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Interview mit MICHELLE ZAUNER von JAPANESE BREAKFAST (05.06.2021)

MICHELLE ZAUNER von JAPANESE BREAKFAST

Jubilee“ ist das dritte Album, das die Songwriterin, Produzentin, Autorin und Regisseurin Michelle Zauner mit ihrem Bandprojekt JAPANESE BREAKFAST auflegt – und es war ein relativ langer Weg, der dorthin führte. Denn bereits auf dem College unternahm Michelle – zunächst mit dem Solo-Projekt Little Girl, Big Spoon und dann mit den Bandprojekten Post Post und Little Big League – erste musikalische Gehversuche. Es war dann allerdings erst der traumatische Krebstod ihrer Mutter im Jahre 2014, der Michelle dazu veranlasste, sich neu zu positionieren und mit dem Projekt Japanese Breakfast das Verhältnis zu ihrer Mutter, ihre koreanische Herkunft und ihre Position im Leben neu zu bewerten und kreativ zu verarbeiten. Wie sehr sie diese Phase ihres Lebens belastete und beschäftigte, lässt sich nicht nur daran ablesen, dass sie diese zum Thema sowohl der ersten beiden Japanese-Breakfast-Alben „Psychopomp“ und „Soft Sounds From Another Planet“ wie auch in abgewandelter Form des neuen Werkes „Jubilee“ machte, sondern sie obendrein dazu veranlasste, ihre Erfahrungen und Gedanken in ihrem autobiographischen, ersten Buch „Crying At The H Mart – A Memoir“ niederzuschreiben, das im Frühjahr in den USA bereits mit großem Interesse aufgenommen wurde.

Michelle wenn man mit 30 eine Erinnerung wie „Crying In H Mart“ schreibt, dann heißt das ja vermutlich, dass es 30 Jahre später einen zweiten Teil geben wird, oder?

Ich denke eher nicht. Daran bin ich nicht interessiert. Ich betrachte das Buch auch nicht so sehr als Biographie. Es geht da halt um eine bestimmte Zeit meines Lebens. Hauptsächlich handelt es ja von meiner Mutter und meiner Beziehung zu ihr. Es wäre also nicht fair, es als die Memoiren einer 30-jährigen zu bezeichnen. Es ist eher die Geschichte eines für mich intensiven Zeitabschnittes.

Okay – ist dieses Buch dann vielleicht der Abschluss der Phase, die auf der kreativen Seite für Dich mit den letzten beiden Japanese-Breakfast-Scheiben begann?

Ich glaube, dass man mit dem Gefühl der Trauer auf eine gewisse Weise für immer leben muss. Aber kreativ kann ich jetzt tatsächlich mit etwas Neuem anfangen und ich denke schon, dass ich das Kapitel mit diesem Buch jetzt schließen kann.

Nun ist das neue Album zwar wesentlich poppiger und zugänglicher als die leicht sperrigen Vorgängeralben – aber inhaltlich gibt es auch auf dem neuen Album wieder einige düstere Untertöne und Themen – die aber auf der anderen Seite durch die positiven musikalischen Elemente wieder ausgeglichen werden. Ging es Dir also um eine ausgeglichene Balance?

Ja, das ist aber etwas, an dem ich immer schon sehr interessiert war. Ich mag es sehr, Pop-Musik als etwas mit Massen-Appeal zu verkaufen, aber dann die Menschen mit den Texten zu treffen. Das habe ich auch mit meinen früheren Projekten immer schon gemacht.

Was hat Dich denn überhaupt gereizt, das neue Album musikalisch als Pop-Album mit Massen-Appeal anzulegen?

Für mich fühlte sich das wie eine ganz natürliche Neugier an, einmal zum anderen Ende des Spektrums springen zu wollen. Ich meine auch, dass ich als Komponistin und Produzentin selbstbewusster geworden bin und glaube schon, dass mein Album das auch widerspiegelt.

