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Faith No More - Sol Invictus - Massen-Review
1998 wurde mit FAITH NO MORE eine der bedeutendsten Rockbands der späten 80er und 90er aufgelöst. Knappe elf Jahre später folgte die Wiedervereinigung, die sich zunächst auf Liveauftritte beschränkte. In den Folgejahren blieb trotz weiterer Bühnenaktivitäten offen, wie und ob es mit der Band weitergehen würde. Bis letztes Jahr die Ankündigung eines neuen Studioalbums erfolgte. Nun ist "Sol Invictus", das siebte FAITH NO MORE-Album tatsächlich erschienen und wird von uns genauer unter die Lupe genommen - natürlich auch unter dem Aspekt, ob diese Wiedervereinigung eine Bereicherung darstellt (die Massenmedien jedenfalls sind sich da recht einig) oder ob hier lediglich mit einem großen Namen noch ein paar Dollar verdient werden wollen.
Review von: Andreas Schiffmann (Profil)
Eine Wiedervereinigung, die Sinn ergibt: Unkenrufen zum Trotz waren auch die letzten beiden Alben von FAITH NO MORE vor ihrem Abgesang Ende der 1990er ohne Big Jim nicht mau, sondern zeichneten eine logische Fortentwicklung von Musikern nach, die Einflüsse wie ein Schwamm aufsaugen und dennoch unverkennbar sie selbst bleiben, wobei Gitarrist Jon Hudson zuletzt eine angenehme Ruppigkeit hinzufügte.
Diese bricht sich auch auf "Sol Invictus" Bahn, das nach langer Auszeit die Linie von "King For A Day" und "Album Of The Year" fortführt und Mike Patton vielleicht stärker als je zuvor als bestimmenden Zeremonienmeister ins Schlaglicht rückt. Dennoch: mit Billy Goulds knarrenden Bass und Roddy Bottums einzigartiger Handschrift als Keyboarder kann es sich nur um eine Band handeln.
Diese beschreibt nun einen interessanten Spannungsbogen vom düstere Beginn, etwa mit dem Ohrwurm "Superhero" und dem regelrecht wütenden "Separation Anxiety" zu zunehmend sonnigeren Stücken ("Rise Of The Fall", das teils in der Tradition von "Evidence" steht) und unerhörten Überraschungen wie den mit lockerer Akustikgitarre versehenen Fegern "Black Friday" und "From The Dead".
Dass sich FAITH NO MORE mal wieder die sperrigen Tracks als Singles ausgesucht haben, ist nur zu typisch für diese wichtige, widerborstige Band.
FAZIT: Alle Erwartungen erfüllt, willkommen zurück.
11 von 15 Punkten
Review von: Andreas Schulz (Profil)
"Angel Dust", das vierte Album von FAITH NO MORE gehörte zu den ersten Platten, die ich damals auf CD gekauft hatte. Und ich habe das Album vergöttert und kann mich noch immer gut daran erinnern, wie es sich angefühlt hat, es zu hören. Kurz darauf wurde das Vorgänger-Hitalbum "The Real Thing" von mir entdeckt und genauso ins Herz geschlossen. Das 95er "King For A Day, Fool For A Lifetime" erreichte mich jedoch nicht mehr so sehr und das "Album Of The Year" von 1997 wurde trotz des Hits "Ashes To Ashes" noch nicht einmal mehr gekauft.
18 Jahre später also "Sol Invictus" und deutlich veränderte Hörgewohnheiten. Die Ankündigung eines neuen FAITH NO MORE-Albums löste dementsprechend keine Euphorie bei mir aus, lediglich ein gewisses Interesse daran, wie die Band wohl heute klingen mag. Groß ist die Überraschung dann auch nicht, denn die Band klingt eben so, wie FAITH NO MORE klingen müssen. Ein bisschen abgedreht, ein bisschen krachig, gleichzeitig aber auch eingängig. So wie bei "Superhero", einer typischen Nummer, die von recht harten Gitarren und einer markanten Pianolinie geführt wird. "Sunny Side Up" ist einer dieser Nummern, die man irgendwie nervig findet, die aber gleichzeitig viel Ohrwurmpotenzial hat. Düstere Stücke wie "Separation Anxiery" oder das textlich eindringliche "Cone Of Shame" sind natürlich genauso vertreten, wie die ungewöhnlich instrumentierten und arrangierten "RIse Of The Fall" und "Black Friday", während "Matador" die gesangliche Variabilität eines Mike Patton aufzeigt.
