise dafür, dass Nordvis ein tiefes Verständnis für die Kräfte hat, die NOITILA antreiben.

Dreizehn Jahre meines Lebens habe ich in einem Haus auf dem Land gelebt, mit dem Wald und seinen Bewohnern als unmittelbaren Nachbarn, ergo haben Eure Worte (im Presse-Info) über Besuche in der Hütte im Wald und die dortige Aussicht in dem Teil von mir einen Widerhall erzeugt, der es genießt, dem heutigen "Leben" in der Großstadt fernzubleiben und durch die Wälder zu streifen. Betrachtet Ihr es als ein Privileg, dass Ihr Euch in jene Hütte zurückziehen, auf die Natur konzentrieren und dort Eure Musik aufnehmen könnt?

Du scheinst genau zu wissen, worum es geht. Es ist definitiv ein Privileg. Und nicht nur die Hütte ist eine enorme Quelle der Inspiration und Kraft, sondern auch das Leben in Finnland, wo sogar die Städte von Natur umgeben sind und wir noch vier Jahreszeiten erleben. Sogar zuhause gibt es einen See und Wälder, die nur einen Steinwurf entfernt liegen. Es liegt auf der Hand, dass das Eintauchen in die Natur dazu beiträgt, die für das Gebet, die Konzentration und den Fluss erforderliche Ruhe und Abgeschiedenheit des Geistes zu finden. NOITILA ist auch ein magischer Ort, an dem Welten aufeinander prallen und nebeneinander bestehen, an dem Energien von unten und aus der Ferne konzentriert und in einem spirituellen Nexus oder einer Kreuzung vereint sind. Die Unordnung und der oberflächliche Mist der modernen Gesellschaft verblassen und werden durch etwas Echtes und Unheimliches ersetzt. Die richtige Umgebung ist entscheidend, um den Geist von NOITILA zu erfassen.

An manchen Stellen klingt "Noitilaan" fast wie ein Song, der von Ulver (zur Zeit von "Kveldssanger") und Satyricon (zur Zeit von "Dark Medieval Times") hätte aufgenommen worden sein können, und es ist wohl eines der eindringlichsten Stücke Black Metal, das ich in letzter Zeit gehört habe. Handelt es sich sozusagen um die bisher wichtigste Komposition von NOITILA?

Es gibt für uns keinen Song, den wir bevorzugen oder der am Wichtigsten ist. "Noitilaan" sticht allerdings mit seiner Botschaft und Symbolik heraus, also bist du da vielleicht etwas auf der Spur. Der Song ist in der Mitte des Albums platziert und fungiert als Wendepunkt in einer Litanei für Satan, die das Album im Wesentlichen darstellt. Jedes Stück ist eine Hinwendung zur Ruhe des Todes, der sich langsam nähert. Wie du wahrscheinlich erfahren hast, endet das Ganze in einem gewalttätigen Höhepunkt kurz bevor sich die befreiende Dunkelheit Bahn bricht.

Der Name Eurer Band leitet sich von einem See ab und kann grob mit "Hexenbucht" übersetzt werden, ergo nehme ich an, dass wir selbige auf dem Cover Eures Albums sehen können. Was macht diesen Ort so inspirierend für Euch?

Wie immer bei Übersetzungen, wird man der ursprünglichen Bedeutung kaum gerecht. "Noitila" ist das Gebiet, das mit der Bucht verbunden ist und sie einschließt. Der Ort ist geprägt von einer sehr mysteriösen wie gespenstischen Geschichte, die von einer Hexe handelt, deren Geist noch immer dort weilt. Es wird dort sehr still, kalt und dunkel. Sehr still. Das ist eine gute Grundlage, um all den weltlichen geistigen Müll abzustreifen, den man in der modernen Welt anzusammeln pflegt. Und wenn man immer wieder an der gleichen Stelle gräbt, gelangt man immer tiefer in den Abgrund. In NOITILA stecken wir viel zu tief drin, um uns wohl zu fühlen, und genau das ist nötig, damit sich die Magie entfalten kann. Das Portal wurde geöffnet, und die Dunkelheit strömt in die Welt.

In einigen Passagen baut Ihr Keyboard-Melodien ein, was genauso gut funktioniert wie bei den frühen Gehenna oder sogar bei einigen klassischen King-Diamond-Aufnahmen. Das verleiht der Musik eine subtile Aura, die ihr wiederum Kraft einflößt. Ihr schränkt Euch offensichtlich nicht ein, wenn es um Instrumente oder Stile geht, solange es zum Gesamtkonzept passt, oder?

Instrumente und Stile sind lediglich Werkzeuge für das Ritual. Unterschiedliche Kräfte und Gefühle, welche die Kraft kanalisieren, erfordern unterschiedliche Werkzeuge. Es wäre kontraproduktiv, ein Mittel zu verwerfen, das den Anforderungen perfekt gerecht wird. Der Tod ist kompromisslos, und die Dunkelheit bittet nicht um Erlaubnis - was immer nötig ist, um das ultimative Ziel zu erreichen.

Black Metal spricht ein eher begrenztes Publikum an, und von der Natur inspirierter Black Metal spricht eine noch geringere Anzahl von Zuhörern an - wenn er überhaupt Zuhörer anspricht... Mit Respekt für diese Tatsache hat einer der Musiker von Throne of Katharsis einmal eine Fanzine-Ausgabe unter dem Namen "Daudings Skript" herausgegeben, die teilweise handgeschrieben war und nach nur einer Ausgabe wieder eingestellt wurde - was ein konsequenter Schritt war. Macht es für Euch Sinn, NOITILA in den zeitgenössischen sozialen und Metal-Medien zu präsentieren oder denkt Ihr eher, dass die Musik für sich selbst sprechen sollte, ohne zusätzlichen Bullshit?

...und es macht letztlich keinen Unterschied - jeder wird dem Tod früher oder später begegnen. Die heutigen Medien sind nur ein weiteres ausbeuterisches Werkzeug, um die rituellen Mantras zu kanalisieren. Stell‘ es dir wie eine Horde Ratten vor, die eine Seuche überträgt. Die Musik des Teufels braucht niemanden. Sie kümmert sich nicht um Meinungen. Aber die Verbreitung der Dunkelheit in den Herzen und Köpfen anderer ist ein Weg, sie weiter zu ermächtigen. Einige werden es verstehen, die meisten werden es nicht verstehen. Es macht keinen Unterschied für uns oder das Ergebnis. Die Musik wird für sich selbst sprechen, unabhängig davon, wie oder ob sie sich verbreitet. Schließlich ist es Nordvis, der sich um den weiteren Bullshit kümmert, wie du es so elegant formuliert hast.

Die schiere Intensität von "Langennut" sticht aus unzähligen zeitgenössischen Black-Metal-Veröffentlichungen hervor. Besteht die Möglichkeit, dass Ihr eines Tages mit einer weiteren Aufnahme zurückkehrt?

Wenn Satan es will. Wir sind jedenfalls dazu bereit.

Thor Joakimsson (Info)
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