Ist es denn heutzutage einfacher für Dich, eine Scheibe wie „Jubilee“ dann in einer so opulenten Form anlegen zu können?

Na ja, ich denke, dass es einfach in der Natur der Sache begründet ist, dass man als erfolgreichere Musikerin auch Zugang zu besseren Aufnahmemöglichkeiten hat. Wir hatten in den letzten fünf Jahren ja auch die wundervolle Möglichkeit, viel zu touren und viele außergewöhnliche Musiker zu treffen, mit denen ich dann auch auf diesem Album zusammenarbeiten konnte. Etwa die Geigerin Molly Germer oder Adam Schatz am Saxophon, der dieses ganze Netzwerk an Bläsern einbrachte, der Produzent und Musiker Alex G und Ryan Galloway von der Band Crying. Ich denke einfach, wenn man als Künstler erfolgreicher wird, dann wird es mit der Zeit einfacher, solche Verbindungen zu knüpfen.

Das gilt ja sicher auch für Deine Videos, bei denen Du ja auch Regie führst. In dem Video zu „Savage Good Boy“ tritt ja sogar der Schauspieler Michael Imperioli aus der Serie 'The Sopranos' auf. Gehst Du Deine Musik eigentlich auch immer gleich mit einer gewissen cineastischen Note an?

Ehrlich gesagt denke ich über so etwas gar nicht großartig nach, bis die Songs fertig sind. Das kommt dann im Allgemeinen also erst später. Woher die Film-Referenzen kommen, hängt dann von verschiedenen Faktoren ab. In dem Song 'Be Sweet' gibt es z.B. die Textzeile 'I want to believe' – und das ist etwas, was in den Serien der 'X-Files' ('Akte X') oft gesagt wird. Manchmal, wie bei dem Song 'Machinist' vom letzten Album, geht es mir auch um eine wörtliche Übernahme der Texte in eine Bildsprache; aber das ist nicht immer so. Ich denke, dass sowohl die Texte wie auch das Gefühl, welches die Musik einem vermittelt, einen Einfluss auf die visuelle Umsetzung haben sollten. 


Die Videos entstehen meist in Zusammenarbeit mit dem Kameramann Adam Kolodny. Und der stellte bereits fest, dass Du dann ja eigentlich auch mal einen Spielfilm machen könntest. Ist da was dran?

Das ist lustig, denn das habe ich jetzt schon ein paarmal gehört. Ich glaube, Kolodny hat das nur in die Welt gesetzt, damit es sich irgendwann auch mal verwirklicht. Adam wäre wohl gerne der Kameramann bei einem Spielfilm, für den ich Regie führe. Im Moment gibt’s da aber keine konkreten Pläne. Es ist wohl eher so der Reiz, einen neuen Berg zu besteigen, welcher diese Idee beflügelt. Einen Film zu machen wäre ja auch ein großes, Gemeinschaftsprojekt. Allein die Tatsache, dass es mir gelungen ist, die Produktion eines Musikalbums von vorne bis hinten durchzuziehen, zeigt mir, dass ich genügend Selbstvertrauen hätte, auch ein Filmprojekt angehen zu können. An mein Buch bin ich auch mit einer ähnlichen Einstellung herangegangen. Grundsätzlich sollte man aber immer seinen kreativen Instinkten vertrauen. Es wäre also zumindest denkbar, dass es mir gelingen könnte, solch ein Projekt anzugehen und dabei recht gut zu sein.

Interessant ist auch die Tatsache, dass Du auf dem neuen Album nicht ausschließlich aus der eigenen Perspektive zu singen scheinst, sondern auch zunehmend andere Sichtweisen einnimmst und Charaktere verkörperst, oder?

Definitiv. Ich denke, dass das diesmal stärker zum Ausdruck kommt, als auf den letzten Alben, aber ich habe sowas bereits in meinen früheren Band-Tagen gemacht. Ich nehme gerne die Sichtweise anderer ein, um Menschen, die ich nicht so gut verstehen kann, auf diese Weise besser kennenlernen zu können. So kann ich ein Verhalten, das sich außerhalb dessen bewegt, was ich selbst machen würde, vielleicht besser verstehen.