Ein bisschen überraschend ist die Tatsache, dass "Sol Invictus" - natürlich - einen makellosen Sound hat, der jedoch in den Gitarren rauer und dreckiger ist, als man es vielleicht erwartet hätte.
FAZIT: "Sol Invictus" ist ein gutes Album, dass man gehört haben sollte. Für mich ist aber klar, dass ich - wenn ich mal wieder Bock auf die Band habe - ganz sicher eher "Angel Dust" oder "The Real Thing" hören werde, als "Sol Invictus". Dafür ist mir die Platte letztlich zu unspektakulär und vermag es nicht, mich zu berühren.
10 von 15 Punkten
Review von: Lothar Hausfeld (Profil)
Wenn man den Begriff "Crossover" auf eine einzige Band reduzieren wollte – wer außer FAITH NO MORE sollte dafür in Frage kommen? "The Real Thing" oder "Angel Dust" schafften es seinerzeit im miefigen niedersächsischen Kleinstadtidyll, in dem ich aufwuchs, dass sich der Rock’n’Roller, der Hardcore-Fanatiker, der Heavy-Metal-Hörer und der Mainstream-Orientierte auf FNM als kleinsten gemeinsamen Nenner einigen konnten. Insofern darf man das Comeback der eigenwilligen Band durchaus als willkommen bezeichnen.
Und als gelungen zudem: FAITH NO MORE schaffen es mit "Sol Invictus" immer noch, aus einer stilistisch recht eng gefassten Schublade namens Rockmusik das Maximum an Diversifizierung rauszuholen. Der brachiale Hit "Superhero" mit abgefahrenen Pianoläufen, das lässig groovende "Sunny Side Up", das böse "Separation Anxiety", das überaus pfiffige und abwechslungsreiche "Rise Of The Fall", das nur vordergründig sperrige "Motherfucker" mit spröden Melodien, das sich allerdings zur 1A-Gehirnblockade entwickelt, das bombastische "Matador" – es gibt nicht viele Bands, die ein Comeback-Album so entspannt angehen wie FAITH NO MORE. Wie schon in der Hoch-Zeit der Band schafft es die Truppe um Ausnahmefrontmann Mike Patton am Mikrofon, der wieder einmal sämtliche Facetten zwischen Genie und Wahnsinn umsetzt, mit der Erwartungshaltung der Fangemeinde zu spielen – und weil FNM letztlich nur genau das machen, was sie wollen, den Fans eben das geben, was diese verlangen. Gibt es eine zweite Band, der das so gelingt wie FAITH NO MORE?
FAZIT: Die Welt hätte sich sicher weiterhin gedreht ohne die Rückkehr von FAITH NO MORE. Aber die Musiklandschaft ist wieder ein Stückchen bunter geworden. Ob der Fünfer im Jahr 2015 immer noch die Kraft hat, als Über-Crossover über alle Grenzen hinweg Erfolge zu feiern und die einzelnen Szenen zu vereinen? Man würde es ihnen gönnen – schließlich scheint es so, als würde die Band auch 17 Jahre nach dem bisher letzten Machwerk "Album Of The Year" komplett ohne jegliches Kalkül vorgehen.
13 von 15 Punkten
Review von: Chris Popp (Profil)
Dem dieses textliche Ejakulat in das Eingabegerät hämmernden Schreibknecht ist vor Freude beinahe ein Testikel aus dem Beinkleid gekullert, als bekannt wurde, dass die Crossoverlegende FAITH NO MORE nach weit über eineinhalb Dekaden reanimiert wurde und auch die Aufnahmen eines neuen Albums bekanntgegeben wurden.
Zitter, bang, spekulier, hibbel. Hysterie. Fanboy mit Schnappatmung und Priapismus.
Sofort ratterten die Rädchen im Gehirn: Wie werden die Herren Bottum, Gould, Hudson, Bordin und Patton anno 2015 klingen? Kommt der nächste von schon damals so zahlreichen Entwicklungssprüngen? Oder machen sie wie zahlreiche Reunionbands einen auf Arschkriecher und kochen das Süppchen, das das Zauberelixier für den Durchbruch war ("Epic" und "Angel Dust"), noch einmal auf? Weder noch, denn im Grunde lässt sich "Sol Invictus" irgendwo zwischen viel "King For A Day... Fool For A Lifetime", etwas "Album Of The Year" und nur ein klein wenig "Angel Dust" verorten. Sie machen also das, was sie am besten können, nämlich ihr eigenes Ding. Anders wäre das doch sehr verwunderlich gewesen.
