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Cynic / Balboa Inn - Hamburg, Logo - 01.09.2009

Ein Konzert für die Ruhmeshalle der Live-Darbietungen: Die göttlichen CYNIC sind kurz nach dem letzten Besuch mit OPETH wieder in Hamburg, dieses Mal als Headliner. Bloß nicht wieder vor der ausverkauften Halle stehen und sich die Krätze ärgern, also reichlich vorher die Karte gekauft und tagelang vorher nichts Anderes gehört als "Focus" und "Traced In Air".

Los gehts pünktlich um 21.00 Uhr mit den Hamburgern BALBOA INN. Und nach 30 vielversprechenden Sekunden mit einem simplen Riff, Tribal-Drum-Einlagen und Cello-Tönen folgt ungläubiges Staunen. Der Auftritt kippt noch binnen der ersten Minute zum komplett unspannenden Abklatsch diverser US-Rock Megaseller, die Band klaut teilweise ganze Parts von an sich schon uninspirierten Schrammelbands wie NICKELBACK oder CREED. Dabei verspielen die durchaus nicht unsympathisch wirkenden Jungs den Bonus, mit dem Cello ein exotisches Instrument dabei zu haben und versinken in der kompositorischen Bedeutungslosigkeit. Obwohl handwerklich alles sitzt, ist hier nicht das kleinste bisschen Raffinesse herauszuhören; das wiegt umso schwerer, als man ausgerechnet gegen die vor Originalität sprühenden CYNIC antreten muss. Welcher besoffene Booker macht sowas? Zwar lässt sich der Frontmann seine Bruce-Dickinson-Momente nicht nehmen und fordert die Leute zum Mitklatschen und Mitsingen auf, post als würde er in Castle Donington spielen und flicht in seine Ansagen teilweise englische (!) Hohlphrasen ein. Das Ganze bleibt so beklagenswert arm an Resonanz, dass man fast Mitleid bekommen könnte, da hilft es auch nix, dass man gleich mehrere Balladen (!!) im Angebot hat. Zum Schmusen ist einfach keiner hergekommen. Der artige Applaus der anwesenden Kumpels täuscht nicht darüber hinweg, dass BALBOA INN heute nicht nur völlig fehl am Platze sind, sondern auch mit ihren Songs keine Duftmarke setzen können.

Was folgt, wirkt dadurch umso heftiger. CYNIC spielen ihre beiden Alben fast durch und glänzen über die gesamte Länge des Konzerts mit Perfektion in jeder Hinsicht. Spielerisch allen anderen sowieso überlegen, fährt man zusätzlich einen sehr guten Sound auf und zeigt sich bester Laune. Statt auf schmale Kompositionen und dicke Posen zu setzen wie die Vorband, machen CYNIC es genau umgekehrt. Sie stehen da und freuen sich, wirken unaffektiert und bei aller Zauberei auf den Instrumenten vollkommen entspannt. Wie unglaublich gut die Jungs sind, merkt man zum Beispiel daran, dass ihre enorm komplexen Songs mit unzähligen Breaks, Soli und krummen Takten viel mehr Fluss besitzen als der Standard-Rock vorher. Die Atmosphäre ist es dann auch, die einen als Hörer gefangen nimmt, Zeit und Raum vergessen lässt und von der ersten bis zur letzten Minute für wohliges Grinsen beziehungsweise ausgehakte Unterkiefer sorgt. Die berauschenden Gesangslinien von Meisterweken wie "Veil Of Maya",  "Uroboric Forms", "Evolutionary Sleeper" oder "Adam´s Murmur" sind wie das Netz, das die unüberschaubare Masse an Ideen zusammen hält, das merkt dann auch das Publikum im nicht ausverkauften Logo, denn der gesamte Laden hängt CYNIC an den Lippen und schaut ihnen auf die Finger. Inhaltlich bewegen sich die Amerikaner ganz untypisch für ihr Land im intellektuellen Bereich, befassen sich mit philosophischen Theorien unterschiedlicher Epochen und Regionen. Als Sänger Paul Masvidal schließlich dazu aufruft, die Bücher seines Philosophie-Professors und auch sonst möglichst viel zu lesen und sich zu bilden, hat man sie endgültig nicht nur als Musiker, sondern auch als Typen ins Herz geschlossen. Da passen Shirt-Preise von 5-15 € gut ins Bild – obwohl man so was ja eher aus dem Hardcore-Bereich kennt, scheint man auch im Metal nicht unbedingt 35 Schleifen für ein Shirt aufrufen zu müssen. Und die Rechnung geht auf: Der begeisterte Rezensent hat jetzt zwei neue Hemdchen.

Manchmal sind Ereignisse denkwürdig, dies ist eines davon. Man kann nur jedem dringend raten, wenigstens einmal in seinem Leben ein Konzert von CYNIC besucht zu haben, denn ansonsten stirbt man unvollständig. Wer diese Demonstration aber einmal erlebt hat, kann als zufriedener Mensch abtreten und kommt in den Himmel der coolen Leute - da warten die Jungs von CYNIC dann.

Setliste CYNIC (ohne Reihenfolge und Gewähr):

Veil Of Maya
Celestial Voyage
The Eagle Nature
Uroboric Forms
Textures
The Space For This
Evolutionary Sleeper
Integral Birth
The Unknown Guest
Adam´s Murmur
King Of Those Who know
Nunc Stans

Hendrik Lukas (Info)