Wovon lässt Du Dich dabei inspirieren?

Das ist ganz unterschiedlich. 'Savage Good Boy' bezieht sich zum Beispiel auf einen Zeitungsartikel, den ich gelesen hatte, in dem es um Millionäre geht, die sich Bunker kaufen. 'Kokomo, In' handelt von der jugendlichen Sehnsucht eines 17-Jährigen der gerne solche Songs wie die Beatles schreiben möchte.

Wenn Du jetzt also öfter eigene Geschichten schreibst: Würdest Du sagen, dass das neue Album dann vielleicht weniger therapeutisch angelegt ist als die bisherigen?

Och, ich denke, es geht dieses Mal vielleicht nur um eine andere Art von Therapie. Immerhin durchlebte ich damals ja eine raue, traumatische und verletzliche Phase. Die Musik half mir durch diese Zeit und an den Punkt zu kommen, wo ich nun angelangt bin. Auf gewisse Weise hat dieses Album immer noch das gleiche Thema: An welchem Punkt in meinem Leben ich mich – nun sechs Jahre später – befinde.

Wie entstehen deine eigenen Geschichten denn für gewöhnlich?

Hmmmm. Ich denke, dass ich meistens mit einer einzelnen Zeile beginne, die für mich eine besondere Bedeutung, ein besonderes Gewicht hat. Bei 'Savage Good Boy' war es zum Beispiel die Zeitungs-Überschrift: 'Milliarden-Bunker für Zwei'. Davon ausgehend habe ich mir dann die Geschichte eines reichen Mannes ausgedacht, der eine junge Frau dazu bringen will, mit ihm zusammen in seinem Bunker zu leben und wie er diese Beziehung dann bewertet. Das hat dann weitere Zeilen ausgelöst, wie z.B. 'I wanna be your man – I wanna be your savage good boy'.




Und in dem Song „In Hell“ geht es darum, dass Du Deinen Hund verlierst – oder habe ich das falsch verstanden?

Ja, das stimmt schon so. Der Song ist quasi das Gegenstück zu einen Song namens 'In Heaven' vom 'Psychopomp'-Album. Es geht dabei um denselben Hund und den Zeitraum nach dem Tod meiner Mutter, als ich diesen Hund einschläfern lassen musste.

Ein Song, der auf dem Album in besonderer Weise heraussticht, ist der letzte Track, „Posing For Cars“. Einfach deswegen, weil er, als er fast schon vorbei zu sein scheint, ein episches Eigenleben entwickelt und sich zu einem orgiastischen Finale aufbauscht. Was hattest Du dabei im Sinn?

Für mich ist das ein sehr persönlicher Song, den ich darüber schrieb, wie sich zwei Menschen auf sehr unterschiedliche Art lieben können und das über die Jahre realisieren. Der Song beginnt ja ganz konventionell mit einer akustischen Gitarre und erinnerte mich an den Wilco-Song 'At Least That's What You Said', der auch mit diesem unterschwelligen Akustik-Thema beginnt und sich in dieses mächtige Gitarrensolo steigert. Für mich war dieser Song immer sehr kraftvoll, weil Jeff Tweedy alles, was er nicht aussprechen konnte, mit diesem Gitarrensolo sagte. Ich liebe die Idee, ein pures Gefühl auf eine solche Weise ausdrücken zu können, nachdem so viele Worte gesagt worden sind, die das bis dahin nicht vermochten. In meinem Song geht es darum, auf eine andere Weise als mit Worten kommunizieren zu können. Also spreche ich in diesem Song am Ende eben mit meiner Gitarre.


http://Japanesebreakfast.rocks/
https://www.facebook.com/japanesebreakfast/

Fotocredits: Peter Ash Lee

 

Ullrich Maurer (Info)