Wie packt man dieses Album nun in seiner Gänze an, ohne das verhasste Song-by-Song-Schema aufzugreifen? Man tut es trotzdem, weil es schlichtweg über jeden Song etwas Eigenes zu erzählen gibt. Der eröffnende Titeltrack, eigentlich eher ein halbes Intro, packt soulige und filmmusikähnliche Schwingungen in ein düsteres Gewand, während "Superhero" ein Song ist, der kaum mehr typische Mid-90s-FNM-Kost sein könnte. Rasant, treibend, chaotisch und mit einer Haftkraft, die klebriger als Ohrenschmalz ist. Da wartet man fast schon darauf, dass es irgendwann eine neue Superheldenserie gibt, in welcher "Superhero" der Theme-Song ist (und darüberhinaus in verschiedensten Varianten in den einzelnen Episoden auftaucht). Nach einer kleinen Erholungspause in Form des mitunter zwar schweren und gegen den Strich gebürsteten, aber dennoch sehr eingängigen "Sunny Side Up" wird in "Separation Anxiety" unterschwellig Wut freigesetzt - ein schleichender Prozess mit eruptivem Ausgang.
Nach dem postrockswingenden Cowboyhut "Cone Of Shame", das eine ähnliche Wirkung und einen ähnlichen Verlauf wie der Vorgängersong besitzt, darf man sich dann fragen: "Ja sag mal, haben die zuletzt MAJOR PARKINSON gehört?", denn "Rise Of The Fall" ist so ein Song, der, wenn man sich statt Mike Patton den guten Jon Ivar Kollbotn am Mikrofon vorstellt, gut und gern auch von den Norwegern hätte stammen können. "Black Friday" hat ein gar nicht unähnliches Flair, wobei der Song trotz seiner Laut-Leise-Dynamik um einiges gradliniger daherkommt. Der "Motherfucker" beamt den Hörer dann etwas weiter zurück in der Bandgeschichte... ein Federvieh flattert auf dunkelblauem Hintergrund vor dem inneren Auge des Rezensenten. So kratzbürstig und sperrig der Song auch sein mag, so eindringlich ist er gleichzeitig - ob das an der Repetititvität des Songs liegt? Jedenfalls erwischt man sich in stillen und unbeobachteten Minuten, wie man rhythmisch vor sich hinmurmelt: "Get the motherfucker on the phone, the phone" - eigentlich ein prima Klingelton für den Mikeaholic in uns.
Depressiv-mexikanisch und knarzig-knurrig-brummig, dann wieder süßlich und säuselnd oder einmal mehr pattonsche Soul-Qualitäten demonstrierend, treibt "Matador" das Spiel mit der Dynamik auf die Spitze und baut durch die zahlreichen Kontraste eine Spannung auf, die den Song zu einem dunkel-intensiven Erlebnis werden lässt. Melancholisch und ironisch zugleich wird man dann mit "From The Dead" in die Stille entlassen.
Es scheint offenbar so, als wäre eine Jubelarie, eine Lobpreisung, die wortgewordene Euphorie das Logischste und Angemessenste, um das Album zu beschreiben, doch während die letzten beiden Alben vor der Äonen weilenden Pause noch immer ein Kaugummi mit Geschmack sind, verflog das Hochgefühl im Rezensenten nach einigen Albumrotationen zunehmend. Zweifellos sind die Songs allesamt bärenstark oder mindestens als gut, als 'mehr als solide', zu bezeichnen, doch immer wieder wirkt "Sol Invictus" so, als seien die Knochen noch nicht gänzlich rostfrei - hat man sich in die sperrigeren Songs erst mal reingehört, so wohnt ihnen wie den eingängigeren Stücken eine geringere Langzeitwirkung inne. Das Satthören ist zwar noch lange nicht in Sicht, aber da ist noch etwas, was fehlt.
FAZIT: FAITH NO MORE sind weit von einem Reinfall entfernt, doch auch die ultimative Bombe bleibt mit diesem Comeback aus. Vielmehr ist "Sol Invictus" ein Album geworden, das qualitativ absolut in Ordnung geht und keine schwachen Songs aufweist - aber der Griff an die eingangs genannten Testikel erscheint etwas locker. Fast klingt das Quintett etwas... vorsichtig?
11 von 15 Punkten
Durchschnittspunktzahl: 11,25 von 15 Punkten.
Damit Einstieg auf Platz 17 in den Massen-Review-Charts.